Diejenigen, die hin und wieder asiatische Filme der härteren Gangart schauen, sind wahrscheinlich schon das ein oder andere Mal über den Begriff Cat lll gestolpert. Vermutlich deshalb, weil mit dieser Bezeichnung ganz gerne geworben wird und Cat III im Zuge dessen, was filmischen Output aus Hongkong angeht, für manch einen zu einer Art Synonym für besonders harte Kost wurde. Doch was hat es mit diesem ominösen „Siegel“ auf sich, hinter dem sich Asiens extremste Werke filmischen Schaffens zu verbergen scheinen? Im Grunde ist es einfach. Die Category III (kurz Cat III) ist die höchste Freigabe, die ein Film innerhalb des Ende der 80er-Jahre eingeführten „Hong Kong Motion Picture Rating Systems“ erhalten kann. Entsprechend gekennzeichnete Filme sind daher nur Personen, die das 18. Lebensjahr vollendet haben, zugänglich zu machen. Gründe für eine solche Freigabe können (erwartungsgemäß) u. a. Gewaltszenen, sexuelle Darstellungen oder aber (was wohl weniger vorhersehbar sein dürfte) auch die Darstellung von Triaden und deren Ritualen sowie deren Lebensstils sein. So erhielten auch verhältnismäßig „harmlose“ Werke wie Stadt der Gewalt, Kill Zone S.P.L. oder aber Election eine Cat III-Einstufung. Es sind jedoch auch einige Werke mit dieser Freigabe bedacht worden, bei denen es ans Eingemachte geht. Filme wie etwa Ebola Syndrom, welche die harten Geschütze auffahren und insbesondere durch Widerwärtigkeiten, sexualisierte Gewalt und besondere Brutalität auffallen.
Der aus dem Jahr 1993 stammende The Untold Story, so viel sei schon einmal vorweggegriffen, ist einer jener Filme. Da Schockwirkung alleine jedoch noch lange keinen guten Film ausmacht, stellt sich die Frage, ob das von Regisseur Herman Yau (Shock Wave, Ip Man Zero) inszenierte Werk darüber hinaus weitere „Qualitäten“ vorzuweisen hat. Vorab sei noch kurz erwähnt, dass The Untold Story lose auf wahren Begebenheiten basiert. Teile der Handlung sind den Tathergängen der „Eight Immortals Restaurant murders“ nachempfunden und auch die damit verbundenen Gerüchte bezüglich zu Lebensmitteln verarbeiteten Opfern wurden in den Film integriert. Die Thematik rund um menschenfleischhaltige Mahlzeiten wurde im Übrigen auch in asiatischen Werken wie Meat Grinder sowie dem bereits erwähnten Ebola Syndrom aufgegriffen. The Untold Story verfolgt zwei Handlungsstränge, welche mit der Zeit zusammenlaufen. Ein Handlungsstrang folgt Wong Chi-hang, einem gleichermaßen gestörten wie brutalen Mörder. Verkörpert wird der Charakter von Anthony Chau-Sang Wong (Infernal Affairs, Exiled), welcher bei dem ebenfalls von Herman Yau stammenden Film Ebola Syndrom eine ähnlich psychopathisch angelegte Rolle verkörpert und der mit seinem herrlich irren Schauspiel vollumfänglich zu überzeugen weiß. Seine Darbietung sollte ihm später bei den Hong Kong Film Awards von 1994 eine Auszeichnung als bester Darsteller einbringen. Der andere Erzählstrang beschäftigt sich mit einer Gruppe Polizisten sowie deren „Ermittlungsmethoden“. Echte Sympathieträger bleibt The Untold Story dabei schuldig. Die Geschichte selbst wird flott erzählt und Yau versteht es, den Zuschauer in ihren Bann zu ziehen. Eine gut ausgearbeitete, facettenreiche Charakterstudie darf man dabei freilich nicht erwarten und so wirklich spannend fällt The Untold Story ebenfalls nicht aus.
