„Die Erfahrung eines Menschenleben kann in einer Pistole stecken.“
Das verschlafene Städtchen Clifton, irgendwo in Arizona gelegen, wirkt in den ersten Minuten von Der Tod ritt dienstags fast schon wie eine in die Historie gemeißelte Utopie: Seit Ewigkeiten wurde hier kein Schuss mehr abgegeben, und wenn, dann nur, um das Rohr zu reinigen. Der Sheriff selbst weiß nicht einmal mehr, wo er seine Pistole abgelegt hat, er trägt das Holster einfach leer spazieren und verlässt sich auf die Recht und Ordnung repräsentierende Kraft des Sterns an seiner Brust. Gibt es tatsächlich eine Form von Frieden in dieser Welt?; In diesem Amerika am Ende des 19. Jahrhunderts? Für Scott (Giuliano Gemma, Auch die Engel essen Bohnen) nicht. Er muss die Rolle des minderwertigen Dorftrottels erfüllen und darf sich für niedere Arbeiten den Rücken krumm und schief buckeln.
Für die Latrinen ist Scott also gut genug. Und wenn er tief genug in der Scheiße der Anderen gewühlt hat, machen diese ihm zum Dank jeden Tag aufs Neue deutlich, dass er der unwillkommene Sohn einer dreckigen Prostituierten ist. Irgendwann aber – und genau das ist der Moment, ab dem der spätere Mein Name ist Nobody-Regisseur Tonino Valerii die inszenatorischen Zügel unaufhörlich straff hält – erreicht ein markiger Fremder namens Frank Talby (Lee Van Cleef, Der Gehetzte der Sierra Madre) Clifton. Mit ihm ist indes auch der Tod unterwegs und es dauert nicht lange, bis die Stadt, die sich zuvor damit gebrüstet hat, die Todesfälle seit geraumer Zeit immer auf ein natürliches Ableben zurückführen zu können, wieder Zeuge davon wird, wie Kugeln Körper durchsieben.
Packend an Der Tod ritt dienstags ist vor allem die fehlgleitete Auffassung von Gerechtigkeit, Individual- und Rahmenmoral, die der Film gleichermaßen bedient und demontiert. Scott stellt sich an die Seite von Talby, er wird, nach einigem Hin und Her, sein Lehrling und geht in die Ausbildung zum flinken Todesschützen. Die Transformation von Scott, vom Tölpel zum Revolverhelden, wird im Film vorerst wie die Genugtuung für die jahrelange Schikane aufgenommen, die dem Jungen widerfahren ist – endlich nämlich ist er bereit, sich zur Wehr zu setzen. Talby, den Lee Van Cleef gewohnt charismatisch-stoisch verkörpert, aber ist nicht nur Ausbilder, sondern unverkennbar der von Diabolik angetriebe Motor, um Menschen zu tollwütigen Wölfen zu machen. Schon bald wird Scott, nachdem er Talbys Lektionen verinnerlicht hat, eine Autorität erlangen, die er ständig mit Gewalt untermauern muss.
Der Tod ritt dienstags, den Quentin Tarantino (Jackie Brown) in die Top 10 seiner liebsten Italo-Western aufnahm und dessen einprägsames Theme von Riz Ortolani wiederholten Einsatz im Kill Bill-Zweiteiler sowie Django Unchained fand, zerbricht die innere Zufriedenheit, die Scott durch seine neuen Talente verspürt, nach und nach, wenn Tonino Valerii akkurat und unmissverständlich aufzeigt, dass das Töten einen blutbesudelten Teufelskreis darstellt, aus dem irgendwann kein Entkommen mehr ist: Eine Lektion, die Talby Scott nicht beigebracht hat, weil er sich sicher sein konnte, dass er diese Erkenntnis alsbald am eigenen Leibe erfährt. Und so wird die Mentor-Schüler-Beziehung, die erst von Überlegenheit gesprochen hat, ein krankhaftes Personengeflecht, welches seine Brutalität in diesem handwerklich famosen und durchweg packenden Western schlussendlich gegen sich richtet.