Ayla: The Daughter of War von Can Ulkay stellt sich nun der Herausforderung, eine Geschichte zu erzählen, die den Krieg eher als Schauplatz wählt und weniger als zentrales Element. Genau dadurch gelingt es ihm jedoch, auf subtile Art und Weise die verschiedenen Auswirkungen eines Krieges zu erläutern. Im Zentrum stehen dabei interessanterweise nicht mal zwingend die unzähligen Toten, sondern eher Einzelschicksale: Hier geht es um Fürsorge, hier geht es um Liebe, um Zusammengehörigkeit und wie diese durch den aufbrausenden Sturm des Krieges in Bedrohung geraten kann. Das kleine koreanische Mädchen Ayla, wunderbar facettenreich dargestellt von Kim Seol, steht hier für die Unschuld, die auf die brachiale Schuld des Krieges trifft.
Ayla: The Daughter of War lässt sich ziemlich gut in drei zentrale Plot- Elemente unterteilen. Als erstes wäre die „Heimat“ zu benennen, die der Rekrut Süyleman, der hier nicht weniger gut von Ismail Hacioglu (Kafes) dargestellt wird, zurücklassen muss. Der Film zeigt hier eindrucksvoll, was Krieg mit dem Umfeld eines Rekruten anstellen kann, wie er es ins Chaos stürzen kann. Es werden hier zwei Paradigma aufgegriffen, zum einen die Enttäuschung, die jeder Krieg aufgrund der durch Politik zuvor geschaffenen Hoffnung mit sich bringt, und das Bild vom Tod, mit dem man früher oder später auch als Außenstehender konfrontiert wird. Ayla verarbeitet das hervorragend in rührseligen Bildern.
Als zweites wäre die Beziehung zwischen Ayla und Süyleman zu betrachten. Wir sehen hier auf der einen Seite Süyleman, der väterliche Gefühle für die verwaiste Ayla entwickelt. Und auf der anderen Seite Ayla, die als Sinnbild der Unschuld gefangen in einem Meer der Schuld zu sein scheint. Der Krieg wird hier in dem Sinne thematisiert, dass er dieses scheinbar perfekte Verhältnis zwischen den beiden Protagonisten, die in einer gegenseitigen Abhängigkeit zueinander stehen, zerstören will. Wir sehen hier immer wieder Bilder, wie Süyleman Ayla ganz fest an sich drückt, während alles um sie herum im Chaos versinkt. Hier wird klar, dass beide heimatlosen Protagonisten einen Ersatz für eben diese heimatliche Sicherheit suchen und ineinander finden. Die Beziehung zwischen Ayla und Süyleman wird teils ein wenig zu kitschig inszeniert, wodurch sie an ihrem melancholischen Ton verliert, der die Handlung trägt, aber dennoch lässt sich auch das zweite zentrale Plot- Element des Filmes als gelungen bezeichnen.
Das dritte zentrale Element stellt der Krieg mit seiner Grausamkeit dar. Ayla kann sich in dieser Hinsicht nicht so recht entscheiden, ob er die Gewalt kaschieren und hinterfragen soll, oder ob er versucht sie möglichst realistisch darzustellen. Ersteres funktioniert mal mehr und mal weniger, bringt aber einige nachdenkliche und kritische Momente hervor, während die realistische Darstellung zumeist scheitert. Während wir auf der einen Seite sehr symbolische Szenen präsentiert bekommen, in denen wir sehen wie ein Kinder- Fahrrad von einem Panzer überfahren wird oder Blut auf ein Foto von Marilyn Monroe spritzt, nach dem sich der Erschossene all die Jahre gesehnt hat, werden leider auch viele Szenen präsentiert, die einfach nur darstellen wie Menschen leiden und sterben. Das funktioniert nicht als Abschreckung, sondern macht sich die Gewalt selbst zweckhaft zu Nutze, um den Zuschauer emotional zu fordern. Die Darstellung des Krieges lässt sich insgesamt als durchwachsen bezeichnen.
Diese drei, in ihrer Qualität recht gemischt ausfallenden, Ebenen des Filmes sind verpackt in einem manchmal etwas wirren, aber im Schnitt doch recht gelungenen Drehbuch, das in der Konzeption dieser wahren Begebenheit gerecht wird. Manche Zeitsprünge wirken ein wenig abstrakt und hin und wieder wirkt eine Szene unpassend gesetzt, doch darüber kann man hinweg sehen, wenn man die saubere konzeptionelle Differenzierung der drei Ebenen des Filmes hervorhebt. Hier ist ein hochwertig aussehender und weitreichender Antikriegsfilm gelungen, dessen größte Stärke es ist, dass der Krieg nicht Thema, sondern Schauplatz ist und dadurch subtiler aufgearbeitet werden kann. Hinzu kommt das teils großartige Schauspiel, ein paar ästhetisch nachdenklich stimmende Momente und eine gewisse technische Wertigkeit, die man dem Film in jeder einzelnen Szene ansieht.