"Wir werden Dinge sehen, die bis jetzt niemand vor uns gesehen hat"
Ein beliebtes Motiv innerhalb der Science-Fiction ist es, Orte zu bereisen, an denen noch nie ein Mensch zuvor gewesen ist. Zumeist ist das Ziel der Weltraum. Doch der 1966 erschienene Film Fantastic Voyage, der im Deutschen als Die phantastische Reise bekannt ist, beschreitet andere Pfade. Anstatt eines Raumschiffs wird hier von den ProtagonistInnen ein hochmodernes Unterseeboot bestiegen. Damit geht es, anders als bei 20.000 Meilen unter dem Meer, Around the World Under the Sea oder Unternehmen Feuergürtel, nicht in die Tiefen des Ozeans, sondern in das Innere des Menschen. Inszeniert wurde Fantastic Voyage von keinem geringeren als Richard Fleischer (Soylent Green), der bereits seit den 40er-Jahren Filme drehte und zu diesem Zeitpunkt vom Krimi bis zum Historienfilm schon zahlreiche Filmgenre bedient hatte. Außerdem war er es, der 1954 Captain Nemo nebst dessen Nautilus auf die Leinwand zauberte und die ZuschauerInnen im bereits erwähnten 20.000 Meilen unter dem Meer mit spektakulären Effekten sowie grandiosen Kulissen zu begeistern wusste.
Aus groß mach klein
In Fantastic Voyage hat es die Wissenschaft vollbracht, dass Objekte, aber auch Lebewesen mit einer neuartigen Technologie geschrumpft werden können. Dies sogar bis auf mikroskopische Größe. Allerdings hält der Effekt bisweilen lediglich 60 Minuten an. Danach wächst Verkleinertes wieder auf die ursprüngliche Größe an. Dabei herrscht, was die technische Entwicklung dieses Verfahrens angeht, (selbstverständlich) Konkurrenz zwischen den USA und den Sowjets. Ein Mann, Dr. Jan Benes, hat jedoch eine Lösung für dieses „Problem“ gefunden. Aber sein Wissen droht verloren zu gehen, als sich in Folge eines Attentats ein Blutgerinnsel in seinem Kopf bildet, das von außen nicht zu erreichen ist. Die einzige Chance ihn, bzw. genauer gesagt seine Erkenntnisse zu retten, ist eine waghalsige Mission, die so noch nie zuvor durchgeführt wurde. Ein von den "Combined Miniature Deterent Forces"(kurz CMDF) rasch zusammengestelltes Spezialteam soll mitsamt des supermodernen Unterseeboots Proteus verkleinert und via Injektion in den Blutkreislauf gebracht werden. Von dort aus soll die Proteus die Reise zum Gehirn antreten, um das Blutgerinnsel vor Ort mit einem Laser aufzulösen.
Nicht bloß Fiction sondern auch Science
Doch bis es soweit ist, bekommen wir nicht nur das fünfköpfige Team vorgestellt, sondern nehmen zudem an einer ausführlichen Einsatzbesprechung teil und wohnen der Besichtigung des Unterseeboots bei. Der Wortteil Science von Science-Fiction wird dabei durchaus großgeschrieben. Denn es fällt auf, wie sehr Fantastic Voyage darum bemüht ist, in seinen Erläuterungen möglichst wissenschaftlich zu klingen, um dadurch so glaubhaft und seriös wie möglich zu erscheinen. Das mag nun vielleicht einschläfernd klingen, ist tatsächlich aber durchaus unterhaltsam geraten. Allein schon deshalb, weil diese Bemühungen gerade aus heutiger Sicht äußerst charmant anmuten. Als es schließlich so weit ist, dass die Proteus samt Crew geschrumpft wird, ist es im Labor zumeist mucksmäuschenstill. Es gibt keine musikalische Untermalung, die von den Vorgängen ablenkt. Außer Stille, die lediglich von vereinzelten Geräuschen mechanischer Vorgänge sowie durch knappe Kommentare aus der Steuerzentrale heraus durchbrochen wird, ist nichts zu hören. Wodurch sich die Anspannung in den Gesichtern der U-Boot-Besatzung noch intensiver auf uns ZuschauerInnen überträgt. Eine wirklich stark inszenierte Sequenz.
