Man kommt nicht umhin zu postulieren, dass „Der ewige Gärtner“ ein unglaublich besonderer Film geworden ist. Regisseur Fernando Meirellesist ein Mann für geopolitische Gabelungen und auf soziologische Brennpunkte bedachte Milieu-Studien: Mit seinem kultisch umschwärmten „City of God“ zog er uns in die liederlich Favelas von Rio de Janeiro und schilderte ein Leben, in dem es keinen Stillstand geben kann: Wer an Rast denkt, der wird gefressen. In „360“ von 2011 ging es für den Zuschauer dann einmal rund um den Globus, erneut standen menschliche Schicksale im episodischen Klammergriff, Begegnungen, Berührungen, Beziehungen, einen temporären Hang zum Trivialisieren aber konnte sich „360“ nicht verwehren. „Der ewige Gärtner“ ist da aus einem ganz anderen Holz und womöglich Meirelles' bis dato reifstes Werk. Erneut finden wir uns in einer geopolitisch verzahnten Konstruktion wieder, in Wahrheit aber ist „Der ewige Gärtner“ eine nach reziproken Parametern aufgebaute Liebesgeschichte: Erst im Angesicht des Todes findet die hier zentralisierte Ehe ihren emotionalen Kitt.
Justin Quayle (Ralph Fiennes, „James Bond – 007: Skyfall“) ist britischer Diplomat und sondert eine seltsam ungreifbare Aura der schieren Passivität ab. Sieht man diesem Justin Quayle dabei zu, wie er sein Tageswerk verrichtet, wie er sein Leben lebt, erscheint er so, dass er vielmehr damit beschäftigt, sein Dasein von außen zu betrachten und mit schalem Blick zu observiert, anstatt mit jeder Pore daran teilzunehmen und am eigenen Leibe zu erfahren, was es bedeuten kann, lebendig zu sein. Als die ungestüme Tessa (Rachel Weisz, „Das Bourne Vermächtnis“) in einen seiner Vorträge in London mit ihren politischen Ansichten lospoltert, scheinen zwei Gegenpole aufeinanderzustoßen und sich nach und nach anzusaugen. Dass Tessa ihre Gesinnung als investigative Friedensaktivistin bis in die Haarspitzen austrägt, wird Justin erst deutlich, nachdem er sie mit nach Nairobi genommen hat und ihren Körper schließlich auf eine Bahre liegen sieht – Tot. Angeblich ein Verbrechen aus Leidenschaft. Tatsächlich aber ist auch Justin von nun an todgeweiht.
Unbemerkt schlittert er langsam im das konspiratives Dreieck um die British High Commission, die kenianische Regierung und einem internationalen Pharmakonzern, der die hilflos-unterversorgten Bewohner Kibera, eines der größten Slums Afrikas, in der die HIV-Rate noch höher ist, als in der Hauptstadt selbst, für seine infamen Machenschaften instrumentalisiert. Wer nun gelangweilt das Handtuch werfen möchte, in der Erwartung, „Der ewige Gärtner“ wäre wieder eine dieser obligatorischen Polit-Sülzen, die das von Müllbergen zugeschüttete Elend zelebriert, der täuscht sich. Das ernüchternde Elend Kiberas, welches für Meirelles den erschreckendsten Anblick seines Lebens bereithielt, dient dem Film vor allem als Repräsentation ethnischer Identitäten, von der induktiven Grundierung der westlichen Kolonialpolitik nimmt Jeffrey Caine, der den gleichnamigen Roman von John le Carré adaptierte, geflissentlich Abstand, was letztlich auch zu dem Punkt führt, dass „Der ewige Gärtner“ mehr über den Westen als über die verehrende Situation Afrikas vermittelt. Die Stärken des Filmes aber liegen ohnehin woanders.
Die politisch kontroversen Vorgänge dienen als erschütternder Rahmen, „Der ewige Gärtner“ justiert seinen Fokus auf dem gefassten Staatsdiener Justin Quayle, der nach Antworten auf den Tod seiner Frau giert und durch seine Odyssee ein Ventil findet, seine regressive Trauer zu entfesseln. Die Präsenz des Todes ist in „Der ewige Gärtner“ ubiquitär, überall lauert er, wartet darauf, seine eisigen Finger auszustrecken, während Justin in körnig-ruhelosen Bildern näher zu seiner Frau findet, sich mit ihrem Wesen auseinandersetzt und ihre intrinsischen Antriebe versteht, als es ihm in Lebzeiten jemals möglich gewesen wäre. Das mag pathetisch klingen, ist in „Der ewige Gärtner“ aber mit einem selbstverständlichen Naturalismus verknüpft, der all die Regungen und Handlungen seitens Justin ehrlich, nachvollziehbar und gleichermaßen tieftraurig erscheinen lässt. „Der ewige Gärtner“ ist noch Kino, das Emotionen ohne Manipulationsmechanik weckt, das keinen Retrotencharakter pflegt und sich darüber hinaus sogar erlauben kann, die Liebe über Zeit und Raum zu stellen, ohne in Larmoyanz zu versinken.
Nicht zuletzt ist das der brillanten Darbietung seitens Ralph Fiennes zu verdanken, der so pointiert agiert, dass man ihn am liebsten mit Auszeichnungen überschüttet gesehen hätte.