„Können Sie sich vorstellen, wie lang sich drei Monate an der Seite des falschen Manns anfühlen während man auf die Rückkehr eines anderen falschen Manns wartet?“
Ein kleiner Sonderling aus der Masse der gelben Blütezeit, der seinerzeit auf nur geringe Gegenliebe stieß und auch heute nur ein Schattendasein fristet. Dabei ist „Liebe und Tod im Garten der Götter“ gerade durch seine Andersartigkeit kein Giallo von der Stange und eine Wieder- bzw. Neuentdeckung wert.
Losgelöst von den zwar ungeschriebenen, nichtsdestotrotz oft dogmatisch abgearbeiteten Regeln des Sub-Genre interpretiert Sauro Scavolini (häufiger als Autor denn als Regisseur tätig und bekannter, u.a. für seine Bücher zu den Sergio Martino Filmen „Der Schwanz des Skorpions“ oder „Mannaja – Das Beil des Todes“) dieses auf seine Weise neu und erfrischend anders. Statt eines linear vorgetragenen, narrativ schlicht gehaltenen Plots - aufgemotzt und getragen durch stilisierte Mordsequenzen und ein extravagantes Setdesign wie Bildmontagen – nach dem Whodunit-Prinzip, stellt sich hier eher die Frage What Happened? Eine auf verschiedene Erzählungs- und Zeitebenen, aus subjektiven Blickwinkeln verlagerte Handlung, nicht unbedingt auf einen schnellen und konstant steigenden Spannungsbogen fixiert, eher durch seinen verschachtelten Reiz von Interesse. Das langsam Stück für Stück freigelegte Familiengeflecht aus krankhafter Eifersucht, verbotener Begierde und (un)bewusst inszenierten Provokationen steuert unaufhaltsam auf seinen destruktiven Höhepunkt hin, fasziniert belauscht von einem zufälligen Zaungast in Form des Professors, der durch den Fund und das Abspielen der im „Garten der Götter“ versteckten Tonbänder zunächst eine Rolle einnimmt, die mit der unseren vergleichbar ist. Durch ihn bekommt der Film gleichzeitig erst diese unterschiedlichen Ebenen, welche gegen Ende miteinander verschmelzen und so fast den Effekt haben, dass sich auch der Zuschauer plötzlich viel involvierter, fast selbst ein Stück weit bedroht fühlt.
Scavolinis Regiedebüt (schade, dass dem nur noch wenig folgen sollte) erinnert über weite Teile mehr an ein Psychodrama mit Suspense-Anleihen, hat den Unterbau einer Tragödie, ist psychologisch deutlich fundierter als die meisten Gialli, ohne dass man zu viel erwarten sollte. Natürlich ist auch der eher plakativer Natur mit Waschküchen-Charakter, verglichen mit Dario Argento („Tenebre“) und Co – die ihre Motive für den Killer ebenfalls gerne dort suchten – jedoch lange nicht so platt und rein zweckdienlich herbei gezaubert. In seinem Kern ist „Leben und Tod im Garten der Götter“ eine tragische Geschichte, die schon von seiner Inszenierung mehr auf diesen Aspekt gerichtet ist. Klassische Musikkompositionen aus Streichern und Piano bilden den Score, die Sets sind (fast) niemals abstrakt, völlig in der Realität verankert und konstant taghell (dennoch mit einer leisen Unbehaglichkeit), die Figuren sind ausführlich skizziert, dabei voller Ambivalenz, speziell die beiden Hauptcharaktere. Das giftige Pflänzchen Azzurra (Erika Blanc, „Die toten Augen des Dr. Dracula“) nimmt sowohl die Rolle des Opfers wie der Femme fatale ein, nicht zuletzt begünstigt durch den zunächst rein aus ihrer Sicht vorgetragenen Sachverhalt. Ihr Bruder Manfredi (Peter Lee Lawrence, „Ein Colt für 100 Särge“, geboren als Karl Hyrenbach im bayrischen Lindau und bereits 1974 im Alter von nur 30 Jahren verstorben) sogar noch deutlicher, allein durch sein zartes und zeitgleich zwielichtiges Äußeres schon schwer zu kategorisieren, der radikal die Positionen wechselt, dabei in seiner Logik und Konsequenz quälend nachvollziehbar.
Nach seiner ausgiebigen Exposition, als solche lässt sich fast auch der komplette Mittelpart bezeichnen, bricht es im letzten Drittel förmlich aus dem Film heraus, einer Detonation gleich. Nun überlappen die vorher klar getrennten, in ihrer zeitlichen Distanz zueinander nie genau definierten Handlungsschichten und „Leben und Tod im Garten der Götter“ legt plötzlich eine schon drastische Kaltschnäuzigkeit an den Tag. Auch hier gänzlich gegen die Sehgewohnheiten des Genres gerichtet, entlädt sich die vorher ausgesparte Gewalt ruckartig-exploitativ, statt gierig-ausladen ausgereizt. Wurde die Spannung vorher lediglich durch Wissenslücken erzeugt und keine konkrete Bedrohung erschaffen, wird nun alles gebündelt auf den Zuschauer (und Zuhörer) losgelassen. Das mag vielleicht unausgegoren klingen, ist allerdings klar so gewollt und auf diese Art, speziell rückwirkend betrachtet, enorm interessant und in gewisser Weise auch mutig. Seine volle Wirkung entfaltet dieser Giallo-Sonderling nicht unbedingt während des Anschauens, mehr in Nachhinein, ab den Endcredits in seiner Rekapitulation. Wenn Filme das mit einem anstellen (können), haben sie ihr Ziel meistens erreicht und sind mehr als nur einen Blick wert (in der Regel sogar wiederholte).
„Ich komme, um Sie zu töten!“