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US-Verfilmung des Grisham-Romans "Das Urteil" von Gary Fleder. Einem Amoklauf fallen mehrere Menschen zum Opfer. Eine Hinterbliebene verklagt daraufhin den Waffenhersteller. Ein kompliziertes Dickicht an Einflussgrößen breitet sich im Gerichtssaal aus.
Kritik
John Grisham-Verfilmungen sind inzwischen leicht außer Mode gekommen. Mitte der 90er Jahre erlebten die Adaptionen seiner Romane einen beachtlichen Boom. Die Firma, Die Akte, Der Klient oder Die Jury wurden äußert erfolgreiche, starbesetzte A-Movies, ehe Die Kammer, Der Regenmacher oder Gingerbread Man den kommerziellen Erfolg nicht wiederholen konnten. 2003 gab es mit Das Urteil – Jeder ist käuflich ein großangelegtes Comeback im Kino. Warum jetzt und dann auch noch ausgerechnet mit der Verfilmung eines bereits 1996 - also auf dem Höhepunkt des Grisham-Hypes - veröffentlichten Romans, der bis dato von Hollywood ignoriert wurde? Das Thema passte (leider) gerade perfekt zu einer bis heute immer wieder aufkeimenden Diskussion um des Amis liebstes, verfassungsrechtlich geschütztes Spielzeug: Die Handfeuerwaffe und den „verantwortungsbewussten“ Umgang damit für jedermann, da es die Gründerväter so wollten.
Nach mehreren schockierenden Amokläufen - speziell natürlich dem an der Columbine High School im Jahr 1999 - wurde nicht nur über die Motive der Einzeltäter Ursachenforschung betrieben, die Waffenindustrie selbst geriet kurzzeitig ins eigene Kreuzfeuer. Wozu werden automatische, eigentlich nur bei Kriegseinsätzen benötigte Waffen für den „Hausgebrauch“ hergestellt, wer ist die Kundschaft dieser geldscheffelnden Industrie und unternehmen die Verantwortlichen wirklich genug, um einen Missbrauch ihrer Produkte aktiv zu verhindern? Oder wenigstens aus ihm nicht sogar unter vorgehaltener Hand erst recht zu profitieren? Auch in der Realität wurden Klagen gegen die private US-Waffenindustrie medienwirksam aufgezogen. Ein eventuell alles verändernder, erdrutschartiger Präzedenzfall wurde dabei nicht geschaffen. Aber was wäre, wenn dieser zum Greifen nah wäre?
Nicht weil die besseren Argumente oder glasklare Fakten, wenn wir dem tatsächlichen Juristin John Grisham glauben dürfen, vor Gericht (zumindest in Fällen dieser Größenordnung) die ausschlaggebende Rolle spielen. Sondern weil ein anonymer Puppenspieler plötzlich zum Zünglein an der Waage wird und die rivalisierenden Parteien zur Auktion bittet: Der Höchstbietende gewinnt den Fall, weil Mr. X die Jury in der Tasche hat, sie in jede beliebige Richtung schubsen kann, ohne das die einzelnen Mitglieder sich der Manipulation bewusst sind. Und es geht hier nicht um Peanuts, nicht nur um diesen Fall. Ein Sieg der Anklage würde alles in seine Grundfesten erschüttern, womöglich sogar die Verfassung hinterfragen. Dementsprechend ist der Preis verdammt hoch und sind die angewandten Praktiken besonders schmutzig, aber das waren sie auch vor dem inoffiziellen Viehhandel schon. Selbstredend wird die Suche nach Recht und Gerechtigkeit besonders von der finanzstarken Seite mit allen Mitteln der Kunst gelenkt und gedehnt und das größte Ass im Ärmel hört auf den Namen Rankin Fitch (Gene Hackman, Erbarmungslos).
Hackman glänzt einmal mehr als Fachmann für justizielle Schlammschlachten, Stasi-Methoden, Einschüchterungen jeglicher Art und jeden noch so hinterhältigen Trick, der bei maximaler Skrupellosigkeit unweigerlich zum Erfolg führt. Ihm gegenüber steht ja auch „nur“ ein hochanständiger, moralisch integerer Anwalt mit einem leicht schluffigen Netter-Onkel-Look (Dustin Hoffman, Tootsie), der keine illegale Sabotage-Armee hinter sich hat und selbst wenn, diese strikt ablehnen würde. Ein totes Rennen, bis sich plötzlich der selbsternannte Geschworenen-Dompteur (John Cusack, Maps to the Stars) aus deren Reihen erhebt und sein Talent zum Kauf anbietet. So juristisch geschult John Grisham definitiv ist und das durch viele Details, gerade auch aus dem „unter uns“ Nähkästchen glaubhaft transportieren kann, sein Gut/Böse-Schema und seine Charakterzeichnungen könnten kaum plakativer sein. Er sucht sich dafür natürlich immer dankbare, da nachvollziehbare, leicht zu sympathisierende oder zu hassende Figuren und Konstellationen heraus. Da erkennt man wieder den Anwalt. Kenne deine Zielgruppe und verkaufe ihr dein Produkt so, dass die dir folgen müssen.
Das Konzept geht bei Das Urteil – Jeder ist käuflich auch meistens gut auf, was neben der offensichtlichen Positionierung von Helden und Schurken (die ein heimliches Mitfiebern mit „den Falschen“ wegen der extremen Verwerflichkeit ihres gesamten Handelns nun wirklich ausgeschlossen macht) auch an der erstklassigen Besetzung liegt. Hackman, Hoffman, Cusack aber auch Rachel Weisz (Der ewige Gärtner) spielen hervorragend, dazu tummeln sich hier unzählige erprobte Nebenrollen-Gesichter, mal wieder die ganz große Grisham-Star-Kapelle wie zu ihren besten Zeiten. Der Plot wird trotz aller Klischees interessant aufgebaut, schnell vorangetrieben und wartet mit ein paar smarten Manövern auf, um sein Publikum nicht zu verlieren. Das ist gute Unterhaltung auf hoch-budgetiertem Niveau, die aber letztlich (natürlich) wie fast alle Grisham-Filme am Ende in seiner waghalsigen, unglaubwürdigen und moralisch entweder fragwürdigen (Die Jury), überzogenen oder gar letztlich am vielversprechenden Thema desinteressierten Auflösung (alles u.a. hier) zusammenfällt. Mal mehr, mal weniger drastisch. Hier noch gut gepuffert durch seine Vorzüge.
Fazit
Toll besetzter, unterhaltsamer Justiz-Poker mit vielversprechenden Ansätzen, die sowohl vom aktuellen, realen Zeitbezug wie der Logik im reinen Thriller-Gewand nicht vollends erfüllt werden, sogar enttäuschen. Aber trotzdem alles andere als ein schlechter Film und vor allem der letzte, wirklich große Auftritt des sensationellen Gene Hackman, der danach nur noch die Flop-Komödie „Willkommen in Mooseport“ drehte und sich anschließend aus Mangel an guten Angeboten sowie der angeschlagenen Gesundheit in den Ruhestand verabschiedete. Hier noch mal voll im Saft, was allein schon das Ansehen rechtfertigt.
Autor: Jacko Kunze