Inhalt
Es ist eine sehr moderne Adaption des Mythos, auch wenn es einige szenische Referenzen zu James Whales Klassikern gibt. Frankenstein erwacht als hübscher junger Mann in einem geheimen Hightech-Labor, erschaffen von zwei Wissenschaftlern, die sich sofort rührend um ihr neues „Baby“ kümmern. Allerdings kriegt das Wunder der Natur nach kurzer Zeit Eiterbeulen, so dass sich das Team gezwungen sieht, ihn wieder einzuschläfern. Nur entpuppt sich ihre Kreatur als überraschend untötbar und ziemlich angepisst. Bald stapeln Leichen ihren Weg. Dabei sucht das Monster, das seinen Namen mittlerweile auch optisch wirkungsvoll verkörpert, doch nur eins: Seine Mama und Liebe.
Kritik
Mary Shelley veröffentlichte 1818 "Frankenstein", einen der bekanntesten schwarzromantischen Texte und wahrscheinlich dem am öftesten verfilmten. Dabei sind im Laufe der Zeit und mit den vielen Adaptionen eine Menge Dinge zum Mythos hinzugefügt worden, die da ursprünglich eigentlich gar nichts verloren hatten: Das Zusammenschrauben von Leichenteilen, Blitze, ein buckliger Gehilfe namens Igor, ein manischer Schrei von "Es lebt! Es leehehebt!", etc.
Mit "Frankenstein" kehrt Regisseur Bernard Rose ("Mr. Nice") wieder mehr zum Ausgangsmaterial zurück. Tatsächlich sind nicht nur eine Menge Situationen und Szenen recht nahe an der literarischen Vorlage, auch die eingespielte Erzählerstimme spricht fast wortgenau Stücke aus der Erzählung des Monsters aus der Mitte des Romans nach.
Durch die Kameraarbeit wird gerade am Anfang sehr gut die Perspektive eines Wesens entwickelt, das voll entwickelt das Licht der Welt erblickt, aber überhaupt keine Erfahrung hat um die verschiedensten Sinneseindrücke zu ordnen oder richtig zu verarbeiten. Sämtliche Empfindungen überfordern oder verletzen das Monster zunächst einmal und das wird einem ziemlich gut vermittelt. Extrem gelungen ist zudem das Make-Up, beziehungsweise die Maske des Monsters. Dieses sieht zunächst aus, wie eine fast schon idealisierte Version eines Menschen, kriegt aber durch eine fehlerhafte Zellreproduktion zunehmend Beulen, Auswüchse und Karzinome, die ziemlich überzeugend sind und gerade jene Mischung aus Mitleid und Ekel erzeugen, die Voraussetzung sind um eine gute Ausgangslage für die Figur zu bieten.
Aber leider ist nicht alles perfekt. Ein paar Probleme gibt es in dem Film durchaus. Beispielsweise ist das Verhältnis zum Schöpfer etwas diffuser, weil es nicht nur den Doktor Frankenstein gibt, sondern auch ein mütterliches Gegenstück (Carrie-Anne Moss). Grundsätzlich kein ganz verkehrter Ansatz, allerdings lagert es auch widersprüchliche Emotionen bezüglich des Monsters in mehrere Figuren aus und macht diese damit weniger komplex. Genauso problematisch ist, dass das Monster bis zum Schluss nicht wirklich das Sprechen erlernt und damit auch seine Schöpfer nicht wirklich zur Rede stellen kann, was ein krasser Gegensatz zur Vorlage ist. Im Roman erzählt das extrem eloquente Monster überhaupt erst seine Lebensgeschichte um seinem Schöpfer klar zu machen, welche Verantwortung und Pflichten er zu tragen hat und dass das Monster einen ethisch vollkommen gerechtfertigten Anspruch auf gewisse Dinge hat. Dieser weitergehende Zweck, beziehungsweise die Konfrontation auf einer höheren Ebene fällt in "Frankenstein" leider raus.
Beides, die Aufteilung der "elterlichen" Verantwortung, als auch die zu kurz ausfallende Konfrontation, machen den Höhepunkt des Films, auf den ja eigentlich alles hinausläuft, etwas diffus, zu kurz und ein bisschen nichtssagend. Entsprechend fällt es einem schwer zu sagen, was der Film jenseits einer Modernisierung des Kontextes aus der Geschichte macht um seine Adaption zu rechtfertigen.
Fazit
Eine recht gelungene Modernisierung des Literaturklassikers von Mary Shelley. Einziger Wermutstropfen ist, dass die hinterliegende Thematik ziemlich unbehandelt bleibt und damit auch der eigentliche Höhepunkt, die Konfrontation des Monsters mit seinem Schöpfer, zu kurz und unspektakulär ausfällt.