In der Skihütte hört dich niemand schreien
Eine Gruppe Mittzwanziger, eine ebenso einsame wie abgelegene Gegend, kein Handyempfang, ein Problem, das zur Schutz- bzw. Hilfesuche animiert, ein psychotischer Killer und ein halbes Dutzend Todesszenen. Diese allseits bekannte Standardrezeptur für nahezu jeden Slasher, seit „The Texas Chain Saw Massacre“ und Konsorten dieses Genre in den 70er Jahren in rentable Mainstream-Sphären gehoben haben, lässt sich auf den ersten Blick auch auf den norwegischen Horrorstreifen „Fritt Vilt“ aka „Cold Prey“ anwenden. Doch wirklich nur auf den ersten Blick. Denn der Film von Roar Uthaug, der schon am Fantasy Film Fest 2007 gute Kritiken einheimsen konnte, überzeugt mehr durch einen exzellenten Spannungsaufbau und tolle, menschliche Charaktere, als durch nackte Körper und sinnloses Blutvergießen. Ein Umstand, der im Horrorgenre generell nicht gerade selbstverständlich ist.
Ohne langwierige Erklärungen, lediglich mit einer kurzen erstes Opfer Einstellung und der Aneinanderreihung von diversen Zeitungsberichten über verschwundene Personen in besagter Gegend (hauptsächlich Skifahrer und Tourengeher), startet „Cold Prey“ direkt ins Geschehen. Das wiederum soll nicht bedeuten, dass sofort die Blutdusche aufgedreht wird, sondern darauf hinweisen, dass sich der Regisseur nicht mit überflüssigen Rechtfertigungen für den Trip oder langen Erklärungen über die Konstellation der Gruppe aufhält. Roar Uthaug konzentriert sich auf das Wesentliche - einen konsequenten Spannungsaufbau, eine nachvollziehbare Charakterentwicklung und den Entwurf einer kalten, düsteren Atmosphäre.
Mit Ausnahme des offenen Wadenbeinbruchs von Morten Tobias, zeigt Regisseur Uthaug in den ersten knapp 35 Minuten Laufzeit somit keine einzige brutale oder aufmerksamkeitsheischende Szene. Es werden lediglich die Charaktere eingeführt und das ebenso weitläufige wie unheimliche ehemalige Feriendomizil erkundet. Diese Herangehensweise, so banal sie auch wirken mag, hievt den Film indes auf ein ungewöhnlich hohes Horrorniveau. Erstens, weil man sich als Zuschauer mit den Opfern verbunden fühlt und ihnen folglich nicht sofort ein grausames, möglichst brutales Ende wünscht, sondern ganz im Gegenteil, einer gelungenen Flucht der Teenager entgegenfiebert. Zweitens, weil nicht verabsäumt wird, vor den (durchaus expliziten) Slasher-Szenen eine bedrückende Atmosphäre aufzubauen und damit den Samen für spätere Schockszenen und böse Überraschungen zu säen. Auch die Tatsache, dass, selbst in dieser kleinen Gruppe, die anfänglichen Morde nicht bemerkt werden, ist passend erklärt und in die Handlung integriert. Verstärkend hinzu kommen noch die genial eingefangene verschneite Bergwelt und die tollen Darstellerleistungen. Der kleine aber feine Endtwist setzt dem Ganzen schlussendlich die Krone auf.
Die Kameraarbeit von Daniel Voldheim soll an dieser Stelle besonders hervorgehoben werden. Gestochen scharfe Landschaftsaufnahmen gehen Hand in Hand mit perfekt eingefangenen In-Door-Shots, die wiederum von ideal ins Bild gerückten Blutfontänen abgelöst werden. Das Hotel, mit seinen endlosen Gängen, kleinen Geheimnissen und heimtückischen Fallen, ist des Weiteren atmosphärisch perfekt ausgestattet und dank einer zurückhaltenden Beleuchtung ins richtige Licht gerückt. Der Soundtrack wiederum trifft die jeweilige Filmstimmung ebenso exakt, wie der überdimensionierte Eispickel des Killers seine Opfer. Spätestens wenn schlussendlich - während der Endcredits - der Song All my friends are Dead von der norwegischen Heavy-Metal-Combo Turbonegro erklingt, bleibt kein Auge trocken und die DVD/Blu Ray kann glücklich und zufrieden aus dem Player entfernt werden.
Natürlich hakt auch „Cold Prey“ die meisten Slasherklischees zielsicher ab, die Leslie Vernon in der Horror-Mockumentary „Behind the Mask: The Rise of Leslie Vernon“ so treffend beschrieben hat - vom Survivor Girl bis zum ständig nur vor sich hin stapfenden Killer ist die gesamte Stereotypen-Palette vertreten. Diese kleine Schwäche kann man Uthaugs Genrebeitrag - dem man an keiner Stelle sein im Vergleich zu Hollywoodfilmen doch eher bescheidenes Budget (knapp 2 Millionen Dollar) ansieht - jedoch leicht verzeihen.