Ein ikonisches Schnauzbärtchen dreht seine Runden. Ein geschichtsträchtiger Scheitel zieht durch die Straßen. Der Führer ist wieder da, im Hier und Jetzt, geradewegs in unserer Zeit – Und wir reden hier nicht von Parodisten, die einen sicheren Lacher einstreichen wollen, wenn sie sich durch ein x-beliebiges Szenario bewegen und dabei ihre mal mehr, mal weniger ausgefeilte Adolf-Hitler-Mimikry unter Beweis stellen. Der Bestseller „Er ist wieder da“ des in Nürnberg geborenen Schriftstellers Timur Vermesstellt jedoch ganz explizit zum Diskurs, wie es wohl wäre, würde der leibhaftige Adolf Hitler die Gegenwart von Deutschland heimsuchen: Würden die Menschen ihn ignorieren, eben weil sich die Uhren schlichtweg weitergedreht haben; weil sie aus der Geschichte gelernt haben und Hitler inzwischen nur noch zur Witzfigur taugt oder würden sie ihm Aufmerksamkeit spenden, würden sie sich ihm nach und nach anschließen, weil er eine Politik vertritt, die keine Fachkompetenz zur Entschlüsselung benötigt und jeder noch so beschränkten Seele eine Plattform schenkt?
Grundsätzlich könnte man also die Frage offerieren: Sind wir wirklich so fortschrittlich in unserem Denken, wie wir es immer wieder vorgeben, oder sind wir doch reichlich anfällig dafür, den selben Fehler wieder und wieder zu begehen? Eigentlich ein ziemlich gewichtiger Aspekt, der seine Entsprechung im tagesaktuellen Geschehen, irgendwo zwischen Rechtsruck und Flüchtlingskrise, findet. Gut, man muss zugeben, dass der Roman „Er ist wieder da“ noch keine sinnstiftende Bravourleistung war, dafür erschien Vermes' Duktus doch etwas zu forciert auf Klamauk und das schiere Abhitlern, aber die gallige Strahlkraft, die immer wieder durchschimmerte, bewog den Leser durchaus, das Buch zu beenden. Über die Adaption von David Wnendt („Feuchtgebiete“) ist man beinahe geneigt, das gleiche zu äußern, denn auch die filmische Umsetzung von „Er ist wieder da“ hat durchaus das Zeug, Kurzweil zu generieren, wenn sie Adolf Hitler durch die Massen der Fanmeile schickt und an Stammtischgesprächen teilhaben lässt. Allerdings wird aus diesen Begegnungen kein produktiver Mehrwert gezogen.
Zu Anfang ist es, wie gesagt, durchaus amüsant, Hitler dabei zu dokumentieren, wie er die Menschen auf der Straße mit seiner Person konfrontiert und automatisch eine Reaktion erzwingt: Da werden Selfies gemacht, Abscheu bricht Bahn, manche bleiben auch nur irritiert stehen und schütteln die abstrakte Begegnung im nächsten Moment schnell wieder ab. Ulkig, ja, „Er ist wieder da“ indes unterliegt dem Glauben, hierbei die ganz große Satire zu erschaffen. Tatsächlich wirkt es durchweg so, als würden die Beteiligten sich hier euphorisch auf die Schultern klopfen, wenn sich die Passanten im Dialog mit Hitler dazu hinreißen lassen, ihren Unmut gegenüber der politischen Lage Ausdruck zu verschaffen. Oder noch besser: Wenn sich ein ganzes Pulk an Personen um Hitler versammelt und dann gemeinschaftlich zum Hitlergruß anstimmt. Aber ist das wirklich Satire? Wenn ja: Wo soll hier die entlarvende Faktor stecken? Für „Er ist wieder da“ vermutlich schon in der bloße Geste, was die töricht-spekulative Ausstaffierung des abgekarteten Geschehens entschleiert.
In „Er ist wieder da“ steckt nicht mehr Sinngehalt als in den Kommentarspalten verschiedener Online-Portale, die sich ebenfalls mit aktuellen Themen auseinandersetzen – dementsprechend inexistent ist die Entlarvung der Menschen, die „Er ist wieder da“ im Schilde führt. Ohnehin macht sich hier der Eindruck breit, dass David Wnendt und Mizzi Meyer von massiven Hemmungen geplagt wurden, wirklich aufs Ganze zu gehen und stattdessen lieber mit zweierlei Maß gemessen haben. „Er ist wieder da“ bestimmt nicht das Verhältnis zwischen Adolf Hitler und den Menschen von heute, er lenkt seinen Blick immerzu vom Individuum zur amorphen Masse: Nicht das „Wir“ steht zur kritischen Disposition, es sind immer „die Anderen“, die der faschistischen Ideologie Nährboden schenken. Und dort bagatellisiert „Er ist wieder da“ sein ganzes Anliegen, weil er zwanghaft Schuldige sucht und sich in pädagogischen Eindeutigkeiten wähnt, damit auch der Zuschauer in der letzten Reihe merkt: Ja, die weltanschaulichen Grundzüge von Hitlers Diktatur verharren immer noch in unserer Gesellschaft, zum Glück aber hat das alles nichts mit mir zu tun. Welch Erkenntnis.