Aus dem Untergrund in das Rampenlicht. Die Chronologie eines Erfolges, wie ihn das Leben oft, das Kino aber noch viel öfter geschrieben hat. Der dramaturgische Hergang dieser Aufstiegsgeschichten ist nicht erst heute in einem Stadium angekommen, an dem er dem Zuschauer gerne mal ein sattes Gähnen aus dem Rachen lockt, sondern eigentlich schon bei der Underdog-Ballade Rocky, die inzwischen für diesen filmischen Bereich immer wieder als eine Art Blaupause herangezogen wird. Besonders kassenwirksam erweisen sich diese Erzählungen des unerwarteten Emporkommens einer Persönlichkeit dann, wenn sich die porträtierte Vita zusätzlich auf wahren Ereignissen betten darf: Wenn es real wird, schnürt sich das Band zwischen Leinwand und Zuschauer postwendend um ein Vielfaches enger. Ausnahmen allerdings bestätigen die Regel, wie etwa der Jahrhundertflop Zeiten ändern Dich aus der Produktionsschmiede Bernd Eichingers.
Die filmische Aufbereitung des Lebensweges von Bushido bedient klassische Prinzipien der Narration und nimmt sich nicht in einer Sekunde seiner Laufzeit einen kreativen Impuls dahingehend heraus, die formale Altertümlichkeit seines Erzählkonzeptes ein Stück weit aufzulockern. Ganz im Gegenteil: Zeiten ändern Dich ist das Paradebeispiel für ein Scheitern auf ganzer Linie. Ein Scheitern an sich, an seinen Absichten, an der Kunst. Nur ein Jahr später sollte mit Blutzbrüdaz ein Film in die Kinos kommen, an dessen vorderster Front sich die beiden Rapper Sido und B-Tight positioniert hatten. Böse Erinnerungen wurden selbstverständlich umgehend geweckt, denn noch einmal über 90 Minuten dabei zuzusehen, wie sich zwei arrivierte Sprachartisten aus dem deutschen Raum ein eigenes Denkmal schustern, ohne jeden Anflug von Humor, Subversion oder Originalität, hätte der hiesige Filmmarkt (und sein Publikum) nicht überstanden.
Umso überraschender erweist sich der Umstand, dass Blutzbrüdaz eine wirklich schwer sympathische HipHop-Komödie geworden ist, die sich jeder zwanghaften Ernsthaftigkeit verweigert und zu keiner Zeit als DER Film über Sido und B-Tight verstanden werden möchte. Regisseur Özgür Yildirim (Nur Gott kann mich richten) inszeniert die Geschichte der Berliner Rapper Otis (Sido, Halbe Brüder) und Eddy (B-Tight) als durchweg augenzwinkernde Abrechnung mit dem kommerziellen Musikgeschäft. Angenehm ist es vor allem mitanzusehen, dass es Sido und B-Tight hier nicht darum geht, ihr Image für die breite Öffentlichkeit zu korrigieren (so, wie es bei Bushido der Fall war – mit fatalen Folgen für selbiges). Blutzbrüdaz ist schlicht und ergreifend eine einfache, in der Berliner Rap-Kultur angesiedelte Fiktion, die zwei Freunde mit den Gefahren und der Niedertracht von Major-Labels in Berührung bringt.
Wobei Fiktion natürlich schon etwas zu weit gegriffen ist, sind einige Parallelen zu dem tatsächlichen Werdegang von Sido und B-Tight auch in Blutzbrüdaz zu entdecken. Im Großen und Ganzen allerdings unterliegt das Geschehen hier keinem biographischen Anspruch, sondern lässt die schon immer bekannte Selbstironie der Hauptdarsteller, hier natürlich vor allem bei Sido, in entwaffnender Leidenschaft aufatmen. Da wird der eigene Ruf durch den Kakao gezogen (primär wenn es darum geht, dass der heutige Rap in Deutschland nur noch kommerzieller Einheitsbrei ist) und gleichzeitig auf die ausbeuterischen Mechanismen einer Branche hingewiesen, in der es, folgerichtig, nicht mehr auf die Identität des Künstlers ankommt, sondern nur noch auf dessen wirtschaftliche Vermarktung. Während eines Videodrehs werden Sido und B-Tight bezeichnenderweise vom Kopf der renommierten Produktionsanstalt in schrille Glitzerklamotten gekleidet. Warum? Weil es gut aussieht!
Diese Szene verdeutlicht in ihrer Übertreibung natürlich recht gut, wie viel Bezug die anzugtragenden Verantwortlichen eines millionenschweren Unternehmens eigentlich zu ihrem Produkt aufbringen – gar keinen. Die langjährigen Freundschaft der beiden Rapper, die im Untergrund für Furore gesorgt haben (sowohl in der Realität als auch im Film), wird durch das Geld alsbald auf einen harten Prüfstand gestellt. Und auch hier lässt sich Blutbrüdaz, der übrigens namhaft von Fatih Akin (Aus dem Nichts) produziert wurde, nicht auf pathetische Aussöhnungsgesten ein, sondern regelt die Diskrepanzen der beiden Kumpels sinngemäß, wie es sich für einen echten Rap-Film gehört: Auf der Bühne. Hier wird der Sprachgesang – im Gegensatz zu Zeiten ändern Dich – endlich charaktetisiert. Nämlich nicht nur als Frage der Mentalität und Herkunft begriffen, sondern auch als Ventil, um seinem Kummer Ausdruck zu verleihen. Herrlich.