Hätte Brimstone eine physische Gestalt, dann würde der Film vermutlich als Bestie mit mehreren Köpfen in Erscheinung treten, die mit Schaum vor den Mündern wutentbrannt um sich schnappt. Martin Koolhovens (Winter in Wartime) Werk ist im wilden Westen angesiedelt und handelt von einer jungen Frau, die vor einem grausamen Priester auf der Flucht ist, der sie aus Gründen bestrafen will, die dem Zuschauer zunächst vorenthalten werden.
Die von Dakota Fanning (Hounddog) gespielte Liz ist dabei der Mittelpunkt einer Geschichte, die für ihre weibliche Hauptfigur kaum weniger als die Hölle auf Erden bereithält, während der Regisseur sein Publikum ebenso wie Liz einem nur schwer verdaulichen Martyrium aussetzt. Im Kern erzählt Koolhoven davon, wie Religion im Amerika des 19. Jahrhunderts Einzug hält, doch dem niederländischen Regisseur geht es vor allem darum, sich in die tiefsten Abgründe dieses Prozesses zu wühlen. Als der von Guy Pearce (The Rover) gespielte Priester anfangs zum ersten Mal die Szenerie betritt, könnte man meinen, auf den Teufel in Menschengestalt zu blicken. Der australische Schauspieler tritt hier tatsächlich als das pure Böse auf, denn sein Priester terrorisiert Liz mit dem Ziel, alles auszulöschen, was ihr etwas bedeutet.
Wie ernst es Koolhoven mit seiner erbarmungslosen Geschichte wirklich meint, verdeutlicht der Regisseur bereits im ersten Kapitel des Films unmissverständlich. Ein Kind wird tot geboren, ein ganzer Stall voll mit Schafen wird getötet, wobei den Tieren mitunter Embyros aus dem Mutterleib gerissen wurden und ein Mann wird mit einem Messer malträtiert, bevor er die aus seinem aufgeschlitzten Körper herausgezogenen Eingeweide wie eine Schlinge um den Hals gelegt bekommt. Es sind Bilder wie aus einem brutalen Horrorfilm, denen der Regisseur sein Publikum schon früh aussetzt. Die sind allerdings erst der Auftakt für eine Odyssee an schier unvergesslichen Gewalttaten, mit der sich Koolhoven in den darauffolgenden Kapiteln auf unchronologische Weise dem Verhältnis zwischen Liz und dem Priester annähert, bis er im Finale wieder zum Anfang zurückkehrt und seine Rachegeschichte zur Vollendung führt.
Indem Brimstone rückwärts bis in die Kindheit von Liz führt, offenbart der Regisseur Stück für Stück und vor allem Qual für Qual ein erschreckendes Schicksal, dessen Pfad von Inzest, Missbrauch, Folter, Prostitution, diversen Morden, herausgeschnittenen Zungen, ausgepeitschten oder erschossenen Kindern gesäumt wird. Die Frauen werden in Koolhovens Film dabei nicht zu übersehenden Schandtaten ausgesetzt, während die meisten Männer bis auf wenige Ausnahmen als bösartige, abscheuliche Unmenschen in Erscheinung treten. Durch die epische Laufzeit von knapp 2,5 Stunden wird zunehmend unklarer, ob der Regisseur mit seinem Film einen feministischen Kraftakt inszenieren wollte, der erst sehr spät kurz vor dem Abspann leise Hoffnung aus einem ansonsten nihilistischen Höllentrip schöpft, oder einen konsequent schmerzhaften B-Movie-Exploitation-Reißer, der aufgrund seiner fantastischen Bilder und der makellosen Ausstattung wie großes A-Kino erstrahlt.
Brimstone befindet sich schlussendlich am Rande des Unbewertbaren. Koolhoven zelebriert scheußlichste Gewaltexzesse mit einer konsequenten Grimmigkeit, die seinen Film immer wieder nahe an der Selbstparodie vorbeischrammen lassen, wenn beispielsweise Figuren, die in Brand gesteckt wurden, noch Zeit für eine im wahrsten Sinne des Wortes flammende Rede haben.