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Französisch-italienischer Filmklassiker aus dem Jahr 1973. Vier lebensüberdrüssige Freunde treffen sich, um sich gemeinsam zu Tode zu fressen. Der Film schockierte aber nicht nur aufgrund seiner Thematik, sondern auch aufgrund der (für die 70er Jahre) ungewöhnlich derben Sexszenen und der Darstellung von Exkrementen.
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Quelle: themoviedb.org

Kritik

Die Liste der europäischen Filmemachern, die den Titel des Skandalregisseurs tragen dürfen, ist nicht gerade kurz. Zudem wird Marco Ferreri auf keinen Fall auf ihr fehlen dürfen. Der schien es sich nämlich zum obersten aller Ziele gemacht zu haben, Konventionen zu sprengen, Erwartungen zu zerstören und den Rahmen des Erwünschten und Erträglichen mit einem Lächeln zu umgehen. So weisen seine Filme Thematiken oder Elemente auf, die mit Absicht den Zuschauer in die Irre führen, die einzig darauf aus sind, das Publikum zu erschrecken (hier werden die Zuschauer gar als „liebe kalte Freunde“ bezeichnet), anzuwidern oder aus dem Saal zu jagen. So kann es durchaus vorkommen, dass ein Film nichts mit seinem eigentlichen Titel am Hut hat (Dillinger ist tot! zum Beispiel) oder dass die vier Protagonisten in einem Film nichts anderes machen, als sich mit feinstem Essen vollzustopfen, bis sie daran jämmerlich krepieren. Das Buffet ist eröffnet.

Gleich zu Beginn, mit dem allerersten Bild des Films, macht der italienische Regisseur dabei deutlich, dass die Handlung des Films sich dort abspielt, wo die Gesellschaft in einer stehengebliebenen Zeit vegetiert. Ein Standfoto begrüßt den Zuschauer, welches alsbald zum bewegten Bild wechselt. Hiermit offenbart sich leider auch schon der Höhepunkt von Ferreris künstlerischem Schaffen in Das große Fressen. Besser wird es in den 135 folgenden Minuten gar nicht mehr, annähernd so aussagekräftig nur in der ersten halben Stunde. Die Charaktere, die in der Zeit stehen geblieben sind, sie sind das Hauptziel der Groteske. Vier Männer, allesamt wohlhabend, dargestellt von Größen des europäischen Kinos, deren Rollen die Namen der Mimen tragen, die in eine Art Ferienhaus fahren, um sich zu Tode zu fressen. Sei es der TV-Produzent, dem es nur um körperliche Schönheit geht, der sexbesessene Pilot, der Restaurantbesitzer oder der Richter - sie alle haben von Berufs wegen Macht über andere Menschen.

Diese Macht, die ihnen ihr Leben als Art Kollateralschaden mit auf den Weg gibt, scheint den Männern zu Kopf gestiegen zu sein. Und auch wenn Ferreri weitaus weniger als das absolute Minimum an Figurenzeichnung vollzieht (daran scheint er wirklich ausgesprochen desinteressiert zu sein), wird deutlich, wie nicht zuletzt aus eben jener Macht die Eitelkeiten erwachsen, die diese Männer um ihr Leben bringen wird. Der Mensch bewegt sich hier zurück, er besinnt sich auf seine Wurzeln und wird zum Tier - so mag es zunächst scheinen, doch sehen die vier Männer sich nicht als Tier, sondern bis zu ihrem Ende als Krone der Schöpfung an. Selbst dann, wenn sie furzend über den Jordan gehen oder in der Kälte verrecken. Selbst dann, wenn sie nur noch im Liegen essen können und wimmernd darum betteln, man möge ihnen doch bitte einen runterholen, damit sie auf eine schöne Art abtreten können. Ferreri zeigt Männer, die sich in einer anderen Welt befinden, mit anderen Vorstellungen von Stil, Moral und Würde.

Nach der kurzen Einführung der Hauptfiguren zelebrieren die vier Männer sich und ihr Vorhaben selbst. Sie tanzen mit abgehackten Tierköpfen durch den Garten, in einer seltsamen Mischung aus Ehr-Erweisung und Respektlosigkeit. Sie verweigern jeglicher Kultur und Kunst die Existenz, imitieren sie nur, um sie persiflieren zu können und konzentrieren sich ansonsten lediglich auf die zahlreichen Mahlzeiten. Das Essen, der Urinstinkt des Menschen, der ihm das Leben ermöglicht und hier zum Ende führen soll. Alsbald verlieren sich die Figuren im Exzess und der Film in sich selbst. Er verliert die reflexive Ader, verliert die bedeutungsschwangere Symbolik, sucht die Antworten lediglich in der Wiederholung, nicht aber in der Breite oder gar Tiefe seiner Thematik und greift dabei fortgehend ins Leere. Die aussagekräftigen Momente sind nur eine Sache von Sekunden, addiert vielleicht von zehn Minuten in einem Werk, das über zwei Stunden dauert. Ferreri greift die Bourgeoisie an, stellt sie zur Schau und lässt sie in ihren erbärmlichen Untergang schlittern. Er tut dies jedoch ohne viel Gedankengut. Stattdessen reizt er seine Thematik solange aus, bis ihre Aussage jegliche Kraft einbüßen muss.

Fazit

Marco Ferreris „Das große Fressen“ war anno dazumal ein großer Schock für das Publikum. Die Thematik, die offene Darstellung von Sex und Fäkalien, die schonungslose Reise in die Abgründe der menschlichen Widerwärtigkeiten sorgten für viele große Fragezeichen. Wirklich schockierend ist der Film heutzutage nicht mehr, dafür hat sich zu viel getan, dafür hat man zu viel gesehen. Und auch wenn der Film hier und da interessante Gedanken anstößt, auch wenn er die Eitelkeit der Figuren gekonnt ins Verderben bugsiert, ist er doch inhaltlich enttäuschend. Ferreri will mit dem Kopf durch die Wand, rennt immer wieder gegen sie und will den Zuschauer zwingen, es ihm gleich zu tun. Leider wird daraus nichts.

Kritik: Levin Günther

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