Eine Weihnachtsgeschichte oder im Original A Christmas Carol ist nicht nur die wohl bekannteste Erzählung von Charles Dickens (Oliver Twist), sondern wahrscheinlich ist der Literaturklassiker ebenso das bekannteste weihnachtliche literarische Werk. Unzählige Male wurde diese Geschichte verfilmt. Mal originalgetreu, mal nur lose interpretiert, zieht sie die Zuschauer noch immer in ihren Bann und stimmt auf das Weihnachtsfest ein. Eine der bekanntesten Verfilmungen dürfte indes Die Geister, die ich rief … aus dem Jahre 1988 sein, der heute zum Standardprogramm der Fernsehanstalten in der Weihnachtszeit gehört. Dabei ist der Film seinerzeit weder bei den Beteiligten noch bei den Kritikern gut angekommen und auch das Publikum war gespalten. Vor allem Bill Murray (Und täglich grüßt das Murmeltier) hatte seine Schwierigkeiten beim Dreh, denn Actionspezialist Richard Donner (Lethal Weapon - Zwei stahlharte Profis) setzte das Drehbuch nicht so um, wie es Murray und die Autoren Mitch Glazer (Große Erwartungen) und Michael O'Donoghue (Wall Street) über zwei Jahre hinweg entwickelt haben. Danach sollte der Film viel komödiantischer werden, doch nach Donners Vorstellung fehlte es noch an Action. Er zwang Murray sogar seine Texte immer lauter wiederzugeben, was diesem nicht nur missfiel, sondern im Widerspruch zu seinen Improvisationskünsten stand, die wiederum bei Donner für Unmut sorgten. Umso erstaunlicher ist es, dass dann doch ein Werk entstanden ist, das heute zurecht als Klassiker gilt.
Was aber sind die Gründe für diese nachträgliche Beliebtheit, die natürlich nicht allgemeingültig ist, denn mit Die Geister, die ich rief … verhält es sich ähnlich wie mit dem musikalischen Klassiker der Weihnachtszeit Last Christmas. Die einen lieben es, die anderen hassen es und doch gehört es zu Weihnachten und man kommt kaum daran vorbei. Vielleicht war der Film damals seiner Zeit auch einfach nur voraus. Statt sich starr an Dickens Vorlage zu halten, verlagert der Film die Handlung nicht nur in die 80er Jahre, sondern spielt mit seiner literarischen Vorlage und integriert sie in die Handlung. Während Ebenezer Scrooge ein kauziger, menschenverachtender Geizhals war, der seinen einzigen Mitarbeiter selbst an Weihnachten nur widerwillig frei gab und seinen Schuldnern gegenüber unnachgiebig war, ist Frank Cross (Murray) zwar ähnlich strukturiert, jedoch in einer anderen Ausgangslage. Frank ist ausführender Produzent eines Fernsehsenders, dem es zwar ebenfalls ums Geld geht und der sich genauso geizig zeigt, aber nur in Bezug auf seine Mitarbeiter. Für seinen Erfolg und seine Karriere ist er bereit auch Geld zu investieren, natürlich mit dem Ziel umso mehr Geld einzunehmen. Deshalb plant er zu Weihnachten eine Live-Version der Weihnachtsgeschichte aufzuführen und dank hoher Werbeeinnahmen die Kassen klingeln zu lassen. Frank Cross ist zwar ein einflussreicher und wohlhabender Mann, jedoch steht er nicht an der Spitze des Senders, weshalb der Fokus in der Verfilmung ebenso auf das Streben nach Macht, Karriere und Erfolg gelegt wird.
Ein Aspekt, der natürlich zur Modernisierung passt, genauso wie die Verlagerung der Handlung in die Medienwelt. Zugleich eine günstige Gelegenheit, um die eigentliche Botschaft der Geschichte noch zu erweitern und die Kommerzialisierung Weihnachtens anzuprangern und mit satirischen Mitteln ad absurdum zu führen. Was ist da besser geeignet als das amerikanische TV mit seinen unzähligen Werbeblöcken? Der ewige Zwiespalt zwischen Kunst und Kommerz würde sich in der heutigen Zeit so nicht mehr stellen, da man kaum auf die Idee kommen würde, ein Bühnenstück live im Fernsehen auszustrahlen, aber der Gedanke dahinter, dem Profit und der Sensationsgier alles unterzuordnen, ist auch der heutigen Medienlandschaft nicht fremd. Umso passender ist der reißerische Trailer im Film selbst, der die Aufführung nicht nur als das Ereignis des Jahres anpreist, sondern den Zuschauern regelrecht Angst einflößt. Als hätte man die Kritik am eigenen Film schon vorwegnehmen wollen, da man schließlich selbst eine zwar humorvolle, aber ebenso actionreiche und nicht minder düstere, nicht gerade familientaugliche Weihnachtsgeschichte erzählt.
Die Gestaltung und das Auftreten der Geister sind gruselig und trotz des morbiden Charmes überhaupt nicht besinnlich und weihnachtlich. Aber auch sie tragen zum Reiz des Films bei und das Make-up wurde deshalb völlig zurecht mit einer Oscarnominierung bedacht. Die vier Geister in ihrer Interaktion mit Bill Murray, dem Zyniker vom Dienst, sind schon das Highlight des Films. Besonders der Geist der Vergangenheit in der Gestalt eines Zigarre rauchenden Taxifahrers (David Johansen, Die Mafiosi-Braut) oder der Geist der Gegenwart als tollpatschige, gewalttätige Fee (Carol Kane, Die Braut des Prinzen) sorgen für viele witzige Momente. Viel Kritik muss der Film deshalb einstecken, weil der Wandel vom unsympathischen Karrieristen zum gutherzigen Samariter zu abrupt kommt. Doch wenn man ehrlich ist, liefert Dickens in seiner Vorlage nichts anderes und die Zeichen sind in beiden Geschichten immer da. Die Geister, die ich rief ... bleibt im Kern der Originalgeschichte treu, traut sich aber dennoch immer wieder einen eignen Weg zu gehen und kreiert ein Werk voller Humor, Satire, Slapstick, Action, Grusel und Romantik, das im Ergebnis noch immer die gleiche Botschaft von Menschlichkeit, Güte, Liebe und Freude vermittelt und deshalb zu Recht Kultstatus erlangt hat.