Kritik
Ist es ein Spoiler zu erzählen, der 2015 erschienene Thriller „Criminal Activities“ hat einen unzuverlässigen Erzähler? Wenn ja, betrachtet euch als gespoilert, denn die Geschichte um eine vierköpfige Truppe, die bei einem Gangsterboss (John Travolta) tief in der Kreide steht, setzt auf eben jenen erzählerischen Kniff, kurz vor Ende das scheinbar so solide errichtete Erzählkonstrukt wie der Wolf in der Fabel umzupusten und uns stattdessen die filmische Realität einem Faustschlag gleich um die Visage zu klatschen. Bekanntlich braucht es für den unzuverlässigen Erzähler ein hohes Maß an erzählerischer Finesse, nichts ist schlimmer als einen Twist im Vorfeld zu kennen. Diesen Fehler begeht „Criminal Activities“ von Jackie Earle Haley (Rorschach in „Watchmen“) nicht, doch bis es zum großen Twist in der Geschichte kommt, ist es ein langer Weg. Ein sehr langer Weg.
Die Geschichte ist schnell erzählt. Vier ehemalige College-Studenten treffen sich auf der Beerdigung eines gemeinsamen Freundes nach Jahren wieder, im Gespräch erzählt einer von ihnen vom todsicheren Geschäft mit Startup-Aktien, es winkt die dicke Rendite. Da drei der vier jungen Männer mehr oder minder mittellos sind, wird der vermeintlich reiche, ehemalige Prügelknabe Noah (Dan Stevens, „Inside Wikileaks“) angehauen, das Geld zu besorgen und den Deal klarzumachen. Long story short, die Sache geht schief und die vier sitzen in der Patsche. Sie schulden dem grüne Gesundheitsdrinks Trinker Eddie (Travolta) 400.000 Dollar, der sie für einen Job anheuert, um die Schuld abzubezahlen. Der Job ist eine Entführung, das Verhängnis nimmt seinen Lauf.
So runtergerattert der Plot oben erscheint, so viel Mühe gab man sich mit den Charakteren, die eigentlich eine Projektionsfläche für Sym- beziehungsweise Antipathien sein sollten. Der natürliche anfangs negative Verlauf (es wird immer erst schlecht, bevor es besser werden kann) bietet für gewöhnlich genug Möglichkeiten, mit den Charakteren mit zu fiebern und in lebensbedrohlichen Momenten einen Fingernagel nach dem anderen bis auf das Nagelbett zu stutzen. Doch in „Criminal Activities“ stellt sich maximal müdes Gähnen ein, denn die Schauspieler (Michael Pitt, Christopher Abbott, Rob Brown und auch John Travolta) wirken alle mehr oder minder gelangweilt. Eingeschobene Charaktermerkmale wie die Drogenabhängigkeit eines der Männer wirkt zu aufgesetzt und klischeehaft, um wirklich zu funktionieren. Die Dialoge ergeben ihr übrigens und dienen maximal dem Informationsaustausch und Voranbringen der Handlung. So kommt man in den seltenen Genuss, das Entführungsopfer, den im Laufe der Handlung geknebelt und gefesselten Drogendealer Marques (Edi Gathedi) deutlich interessanter zu finden als die kopflosen Lausbuben, die einen Großteil des Films mit zitternd ängstlicher Mimik und Gestik durch die Welt stolpern.
Mit zunehmender Laufzeit und einigen missglückten Versuchen, so etwas wie schwarzen Humor in den Film zu pressen, wird die Haupthandlung dann doch noch interessant. Die anfängliche Entführung erweist sich durch das Einschalten weiterer Parteien nämlich nicht als so einfach wie gedacht. Dass die vier Lümmel von der letzten Bank im Prinzip nur Marionetten einer größeren Macht sind, stellt sich recht schnell und ohne große Gedankenarbeit heraus, wer hinter den Machenschaften steckt, gar ein Doppel- oder Dreifachagent ist, bleibt aber lange Zeit im Dunkeln und bildet den späten Reiz des Films. Die letztendliche Auflösung wirkt zwar etwas zu konstruiert, sticht aber wie ein kleiner Leuchtturm aus einem Meer der Mittelmäßigkeit hervor. Ob das für eine gute Unterhaltung reicht muss jeder für sich selbst entscheiden, die Messlatte liegt durch Filme wie „Die üblichen Verdächtigen“ aber enorm hoch, sodass der Film erst besser gar nicht mit ihnen in einen Wettbewerb treten sollte. Aber wie heißt es doch noch gleich, dabei sein ist alles?