Die Verfilmung der Kurzgeschichte „Der Gast“ von Albert Camus wurde in Venedig mehrfach ausgezeichnet und war der erste Film der beim diesjährigen Filmfest in München aufgeführt wurde. Dabei sollte man nicht vergessen, dass es sich bei dem Film um das Debüt des französischen Filmemachers David Oelhoffen handelt. Denn dieser Tatsache ist es geschuldet, dass man sich nach dem Ende des Filmes ein wenig die Augen reiben möchte, so unwahrscheinlich kommt es einem vor. Ein so ruhiger, zielstrebiger und weitsichtiger Film als Debüt? Das muss man wahrlich erst einmal schaffen. Wer sich ein wenig mit dem Schriftsteller der Vorlage auskennt, und sei es nur entfernt, dem wird bekannt sein, dass der Tod und der Zusammenhalt zwei Themen waren, die in Camus’ Werken oft verarbeitet wurden.
Und sie sind auch die zwei der drei zentralen Motive in diesem Film. Daru (Viggo Mortensen, „Der Herr der Ringe“) lebt mitten im Nirgendwo in Algerien im Jahre 1954. Es herrscht ein Bürgerkrieg zwischen Rebellen und der Bevölkerung, von dem Daru in seiner abgeschiedenen Schule jedoch zunächst wenig mitbekommt. Bis ihm ein Gefangener, Mohamed (Reda Kateb, "Lost River"), überliefert wird, der für den Mord an seinem Cousin nun in ein weiteres Dorf gebracht werden soll, wo de facto die Hinrichtung auf ihn wartet. Daru weigert sich, den Menschen zu überliefern. Er selbst „leidet“ noch an seiner Vergangenheit und möchte nicht zum Mittelsmann werden. Denn als Mittelsmann von seiner Schule zum Dorf wird er zum Mittelsmann zwischen Leben und Tod.
Der Lehrer hat Mitleid mit dem Gefangenen, der so ruhig und gefasst ist, obwohl er weiß, welches Schicksal ihn ereilen wird. Mitleid, denn auch Daru kann sich seines Lebens nicht wirklich sicher sein inmitten der weitläufigen und kargen Berglandschaft. Er ist ein Außenseiter, der stets beobachtet wird und dessen Fremdartigkeit nur so lange beschwiegen wird, bis man sie als Argument gegen ihn richten kann. Schließlich brechen Daru und Mohamed doch auf in Richtung des Dorfes. Ein Todesmarsch für den einen, eine Befreiungstat für den anderen, droht Daru doch Strafe, falls er sich weiter weigern würde. Die Reise wird für Daru eine Reise der Erhellung und eine Reise in sich selbst, in der er Bereiche von sich erforschen wird, die er nicht kennt und zu kennen glaubte.
Mit dem weiteren Verlauf des Films, über den nicht mehr erzählt werden soll, weil die Reise vor allem von Veränderungen geprägt ist und das Wissen um solche den „Spaß“ nehmen würde, entsteht eine interessante Dynamik zwischen den Männern, die sich wenig unterhalten und gleichzeitig kennenlernen. Oberflächlich herrscht eine bewusste gegenseitige Skepsis, unterbewusst jedoch lodert ein tiefes und irrationales Vertrauen in den Seelen der Gefährten. Und so lernt hauptsächlich Daru, der Mann der alles erlebt zu haben und glücklich zu sein scheint, von Mohamed, der den Tod nicht fürchtet, sondern ihm mit einer pragmatischen Sicht entgegentreten möchte. Diese Einstellung wird sicherlich durch das dritte Motiv des Films geprägt: Krieg.
Der Krieg ist in „Den Menschen So Fern“ eine allumgebende Kraft, die die Kehlen der Menschen zuschnürt. Die Figuren leben in einer Welt, die keinerlei persönliche Beziehungen zulässt und in die sozialen und moralischen Geflechte durch die kriegerischen Konflikte komplett zerstört werden. Freunde werden dann ratzfatz zu Geiseln. Zwar Geiseln, mit denen sich freundschaftlich unterhalten wird, aber dennoch Geiseln, die im Notfalls auch geopfert werden würden. Die Werte von gestern sind im Jetzt gar nichts mehr wert. Das Wissen ist überholt, die Gedanken verschwunden, die Hoffnung verwaschen. Sympathie und Moral werden der Freiheit, bzw. dem Sieg des Krieges untergeordnet. Eine Freiheit, in der man letztendlich alleine wäre, weil man auf dem Weg zur Freiheit keine Gefangenen nahm.