Zuallererst die Warnung: Cold Fish (im Original Tsumetai nettaigyo) ist alles andere als ein konventioneller Film, der sich auch nur annähernd leicht zuzuordnen lässt. Viel eher ist der blutige Alptraum aus der Feder von Shion Sono eine düstere Abwärtsspirale der Gewalt, die durch die optische wie akustische Raffinesse einen Film präsentiert, der gerade durch seine spezielle Art zu fesseln weiß. Überhaupt sollte der mutige Zuschauer bei dem Namen Shion Sono gewarnt sein, denn der japanische Regisseur der Sinne, konnte schon mit Werken wie Suicide Club, Exte oder dem herausragenden Love Exposure beweisen, dass es im Film keine Grenzen gibt, wodurch vor allem die Radikalität seiner Geschichten überzeugt. Auch in der Story rund um Shamoto testet so der Provokateur stets die Grenzlinien des Möglichen aus. Herausgekommen ist ein morbider schwarzhumoriger Horrorthriller, der eine tödliche Abwärtsspirale in Gang setzt, in der es auch für den Zuschauer kein entrinnen gibt.
Dies zeigt sich schon bei der Geschichte selbst. Diese basiert makaberer Weise auf einen wahren Fall, in dem ein japanischer Hundezüchter 58 Menschen ermordete und deren Körper gänzlich verschwinden ließ. Die Figur des Murata ist in dem Falle die fleischgewordene Form eines realen Massenmörders, der nun genüsslich seinem perversen Treiben auf der großen Leinwand frönt. Mittendrin ist hierbei der Zuschauer. Stets durch eine nahe Kamera dicht am Geschehen, wird bis zum kleinsten Detail schonungslos gezeigt, wie Murata seinem Ritual der Zerstücklung folgt. Erst wird der Körper in seine Einzelteile zerlegt, dann die Knochen verbrannt, die Fleischreste in den Fluss geworfen und schlussendlich die Asche im Wald verteilt. Dass zudem die gezeigte Horror-Show in einer mit christlichen Statuen besäten Hütte auf einem Hügel stattfindet, offenbart zudem gleichzeitig den finsteren zynischen Humor, mit dem Shion Sono sein Werk garniert.
Der Fokus liegt bei dem Geschehen jedoch nicht auf Murata oder seinem perversen Spielchen, sondern auf Shamoto. Dieser wird als Helfer von Murata, durch Erpressung sowie Einschüchterung, zu einem Teil des durchtriebenen Schauspiels. Gerade seine Wandlung vom naiven stets höfflichen wie zurückhaltenden liebevollen Familienvater, hin zu einem Mann, der tief in den Schlund der Hölle geblickt hat, macht viel vom Charme von Cold Fish aus. Shamoto ist die Identifikationsfigur, derjenige der dem Zuschauer davor bewahrt, jedwedes glauben an die Menschlichkeit zu verlieren. Doch frei nach dem Motto – Blickst du zulange in den Abgrund, blickt der Abgrund auch in dich hinein – kann er sich nicht lange in der neuen Welt behaupten. Allmählich verliert er die Kontrolle über die Realität, über das Geschehene, das Vergangene und schlussendlich auch über sich selbst. Wie würde man selbst in so einer Situation reagieren? Wäre Gewalt die Lösung, um aus der Spirale selbiger zu entkommen? Doch auch auf die gesellschaftliche Ebene lässt sich das Werk von Shion Sono beziehen. So bleibt die Frage im Raum, was letztendlich im Leben von Shamoto falsch gelaufen ist. Waren es die gesellschaftlichen Regeln oder Zwänge, denen er sich nicht weiter beugen konnte? Was folgt ist ein gewaltvoller Ausbruch regelrechter destruktiver Energie, mit der der Finale-Akt schließlich tiefer und tiefer in den Abgrund führt, bis nichts mehr menschliches in Cold Fish übrig bleibt. Oder wie Shamoto es ausdrückt: Life is Pain
Während besonders die Inszenierung durch ein hervorragendes Zusammenspiel von Bildern, Farben, Geräuschen sowie Musik überzeugen kann, lässt sich einzig bemängeln, dass es Regisseur Shion Sono erneut misslingt, sein Werk mit einer akzeptablen Länge auszustatten. Erst nach 22 Minuten erfährt der Zuschauer die Zugrichtung von Shamotos Geschichte. Zwar erreichen so die Charaktere eine unglaubliche Tiefe, doch letztendlich bleibt das Gefühl, dass etwas mehr Tempo oder etwas weniger Screentime nicht geschadet hätte. Die Charaktere indes, werden alle durch eine fantastische Schauspielleistung mit Leben erfüllt. So spielt der japanische Komiker Denden den wahnsinnigen Massenmörder Murata passend geisteskrank, stark redebedürftig sowie mit einem nicht aushaltbarem Dauergrinsen, wodurch der psychopathische Charakter von ihm mehr als deutlich wird. Doch auch Mitsuru Fukikoshi kann als zurückhaltender Shamoto eine fabelhafte Leistung abliefern. Zwar bleibt ab und an etwas Overacting nicht aus, doch besonders der Wandel seiner Figur wird gekonnt übertragen.