In Zeiten, in denen das lineare Fernsehen zunehmend unter dem Boom der Streamingdienste zu leiden hat, scheint so etwas wie das Radio die letzte Bastion des öffentlich-rechtlichen Rundfunks zu sein. Ob nun rein durch die Mitteilung der aktuellen Verkehrslage oder aber durch inzwischen eigenproduzierte Podcasts, die mittlerweile ebenso sehr im Trend liegen wie Youtube, Netflix und Co.: Radio bietet dem alteingessenen Journalismus neben den dahinsiechenden Printmedien und dem Fernsehen immer noch die beste Plattform, insbesondere für investigative Beiträge. Doch was, wenn diese vierte Macht im Staat mit einem Mal auch nicht mehr sicher wäre? Wenn die Vertrauensperson vor dem Mikrofon plötzlich in Gefahr geriete und, was am schlimmsten wäre, die Gunst der treuen Hörerschaft eventuell gar nicht verdient haben könnte, weil ihre Weste selbst nicht weiß ist?
Diese Fragen sind es, die der Spanier Pedro C. Alonso mit seinem Thriller Feedback aufwirft. Rückendeckung bekam der ehemalige Produktionsdesigner, der hier sein Regiedebüt gibt, vom ungleich bekannteren Landsmann Jaume Collet-Serra. Und wüsste man es nicht besser, so könnte man glatt meinen, dass der Regisseur von Filmen wie Non-Stop oder zuletzt The Commuter hier nicht nur als Produzent deutlich seine Finger im Spiel hatte. Ob nun der begrenzte, scheinbar sichere Handlungsort (statt Flugzeug oder Zug ein Aufnahmestudio), eine Person als Dreh-und Angelpunkt eines Geiselszenarios, das obendrein mit Bezug zum Zeitgeist aufwarten kann und das Ganze verpackt als kurzweiliger Thriller. Der kleine, aber feine Unterschied ist, dass man hier statt Liam Neeson im Bersekermodus dann doch mit einem doch deutlich weniger zukräftigen Namen vorlieb nehmen muss. Eddie Marsan verirrte sich zwar schon dann und wann in größere Blockbusterproduktionen - zuletzt in Fast & Furious: Hobbs & Shaw oder Deadpool 2 - ebenso wie in kleinere Indieperlen (Happy-Go-Lucky, The Professor and the Madman). Dennoch ist der Brite einer dieser ewigen (Neben-)Darsteller, die zwar immer überzeugen, aber selten in Hauptrollen zu sehen sind.
Da braucht es schon kleinere, abseitige Produktionen wie Feedback, die solchen Charaktermimen aus der zweiten Reihe endlich einmal die Möglichkeit einräumen zu zeigen, was sie schauspielerisch auf dem Kasten haben. Aber auch wenn Marsan klar im Mittelpunkt steht und alle anderen Figuren um seinen Jervis Dolan kreisen, welcher sich mehr und mehr als rücksichtsloser Karrierist entpuppt, ist der Film keineswegs seine One-Man Show. An seiner Seite erweist sich vor allem Paul Anderson, ebenso ein oft Übersehener, als waschechter Szenendieb. Wenn dem anfangs noch als Schmierfink und Unsympath aus dem Lehrbuch geschriebenen Partner von Jervis Momente zugestanden werden, in denen die selbstverliebte Zynik nach und nach tief empfundener Reue über verjährte Missetaten weicht, ist das schlicht ganz großes kleines Kino, insbesondere für die Ohren. Alonso weiß den schalldichten Handlungsort auch akustisch für sich zu nutzen, auch wenn ihm dabei im Verlauf der ein oder andere, verzeihbare inszenatorische Schnitzer unterläuft.
Feedback ist aber mitnichten bloß ein Fest für die Ohren. Dafür spielt der Film viel zu gekonnt mit Licht und Farben und rüttelt das Geschehen immer wieder mit deftigen Gewaltausbrüchen ordentlich durch. Die kommen mitunter so unvermittelt daher, dass man sich bisweilen fragt, ob sie die Figuren auf der Leinwand oder den Zuschauer mehr mitnehmen, der sich ebenso wenig sicher fühlen kann. Obwohl der Film mit Verweisen auf Internet-Trolle, den EU-Ausstieg Großbritanniens ("Brexit"), #MeToo und Donald Trump kaum näher am Puls der Zeit liegen könnte, versteht Alonso ihn eher als klassisches Szenario und im besten Sinne altmodisches Kammerspiel, das auch so gut und gerne auch auf einer Theaterbühne seine Berechtigung haben könnte. Ebenso könnte man den Streifen, mit seiner beinahe durchweg englischen Besetzung und der eindeutigen Verortung im modernen Medienzeitalter, als Episode der Anthologie-Dystopie Black Mirror verbuchen. Das ist allerdings insofern bezeichnend, als dass jene Serie, welche mittlerweile aus dem britischen Fernsehen zu Netflix gewandert ist, zuletzt ähnlich etwas unter ihren Möglichkeiten blieb wie Feedback.
Zwar gelingt es zwischen den Zeilen durchaus, dem wachsenden Unmut und schwindenden Vertrauen in die Massenmedien Ausdruck zu verleihen, und es ist durchaus bemerkenswert, wie eine spanische Produktion es schafft, die momentane Stimmung in Vereinigten Königreich und in Europa zu transportieren. Doch schrecken Alonso und sein Co-Autor Alberto Marini (Steig.Nicht.Aus!) in letzter Konsequenz davor zurück, das Szenario wirklich handfest im politischen Hier und Jetzt zu verorten. So gerät die Motivation der Geiselnehmer trotz gewisser Andeutungen zur rein persönlichen Angelegenheit, die hier live vor zahlreichen Zuhörern ausgefochten wird.
Statt Marsans Jervis aus selbstloser Selbstgerechtigkeit heraus einen öffentlichen Pranger errichten zu wollen, verflüchtigt sich die anfängliche, universelle (Bürger-)Wut, die mitunter zwischen den Zeilen aus der Geschichte spricht. Dennoch spricht es wiederum für den Film, dass man der gesellschaftlichen Unruhe keine direkte Stimme, aber zumindest ein Gesicht verleiht. Das sorgt dafür, dass sogar den bewaffneten Geiselnehmern (u.a. Richard Brake, 3 From Hell) eine tragische Dimension und Menschlichkeit zugesprochen wird. Die muss dann allerdings auch als Projektionsfläche genügen, denn obwohl immer wieder mit Social Media Verläufen auf die Reaktionen der Publikums verwiesen wird, macht der Film relativ wenig aus diesem namensgebenden "Feedback", sodass man sich an Ende schon fragen muss, wieso der Streifen diesen Titel trägt.