Der brave Anders ist innig verliebt in die wilde Gerd (Liv Ullmann), doch seine bourgeoisen Eltern halten die feierlustige junge Schulabbrecherin für schlechten Umgang. Kurzentschlossen überredet Anders Gerd zu einem gemeinsamen Ausbruch aus dem städtischen Alltag mit seinen zahlreichen Versuchungen. In einer Waldhütte erlebt das Pärchen inmitten der Natur ein kurze Zeit der Unbeschwertheit. Doch Anders pikierte Mutter schickt seinen Vater los, den Sohn und obendrein das von ihm entwendete Auto zurückzuholen. Zeitgleich macht sich Gerds alleinerziehende Mutter auf den Weg zu den Ausreißern. Die kriegen noch mehr Besuch, nämlich von einem kernigen Holzfäller, der Anders Eifersucht und Gerds Interesse weckt.
Kritik
Interessant ist der für die Berlinale Retrospektive restaurierte Liebesfilm einzig aufgrund seiner Juxtaposition von Regisseurin und Hauptdarstellerin. Das letzte Werk von Norwegens Regiepionierin Edith Carlmar (Death is a Caress) markiert den Karrierebeginn Liv Ullmanns (Schande). Deren facettenreiche Darstellung macht aus der klischeebeladenen Hauptfigur, die durch einen braven Burschen und frische Landluft auf den rechten Weg gelenkt wird, mehr als ein erotisches Schau- und sittliches Lehrobjekt. Ihre energetische Verkörperung der 17-jährigen Gerd verleiht der betulichen Handlung ein emotionales Zentrum. Es ist das einzig authentische Element an einem Werk, das sowohl inhaltlich als auch äußerlich geprägt ist durch falsche Vorspiegelungen.
Die beginnen bei der Vermarktung als freizügiger Nacktfilm, durch das Originalposter genauso wie durch die beiden alternativen deutschen Filmtitel und Plakate („Der neue starke Schweden Film“ - weil Schweden sexier klingt als Norwegen?). Passend dazu ist auch das Werk durchzogen von Heuchelei und Doppelmoral. Zeitmoralische Themen und soziale Konflikte, mit denen die Prämisse kokettiert, werden bestenfalls zaghaft angetippt, bevor sich alles in Wohlgefallen auflöst. Spannung und Dramatik werden wiederholt mutwillig ausgebremst, dass es wie ein Insider-Gag zwischen Drehbuchautoren-Duo und Regisseurin scheint. Für alle anderen indes gibt es bei den verkrampften Witzchen nichts zu lachen.
Gerd und Anders (Atle Merton, Line) sind mehr unbedarfte Kinder als liebestolle Aussteiger, was sogar die Eltern erkennen. Der Klassenkonflikt wird genauso beiseite gefegt wie die zwielichtigen Andeutungen über Gerds Stadtleben sowie ihre Mutter. Die Trivialität der Handlung frustriert umso mehr, da Ausgangssituation und Protagonisten reichlich Entwicklungspotenzial bieten: Gesellschaftskritik, Charakterdrama - wenigstens saftige Exploitation! Nein, die Macher hofieren ein Spießbürgertum, das Tanzen und Rauchen als Ausschweifung wertet, vaterlose Kinder als vorprogrammierte Problemfälle betrachtet und Mutterschaft als heilsame Läuterung für bedrohlich unabhängige junge Frauen auffasst. Was in dieser pseudoliberalen Filmwelt ein Happy End abgeben soll, stimmt da geradezu depressiv.
Fazit
In ihrer finalen Regiearbeit erteilt Edith Carlmar Emanzipation - ob sozialpolitisch, moralisch oder familiär - eine Abfuhr. Nacktheit und Skandalthemen sind lediglich Publikumsköder. Weiblicher Freiheitsdrang gilt als Charakterfehler, den Männerhand und konservative Familienwerte korrigieren müssen. Zur Mannwerdung gehören passend zum archaischen Frauenbild mörderische Brutalität und Potenz. Liv Ullmanns Striptease ist dagegen ein schwacher Trost.
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