Pure Evil
Eric Téssiers Erstlingswerk „Evil Words“ (OT: „Sur le Seuil“) lief bereits 2003 höchst erfolgreich auf diversen Festivals, von Brüssel über Paris bis Melbourne, schaffte es aber erst jetzt – Mitte 2011 – in die deutschen Elektrofachgeschäfte und Videotheken. Der kleine kanadische Thriller mit Horrorelementen, der auf dem gleichnamigen Roman von Patrick Senécal basiert und neben „7 Days“ und „5150, Elm´s Street“ die dritte Verfilmung eines Buches, des erfolgreichen Horrorautors darstellt, war den heimischen Verleihern acht Jahre lang nicht einmal eine DVD-Auswertung wert. Diesen Fehler bereinigten die Verantwortlichen vom relativ neuen Label Störkanal und bewiesen damit einerseits Mut zum Risiko und andererseits ungewöhnlichen Weitblick.
Zugegeben, die Story von „Evil Words“ erscheint von Beginn an – vor allem für horrorversiertere Zuschauer – stark vorhersehbar und auch etwas trashig. Außerdem erinnert sie inhaltlich überdeutlich an jene Zeiten, in denen Carpenter und Craven noch regelmäßig fürs Kino gedreht haben. Dieser Umstand tritt aber, dank des überdurchschnittlich innovativ geratenen Grundgedankens, um einen erfolgreichen Schriftsteller und das Geheimnis seiner Inspiration beim Schreiben, relativ rasch in den Hintergrund. Außerdem trägt das gut getimte Drehbuch von Téssier und Senécal, besonders gegen Ende hin, durch einige gemeine Plottwists, sein Übriges dazu bei, die Geschichte aufzulockern, aufzuwerten und den Film in ein eigenständiges Licht zu rücken. Einen ganz besonderen Charme versprüht die Arbeit mit diversen Rückblenden, in Kombination mit der langsamen Zusammenführung aller (Handlungs-)Fäden, bis hin zum unvermeidlich brutalen Finish.
Die filmische Machart des kanadischen Streifens erinnert anfänglich mehr an eine (gut gelungene) Folge der TV-Serie „Tatort“, als an einen eigenständigen Kinofilm, wobei dieser Schein bei näherer Betrachtung trügt. Bereits nach wenigen Minuten gewöhnt sich das Blockbuster verwöhnte Auge an die etwas verwaschene (Billig-)Optik von „Evil Words“ und der geneigte Zuschauer konzentriert sich folglich mehr auf die untergründige Spannung und die tolle Atmosphäre, als auf offensichtliche Produktionsmängel und Budgetbenachteiligungen. Sowohl Musikwahl und Schnitt als auch Bildsprache und Inszenierung, erwecken ein konstantes Gefühl der Beklemmung und schaffen gemeinsam mit dem überaus blutigen Schlusspunkt, in einem klinisch weißen Krankenzimmer, einen unangenehm nachwirkenden Blick in die Abgründe der menschlichen Seele.
Darstellertechnisch fischt der Film in trüben Gewässern. Zwar können alle Beteiligten schon auf diverse Auftritte in, hauptsächlich französischsprachigen, Filmen zurückblicken, international wiederfuhr diesen Werken jedoch keine besondere Aufmerksamkeit – sieht man von Michel Côtés Auftritt in „C.R.A.Z.Y. – Verrücktes Leben“ einmal ab. Trotzdem, oder gerade deshalb, liefern alle Schauspieler eine durch die Bank eindringliche und passende Performance ab und werten den Film merklich auf. Damit nicht genug, stechen nicht einzelne Leistungen hervor, sondern beeindruckt die kollektive Leistung aller beteiligten Akteure.
Wirklich störend an „Evil Words“ ist eigentlich nur die unglaublich schlecht gemachte deutsche Synchronisation, die jeglicher Beschreibung spottet. Abgesehen davon, dass keine einzige Stimme zum betreffenden Charakter passen will, stimmen auch Timing und Tonlage der Synchronisation nur in den wenigsten Momenten. Eine Schande, dass sich Horrorfans im Independent-Bereich immer noch mit so einem Mist abfinden müssen, wenn sie nicht auf die (in diesem Fall französische) Originaltonspur zurückgreifen wollen.