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Während des Ersten Weltkrieges werden die französischen Fliegeroffiziere de Boeldieu und Maréchal über Deutschland abgeschossen und in Kriegsgefangenschaft genommen. De Adelige und der Arbeiter aus einfachen Verhältnissen müssen sich mit der Situation arrangieren und planen gemeinsam mit anderen Landsleuten wiederholt die Flucht.

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Quelle: themoviedb.org

Kritik

„Grenzen kann man nicht sehen. Sie sind eine Erfindung von Menschen. Die Natur kennt so etwas nicht.“

Es gab und gibt unbestritten Filme, die ihrer Zeit voraus waren bzw. sind und hoffentlich wird es auch immer so sein. Aber bestimmt gibt es nur wenige Filme, deren plausible und unmissverständliche Botschaft auch nach über 80 Jahren eigentlich immer noch darauf wartet, endgültig umgesetzt zu werden. Obwohl jeder halbwegs intelligente Mensch dieses nur bestreben sollte. Das auch aus diesem traurigen Grund leider wirklich zeitlose Meisterwerk Die große Illusion von Jean Renoir (Bestie Mensch) wurde die ganz seltene und zweifelhafte Ehre zu teil, die perverse Unlogik von Krieg wie kaum ein anderer Film seitdem als „hausgemachtes“ Problem der Überflüssigkeit und Lächerlichkeit preiszugeben, gleichzeitig aber in Deutschland (natürlich) verboten wie sogar seiner Heimat Frankreich extrem zensiert zu werden.

Warum? Nun, dieser Film, der den Ersten Weltkrieg thematisiert, erschien 1937, als das wesentlich größere „Reboot“ des Konfliktes kurz vor seiner Eskalation stand. Und da konnte und wollte man nichts von Völkerverständigung, Ambivalenz und Humanität abseits jeder Grenzen hören, da zählte schlicht das eigene Weltbild. Verrückt, da doch genau dieses Gefährliche, in diesem Ausmaß sogar Selbstzerstörerische hier so entwaffnend auf dem Silbertablett präsentiert wurde. Am Ende des Tages darf sich wohl niemand wundern, wenn die Menschheit sich irgendwann einfach selbst vernichtet. Renoir gelingt es einen Kriegsfilm ohne Schlacht- und Frontbilder zu erzählen, verzichtet sogar (fast) gänzlich auf das Darstellen direkter, körperlicher Gewalt. Diese ist präsent, findet aber bis auf diesen einzigen, kurzen Moment ausschließlich im Off statt. Für seine Geschichte sind sie auch nicht weiter von Relevanz, es genügt die Folgen kurz aufzuzeigen, denn im Mittelpunkt der Erzählung steht das Interagieren der Figuren und die Rahmenbedingungen, in denen sie ihre jeweiligen Positionen ausleben (müssen).

In einer für die Situation sonderbar entspannten und respektvollen Atmosphäre findet das erste Aufeinandertreffen der französischen Aufklärungspiloten Maréchal (Jean Gabin, Lautlos wie die Nacht) und de Boeldieu (Pierre Fresnay, Der Rabe) mit dem deutschen Kommandant von Rauffenstein (Erich von Stroheim, Queen Kelly) statt, just nachdem er sie gewaltsam vom Himmel geholt hat. Es wird höflich voreinander salutiert, sich die Hand gegeben und beim gemeinsamen Essen auch privat, bald freundschaftlich geplaudert, wie Krieg sieht das weniger aus. Mehr wie Sport. Team A hat Team B gerade besiegt, aber das große Turnier läuft noch. Macht ja nichts, die jeweilige Pflicht ist erfüllt, nun kann man kurz die Welt da draußen ausblenden. Ganz so entspannt bleibt es zwar nicht, aber selbst als die beiden ungleichen Franzosen – Maréchal kommt aus einfachen Verhältnissen, de Boeldieu gehört (wie von Rauffenstein übrigens, was später nicht unwichtig sein wird) zum Adel – in ein Kriegsgefangenenlager überführt werden schildert Renoir das Geschehen mehr wie eine leicht abstruse Zwangs-WG, in der zwar eine Partei den Ton und die Regeln angibt, die anderen sich dem fügen müssen, aber von dem üblichen (filmischen) Bild solcher Szenarien hebt sich das alles auf eine merkwürdig zwanglose Art ab.

