"Woran erkennt man, dass ein Anwalt lügt? Seine Lippen bewegen sich."
Nachdem Rudy Baylor (Matt Damon, Good Will Hunting) über die Anwälte der Bürgerrechtsbewegung der 1950er Jahre gelesen hatte, fasste er für sich den Entschluss, ein Jurastudium anzutreten, um später ebenfalls als Strafverteidiger zu praktizieren. Dass sein Vater, ein gewalttätiger Säufer, der ihn und seine Mutter in aller Regelmäßigkeit misshandelte, Anwälte von ganzem Herzen verabscheute, spielte in Rudys Entscheidung - nach eigenen Aussagen – nicht mit ein, ließ in ihm aber durchaus eine gewisse Genugtuung aufkeimen. Vielleicht beschreibt das diesen Charakter und die Basis seiner Arbeitsmoral ziemlich treffen: Die Verknüpfung des Angenehmen mit dem Nützlichen. Umso bezeichnender erweist sich dann der Umstand, dass sich Rudy nach seinem ersten Erfolg vor Gericht dazu entschließt, der Juristerei vorerst den Rücken zu kehren. Zu viele Haie kreisen in diesem trüben Wasser.
Bis dahin allerdings vergeht eine Laufzeit von über 120 Minuten, in denen Rudy nicht nur sein Staatsexamen ablegt, sondern sich auch mit Deck Shifflet (Danny DeVito, Der Rosenkrieg) zusammentut, einem Anwalt ohne Zulassung, dessen Spezialgebiet die Leistungsverweigerung von Versicherungsgesellschaften ist. In Der Regenmacher, basierend auf einem Roman von John Grisham (Der Klient) und adaptiert von Francis Ford Coppola (Apocalypse Now), stößt der Zuschauer zusammen mit den Protagonisten auf einen besonders bösartigen Fall: Die Krankenversicherung Great Benefit Life Insurance verwehrte dem an Leukämie erkrankten Donny Ray (Johnny Whitworth, Ohne Limit) die Zahlung der Behandlungskosten für eine Knochenmarkstransplantation. Im Klartext bedeutet das: Donnys Familie hat eine Police bezahlt, deren Leistungen schlichtweg nicht erbracht wurde, was in den Vereinigten Staaten ein allzu bekanntes Geschäftsmodell diverser Versicherungen ist.
So ziehen Rudy und Deck nicht nur in den Kampf gegen die erfahrene und gleichermaßen durchtriebene Anwaltsarmada von Great Benefit Life Insurance, angeführt vom schmierigen Leo Drummond (Jon Voight, Beim Sterben ist jeder der Erste). In einer Ambulanz, in die er sich im Auftrag des zwielichtigen Bruiser Stone (Mickey Rourke, Angel Heart) begeben hat, um mögliche Streitfälle von Körperverletzung zu akquirieren, lernt Rudy Kelly (Claire Danes, Romeo & Julia) kennen, die von ihrem Ehemann immer wieder aufs Übelste verprügelt wird. Die beiden verlieben sich nach und nach ineinander, für Rudy spielt bei der Unterstützung von Kelly natürlich auch noch der Faktor eine Rolle, sich endlich für die Schandtaten seines Vaters rächen zu können – im besten und saubersten Fall mit den Mitteln des Rechtsstaates.
Nun, da wir uns in einer Verfilmung eines John-Grisham-Romans befinden, sind Klischees und überspitzte Konflikte samt Eskalation natürlich nicht gänzlich unvermeidbar. Der Regenmacher allerdings wirkt nur selten reißerisch, weil sich Francis Ford Coppola Zeit und Raum nimmt, um sich auf die Charaktere, ihre Sehnsüchte und ihre Motivationen einzulassen. Die gediegene, von fachlichen Details und dem aufmerksamen Blick eines Meisterregisseurs beseelte Spannungsdramaturgie umfasst den obligatorischen Kampf von David gegen Goliath und definiert sich mehr und mehr als entrüstete Abrechnung mit profitgierigen Firmenpolitiken, die Menschen geflissentlich welken und sterben lassen, nur um die eigene Finanzkraft weiter auszubauen. Mit den hochtrabenden Konzepten und ethischen Theorien des Jurastudiums hat der oftmals zermürbende Beruf des Anwalts letztlich kaum noch etwas gemeinsam. Stattdessen kämpft man, ständig. Und im Idealfall kämpft man nicht für sich allein.