Dafür ist The Untold Story von unzähligen komödiantischen Momenten durchzogen, wobei die Art des Humors sowie das teilweise übertriebene Schauspiel nicht unbedingt westlichen Sehgewohnheiten entspricht. Während Wong herrlich irre dargestellt wird, werden die Polizisten regelrecht comichaft porträtiert. Die Szenen mit ihnen sind nur so mit Absurditäten vollgestopft und driften, aufgrund der vorherrschenden Inkompetenz, mit welcher hier der Arbeit nachgegangen wird, immer wieder aufs Neue in Klamauk ab. Da passt der Kleidungsstil des ein oder anderen Kollegen mit Tank Tops, Sonnenbrille, Schildkappe, Lederjacken und fetten Gürtelschnallen wie die Faust aufs Auge. Man könnte fast meinen, es hier mit den Schüler/innen aus Fack ju Göhte zu tun zu haben, die gerade ein Praktikum bei der Polizei absolvieren und selbst Tommie und Mario (die Charaktere aus Voll Normaaal sowie Ballerman 6) haben in Die Superbullen keinen schlechteren Job gemacht. Ein ums andere Mal darf die Truppe ihre kollektive Unfähigkeit unter Beweis stellen, was bei vielen Figuren mit übertriebener Mimik sowie Gestik einhergeht und an Theaterstücke erinnert (Wem „Overacting“ ein Graus ist und wer bei Nicolas Cage (8mm, Pig) Reißaus nimmt, wird mit The Untold Story nur wenig Freude haben). Der Vorgesetzte Officer Lee (Danny Lee Sau-Yin der hier auch bei der Regie unterstützte und z. B. aus The Killer bekannt ist), welcher wiederkehrend Prostituierte mit zur Arbeit bringt, erscheint kaum minder fragwürdig. Dies wird im Film schließlich zu einer Art Running Gag. Gleiches gilt für Polizistin Bos Verliebtheit in Officer Lee, welche mit Eifersucht, Anhimmelung und krampfhaften Versuchen seine Aufmerksamkeit zu erhaschen einhergeht.
The Untold Story ist dabei ein in hohem Maße interessanter Film, was weniger an der Handlung und der Figurenzeichnung liegt, sondern vielmehr an der Tonalität. Denn einerseits kann man den Film aufgrund der Polizeitruppe kaum ernst nehmen und andererseits wartet The Untold Story mit schier ungezügelter Brutalität auf, die so gar nicht amüsant erscheinen will und im krassen Kontrast zum heiteren Klamauk steht. So ist beispielsweise die Tortur, welche die Polizisten Wong erleiden lassen, um an ein Geständnis zu kommen, hochgradig unmenschlich. Denn dem Gedächtnis von ungeständigen Verdächtigen mit unzähligen Schlägen und Tritten auf die Sprünge zu helfen, ist in The Untold Story noch die humanste Form der polizeilichen Wahrheitsfindung. Der Gipfel ist jedoch noch nicht einmal die grausame Polizeigewalt selbst, sondern mit welch einer Selbstverständlichkeit hier Folter als probates Mittel zur Wahrheitsfindung eingesetzt wird. Dies alles wirkt derart falsch, dass es The Untold Story tatsächlich schafft, dass man als Zuschauer zu diesem Zeitpunkt ungeachtet des Wissens um Wongs widerliche Persönlichkeit sowie einige seiner bestialischen Taten Mitgefühl mit ihm empfindet. Das ist wirklich eine herausragende Leistung, die Regisseur Yau da vollbrachte. Hier werden, der überzeichneten Darstellung trotzend, subtil und ohne es zu forcieren, durchaus sozialkritische Töne angeschlagen, zumal die Polizisten nicht als die „Bösen“ dargestellt werden. Der Film wirft in diesem Hinblick auch unweigerlich die Frage auf, ob derartige „Verhörmethoden“ nicht in dem ein oder anderen Land tatsächlich an der Tagesordnung sein könnten (Stichwort Guantanamo).
Doch so grausam das kollektive Vorgehen der Polizisten auch erscheinen mag, an die Brutalität und Rücksichtslosigkeit von Wongs Taten reicht es nicht heran. Was The Untold Story diesbezüglich abfeuert, insbesondere wenn es um tödliche Gewalt gegen weinende Kinder und sexualisierte Gewalt gegenüber Frauen geht, ist definitiv harter Tobak. Doch so paradox es in diesem Zusammenhang vielleicht klingen mag, auch Yaus Zeigefreudigkeit kennt Grenzen. So findet beispielsweise das Zerteilen von Leichen zumeist außerhalb des Sichtfelds statt, was allerdings etwas bizarr anmutet, da weitaus schlimmere Szenen gut sichtbar auf Zelluloid gebannt wurden. Auch bei der Darstellung sexueller Gewalt erspart Yau dem Publikum durch gekonnte Kamerawinkel die gravierendsten Details, ohne dass die Szenen dabei etwas von ihrer schockierenden und intensiven Wirkung verlieren würden. Ähnlich wie bei Tobe Hoopers Kultfilm Blutgericht in Texas kann so im Nachhinein schnell der Eindruck entstehen, man habe entsprechende Szenen tatsächlich in aller Ausführlichkeit gesehen. Einerseits ist dies eine durchaus respektable Regieleistung, andererseits wäre eine derartige Annahme bei der Menge an gezeigter Brutalität und Tabubrüchen auch kaum verwunderlich.