Eine Welt der Wunder
Als die Proteus schließlich in das arterielle System des Patienten eintritt, ist dies der Auftakt für eine wahre Flut an gar fantastischen Bildern. Kam bereits der Gebäudekomplex der CMDF mit seinen vielen Rolltreppen, Korridor und dem geschäftigen Treiben einem eigenen, gleichermaßen wohldurchdachten wie hocheffizienten, künstlich erschaffenen Ökosystem gleich, so offenbart der menschliche Körper dahingehend noch einmal ganz andere Dimensionen. Unser Innerstes wird als (Micro)Kosmos inszeniert, der einer imposanten Unterwasserwelt gleicht. Der Weg bis hin zum Gehirn ist visuell höchst abwechslungsreich gestaltet und bietet uns ein regelrecht beeindruckendes Wechselbad aus Farben sowie sonderbaren Gebilden beziehungsweise Oberflächen. So passieren wir unter anderem Herzklappen, werfen mehr als nur einen Blick in die Lunge oder erleben den Gasaustausch von Blutkörperchen mit. Natürlich sieht das mittlerweile alles nicht mehr ganz taufrisch aus, aber bei welchem nahezu 60 Jahre alten Film ist das denn bitte nicht so. Zu seiner Zeit waren die Effekte jedenfalls top-notch. Dass der knapp fünf Millionen USD teure Fantastic Voyage bei den damaligen Academy Awards sowohl einen Oscar für die Spezialeffekte als auch für das Szenenbild erhielt, ist daher wenig verwunderlich.
Probleme über Probleme
Im Gegensatz zu uns ZuschauerInnen hat die Crew der Proteus allerdings kaum eine Möglichkeit, die beeindruckende Umgebung zu genießen. Nicht nur, dass die Zeit drängt (schließlich setzt nach 60 Minuten das Wachstum ein), es jagt zudem ein Problem das andere. Denn Fantastic Voyage lässt die Proteus von einer heiklen Situation in die nächste schlittern, wobei Fleischer weder der Crew noch uns sonderlich viel Zeit zum Verschnaufen gibt. Turbulenzen, technische Schwierigkeiten und womöglich gar Sabotage drohen nicht nur den Erfolg der Mission zu gefährden, sondern bedrohen obendrein noch das Leben der Besatzungsmitglieder. Zumal die wundersame Umgebung ungeachtet aller Imposanz für die Geschrumpften auch Gefahren birgt (ähnlich wie in den Werken The Incredible Shrinking Man oder Dr. Cyclops). Allerdings vermögen weder der ganze Trubel noch die grandiosen Kulissen darüber hinwegzutäuschen, dass es der Geschichte an Tiefgang mangelt und die Figurenzeichnung weitestgehend auf der Strecke bleibt. Eine Beziehung lässt sich zu den Charakteren daher nicht so recht aufbauen. Dies hat zur Folge, dass wir zwar staunen, emotional aber weniger mitgerissen werden als es einem lieb wäre.
Fragwürdige Ethik und verlorener Fokus
Dabei ist bereits das eigentliche Motiv der Mission ein fragwürdiges. Nicht die Rettung eines Menschenlebens ist der primäre Grund für das aufwendige Unterfangen, sondern das Bewahren von seinem Wissen mit dem Ziel davon profitieren zu können. Man ist also schlichtweg auf den eigenen Vorteil bedacht. Dem Menschen das Leben zu retten ist hierbei nur ein Mittel zum Zweck. Zum Ende hin scheint jedoch selbst das nicht mehr von Relevanz für die Geschichte zu sein, denn längst hat sich Fleischer in den Schauwerten seines eigenen Films verloren. Die Folge davon ist ein schier gigantisches Plothole, das alles Bisherige ad absurdum führt. Ein Fauxpas, der ebenso schade wie ärgerlich ist. Letztendlich ist Fantastic Voyage aufgrund der überwiegenden Stärken dennoch ein sehenswerter Science-Fiction-Film. Außerdem weiß allein schon die fantastische Idee zu begeistern, PatientInnen dadurch zu heilen, dass miniaturisierte Menschen aus dem Inneren des Körpers heraus eine Operation durchführen. Ob sich derartiges in der Zukunft wohl mit sogenannten miniature surgical robots nachahmen lässt? Zumindest für Bauchoperationen könnte es eines Tages womöglich Realität werden*. In dem Sinne: The future is near.
*Artikel auf Forbes.com vom Juli 2021