Still und heimlich hat sich der britische Regisseur Johannes Roberts in den letzten Jahren zum Garant für gutes Genrekino gemausert. Seinen Hai-Horror 47 Meters Down, der an den amerikanischen Kinokassen zum Überraschungshit avancierte, darf er nun fortsetzen. Die simple Prämisse des Erstlings nutzte Roberts, um einen alptraumhaften Überlebenskampf zu inszenieren. Zwei Frauen in einem Haikäfig, 47 Meter unter der Wasseroberfläche. Der Sauerstoff ist begrenzt, die Funkverbindung zum Touristenboot schwach. Die Kreise, die die blutrünstigen Haie um den Käfig ziehen, werden zunehmend enger. In den finsteren Bildern von Kameramann Mark Silk (Under the Skin) durften die Monster des Meeres endlich wieder richtig furchterregend sein. Gerade mal 89 Minuten genügten Roberts, um einer Nische des Horrorkinos, die man an selbstironischen Trash verloren glaubte, wieder Leben einzuhauchen.
47 Meters Down: Uncaged hat recht wenig mit dem Vorgänger zu tun, noch weniger aber mit seinem eigenen Titel. Einen Käfig gibt es nicht, und wie viele Meter sich die Protagonistinnen unter Wasser befinden, ist auch nie von Belang, Stattdessen schickt Roberts vier Freundinnen im Teenager-Alter, unter ihnen die Halbschwestern Mia (Sophie Nélisse) und Sasha (Corinne Foxx), auf Tauchgang in einen versunkenen Maya-Tempel. Nur die erste Halle wollen die vier sich anschauen, und dann schnurstracks wieder umkehren. Der durch die Bergungsarbeiten am Tempel aufgescheuchte great white macht den Mädchen jedoch einen Strich durch die Rechnung. Der Eingang wird verschüttet, die unerfahrenen Taucherinnen müssen nun zum Ausgang auf der anderen Seiten gelangen. Der Weg dorthin führt quer durch das labyrinthische Innere des Tempels, vorbei an Opferaltären, mitten in die alles verschlingende Dunkelheit.
Dem Hai ist seine digitale Herkunft wie bereits im Vorgänger kaum anzusehen. Jede Furche, jede Narbe und jeder zwischen den messerscharfen Zähnen hängende Fetzen Fleisch fühlt sich lebensecht an. Ähnlich wie bei Spielberg dürfen Haie unter Roberts ganz Horrorfilmkreaturen sein. Auch in der Fortsetzung gelingen wieder Momente nervenzerfetzender Spannung, für die der versunkene Maya-Tempel dieses Mal sogar eine adäquate Kulisse bietet. Der blinde, riesenhafte Hai hat nur noch wenig mit seinen Artgenossen gemein, erscheint stattdessen als mythologisches Biest einer vergangenen Zeit. Einmal mehr hat der Mensch zu tief gegraben und ein schlummerndes Übel aus seinem Jahrhundertschlaf gerissen. Brennende Bengalos tauchen die mumifizierten Maya-Statuen und wuchtigen Haikörper immer wieder in das grellrote Licht des Höllenspalts, der sich unter den Protagonistinnen scheinbar aufgetan hat.
Mit der verkomplizierten Prämisse lässt Roberts aber auch entscheidende Stärken seines Vorgängers zurück. 47 Meters Down: Uncaged ist ein weniger straffer, komprimierter Film. Der Horror verdichtet sich nicht immer weiter, wie es im engen Handlungsraum des Haikäfigs noch möglich war, sondern wird zunehmend ausgedünnt. Längere (Atem-)Pausen für Figuren wie auch Zuschauer, sowie ein Hang zum Spektakel sind die Folge. Wenn Roberts zwei seiner Figuren nahe des Finales einer wütenden Unterwasserströmung aussetzt, verliert er die Haie für mehrere Minuten gar völlig aus den Augen. Der zusätzlich aufgebürdete Handlungsaspekt, inmitten des Shark-Scharmützels ein Familiendrama zwischen den Halbschwestern austragen zu lassen, erweist sich als nicht sonderlich resonant. Der Vorgänger zerschlug die dementsprechend an ihn gestellten Erwartungen noch bitterböse, Uncaged erfüllt sie artig bis zum Schluss.
Ein schönerer, weil nicht ganz so abgenutzter thematischer Unterbau gelingt mit der Entwicklung von Protagonistin Mia, die sich im Verlauf des Films nicht nur mit ihrer Halbschwester versöhnen, sondern am Ende auch gegenüber ihrer gehässigen Schulrivalin beweisen darf. Im Finale, das mit pervertierten Paradiesbildern aus dem visuellen Konzept des Films ausbricht (nicht zuletzt wegen Roberts' scheinbar neu entdeckter Liebe für Slow-Motion-Einstellungen) erkämpft sich Mia mit bitterer Entschlossenheit ihren Final-Girl-Status. Ähnlich wie schon im Vorgängerfilm findet Roberts auch hierfür einen klugen Schlusspunkt, der weitaus weniger zynisch ausfällt, das Trauma seiner Figuren aber dennoch über die Schlusseinstellung hinaus weitererzählt. Man wünscht sich als Zuschauer, der Film hätte einen weniger umständlichen, etwas fokussierteren Weg eingeschlagen, um in diesen Endminuten anzukommen.