„Auf der einen Seite Kinder, die Soldaten spielen. Und auf der anderen Seite Soldaten, die wie Kinder spielen.“

Das stellt de Boeldieu irgendwann mit spitzer Zunge und sichtlich selbst etwas irritiert fest, als er aus dem Fenster blickend jugendliche, deutsche Soldaten beim gnadenlosen Drill in Schlamm und Dreck beobachtet, während sie – die inhaftierten Feinde – im Warmen und gut gelaunt gerade an den eigenen Kostümen für das bald stattfindenden Travestie-Bühnenstück zur Auflockerung der Stimmung arbeiten. Ist das so „richtig“? Was ist in so einer Situation überhaupt angemessen oder selbstverständlich? Die Insassen dinieren teilweise wie Gott in Frankreich dank der aus der Heimat geschickten Care-Pakete, die von den Deutschen – die selbst nur mit dünner Brühe und Kohl vorlieb nehmen müssen – nicht konfisziert werden, da sie sonst selbst ihre dürftigen Vorräte ja mit den Gefangenen teilen müssten. Auf den ersten Blick könnte es durchaus schlimmer sein und dennoch verharmlost Renoir das Geschehen nicht, denn der Tod wie die generelle Unberechenbarkeit dieses fragilen Entgegenkommens ist immer allgegenwärtig. Und nur weil man versucht, sich die Lage so angenehm wie möglich zu gestalten und es der Feind – denn der ist überraschenderweise auch nur menschlich – es einem soweit zugesteht wie irgend möglich, bedeutet nicht zwangsläufig das hier nicht jeder weiß, was die Stunde eigentlich geschlagen hat.

Die große Illusion trägt seinen Titel nicht zufällig, denn letztlich ist alles hier nur die Illusion einer Illusion. Die Illusion von bis aufs Blut verfeindeten Nationen, die im meisten Fall und besonders in den häufigen Einzelschicksalen schlicht von Menschen verkörpert werden müssen, ohne dass diese konkret etwas gegen einander haben. Die ihren Rolle nach den vorgegebenen Regeln spielen, aber im entscheidenden Moment leider doch das tun müssen, was angeblich unausweichlich scheint. Obwohl es offensichtlich nicht zwingend ihrer Überzeugung entspricht. Die Illusion von Brüderlichkeit und Gleichstellung, obwohl selbst im Krieg noch ein Klassenmodell existiert, und sei es nur hinter vorgehaltener Hand. Die Illusion von Gut und Böse, von Richtig und Falsch, denn in letzter Konsequenz handelt jeder aus einem individuellen Blickwinkel und aus Motiven heraus, die nicht mal zwingend dem eigenen Ideal entsprechen. Und auch die Illusion der eigenen Unvoreingenommenheit, denn Kluften zwischen den Nationen, den gesellschaftlichen Schichten und auch dem kulturellen wie religiösen Hintergrund sind zweifelsohne vorhanden und – so ehrlich muss man sein – schlussendlich der Grund für diese gewaltige Katastrophe namens Krieg, die eigentlich keiner will aber unter der nun alle zu leiden haben.

Wie absurd und unnötig das alles ist, mit was für einfachen Gesten dies alles zu entlarven wäre, wenn es der Film nicht ohnehin schon auf höchst empathische und „erschreckend“ logische Art die ganze Zeit betreiben würde, das findet einen überdeutlichen Höhepunkt. In einer heimlichen Weihnachtsfeier mit einer deutschen Bäuerin, die durch „unsere größten Siege“ alle ihre Brüder verlor und zur alleinerziehenden Witwe wurde und zwei französischer „Feinde“…von denen einer sogar Jude ist. Deren einziges Ziel ist, über eine unsichtbare Grenze die Schweiz zu erreichen, denn dort gibt es keinen Krieg. Weil…oh je, ist das kompliziert.

-„…damit dieser verdammte Krieg endlich zu Ende geht. Hoffentlich ist es der letzte gewesen!“

-„Ach, mach dir keine Illusionen!“

Fazit

Eine zeitlose Parabel über den Sinn und besonders den Unsinn jedes Krieges. Ein flammender Appell an die Menschlichkeit und die Vernunft, ohne sich dabei in kitschige Phrasen oder unrealistischer Utopie zu verrennen, auch wenn es wirklich illusorisch erscheint, dass dieser Film jemals in seiner entwaffnenden Logik komplett in die Tat umgesetzt wird. Und sei es nur kurzfristig. Immer noch unglaublich wichtig und für seinen Entstehungszeitraum so wagemutig, reflektiert wie beinah mit prophylaktischer Weisheit versehen, die nur leider zu spät kam und ihn sogar damals grenzübergreifend als unbeliebten Plagegeist (zumindest teilwiese) im Giftschrank verschwinden ließ. Warum, das lässt sich tatsächlich nachvollziehen. Wer will sich in so einer Situation schon von einem Film aufzeigen lassen, wie furchtbar dumm diese Welt in ihrer Ausrichtung ist, die es angeblich gerade so aktuell zu bewahren gilt?

Kritik: Jacko Kunze

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