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In der südafrikanischen Kleinstadt Marseilles, besonders deren Slum Railway, steht die einheimische Bevölkerung unter dem Regime eines weißen, korrupten Justizapparates. Fünf Jugendliche widersetzten sich, mit schwerwiegenden Folgen. Nachdem Tau zwei Polizisten erschießt muss er Hals über Kopf flüchten. 15 Jahre und eine Karriere als Outlaw später kehrt er zurück und muss feststellen, dass sie vieles geändert, aber kaum verbessert hat. Immer noch steht Railway unter der Kontrolle von Gewalt und obwohl seine alten Freunde immer noch vor Ort sind und teilweise wichtige Positionen innehaben ist die Lage brenzlig. Obgleich er das nie vorhatte, wird Tau praktisch gezwungen erneut in die Rolle des Befreiers zu schlüpfen.

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Quelle: themoviedb.org

Kritik

Letztes Jahr war Moviebreak mit zwei Autoren auf dem HARD:LINE Festival in Regensburg vertreten und schwer angetan von dem dargebotenen Programm wie dem gesamten Drumherum. Auch dieses Jahr waren wir wieder geladen, konnten aus zeitlichen Gründen leider nicht direkt vor Ort sein. Dank der freundlichen Unterstützung der Verantwortlichen wurde uns dennoch ein Großteil des diesjährigen Programms zur Verfügung gestellt, was wir in den kommenden Tagen und Wochen für euch gerne unter die Lupe nehmen wollen.

Schon in den 60er Jahren verlor der Western sein US-Alleinstellungsmerkmal, als plötzlich die Europäer – speziell die Italiener – das eingeschlafene, oft in biederer Routine verfallene Genre neu belebten. Gute, aufregende und herausstechende Western kamen nun nicht mehr exklusiv aus deren Heimatland, aber sie taten immer noch so als ob. Obwohl der Spaghetti-Western mit voller Wucht nach vorne preschte, keiner traute sich das als zwingend erachtete Amerikanische anzupassen. Interessant wird es daher umso mehr, wenn ein vermeintlicher „Western“ weder die Regeln von Zeit und Ort einhält. Plötzlich in einem ganz anderen Kontext sein altes Lied vom namenlosen Fremden, einer Stadt im Würgegriff der Gewalt und einem Showdown geprägt von Vergeltung und den Geistern der Vergangenheit trällert. Nichts anderes praktiziert die südafrikanische Produktion Five Fingers for Marseilles von Regisseur Michael Matthews, der damit sein beachtliches Debüt im Spielfilmbereich abliefert.

Südafrika, ein Land historisch geprägt von Gewalt und sozialer Ungerechtigkeit. In dem die eigentliche, aber mächtige Minderheit das eingeborene Volk brutal unterjochte und damit auch deren unfreiwillige Selbstzerfleischung vorantrieb. Denn wenn du nichts hast und von außen nur Unrecht und Hoffnungslosigkeit erfährst, ist das gegenseitige Ausbeuten leider naheliegend. Im Elend entstehen auch aus dem Nichts falsche Könige und hilflose Knechte, es kommt immer auf die Perspektive an. In Marseille, einem von Einwanderern gegründeten Städtchen in der Provinz, wird auch das ursprüngliche Volk ghettoisiert, zusammengepfercht auf einem Hügel, in einem Slum namens Railway. Dort arrangiert man sich so gut es geht, aber die Herrenrasse schaut regelmäßig vorbei um die Abgaben zu kassieren. Fünf heranwachsende Freunde setzten sich zu Wehr, was Tau zum Doppelmörder zweier Gegner macht. Er flieht aus Marseille, seine Kameraden bleiben zurück und müssen die Konsequenzen tragen.

Er selbst kehrt erst nach 15 Jahren mehr oder weniger ziellos zurück und findet eine Stadt vor, die sich angeblich unter der Führung seines einstigen Mitstreiters „Pocket“ als Bürgermeister von „New“ Marseille aufstrebend entwickelt, tatsächlich aber nur durch politische Augenwischerei. Es hat sich wenig geändert. Die weißen Teufel sind verschwunden, an ihre Stelle sind machthungrige Tyrannen aus den eigenen Reihen getreten. Während Pocket den Frieden und Fortschritt im Tal anpreist, verschweigt er zu gerne, dass er diesen einem Pakt mit dem Teufel zu verdanken hat. In Railway, auf dem Hügel, herrscht der Gangster „Ghost“ und es ist nur eine Frage der Zeit, wann er sein eigenes Abkommen brechen und sein Königreich erweitern wird. Tau erscheint als wortkarger, dafür handfester Fremder namens Nobody für beide wie eine Bedrohung, obwohl er zunächst gar keine Ambitionen in die Rolle des Befreiers setzt. Jene, die ihn damals ins Exil trieb und alle seiner vier Mitstreiter zu dem machte, was sie nun sind.

Michael Matthews zelebriert den Western, besonders die europäische Variante, vor einheimischer, südafrikanischer Kulisse mit dementsprechend exotischen Beigeschmack. Das Inhaltliche weicht dabei niemals von bekannten Motiven ab und so wirkt Five Fingers for Marseilles trotz seines individuellen und interessanten Settings nie wirklich eigenständig oder sonderlich kreativ. Wirklich alles kennt man bereits aus anderen Filmen, die fleißig und teilweise auch sehr stimmig zitiert werden. Allein Beginn wie Showdown sind eindeutig dem legendären Finale aus Zwei glorreiche Halunken entnommen. Dazwischen regnet es reichlich Referenzen zu Für eine Handvoll Dollar, Django, Die glorreichen Sieben oder Ein Fremder ohne Namen (obwohl, Mein Name ist Nobody…). Da wartete man schon erfolglos auf diese richtig selbst entwickelten Momente, wobei es diese mit einem mageren Budget von 1.000.000 $ inszenierte und dafür erstaunlich gut aussehende Hommage-Schleuder hervorragend versteht, das Bekannte sehr effektiv sich selbst zunutze zu machen.

Fazit

Kompromisslos und ziemlich radikal wird eine schlichte, aber impulsive Geschichte über spät angenommene Verantwortung und pures Auge-um-Auge vorgetragen, die nicht allen Figuren genug Platz einräumt und am Ende auch ein Stückweit unverständlich bzw. lückenhaft erzählt erscheint. Stilistisch aber hervorragend umgesetzt und mit einem sehr interessanten Ansatz versehen, der diesen Film auf alle Fälle sehenswert gestaltet. Mit der Hoffnung, dass es ein deutscher Verleih genau so sieht. Es wäre schon ein Verlust.

Kritik: Jacko Kunze

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