Jackie Chan ist ohne Zweifel eine lebende Legende: Wohl kaum ein anderer beeinflusste das Hongkong- wie Asia-Kino so sehr wie Martial-Arts-Experte, Schauspieler, Sänger, Drehbuchautor, Stuntmen, Stuntkoordinator und Regisseur Jackie Chan. Und dies sind nur einige der Qualitäten, die den freudigen Kampfsportexperten auszeichnen. Seit nun mehr fünfzig Jahren dreht er hierbei Filme und lieferte einige der spektakulärsten Stunts der Filmgeschichte ab (frei nach seinen großen Vorbildern Buster Keaton und Harold Loyd). Kein Wunder also, dass das Geschichtsepos 1911″ nun offiziell sein hundertster Film geworden ist. Doch damit noch nicht genug, denn Jackie lässt es sich natürlich nicht nehmen, bei dem 30 Millionen US-Dollar teuren Werk gleich selbst Hand anzulegen. Und dies nicht nur als Regisseur, sondern auch Produzent sowie Hauptdarsteller (und natürlich auch bei den Stunts). Doch ist der Film über die teils vergessene Revolution in China auch würdige Kost, um typische Unterhaltung à la Jackie Chan zu liefern?
Wohl kaum, denn wie schon in seinen letzten Filmen (unter anderem Shaolin, Little Big Soldier sowie Stadt der Gewalt), konzentriert sich auch hier der virtuose wie ehemals spaßige Körper-Artist lieber auf seine ernste Seite und zeigt sich so als hervorragender Charakter-Darsteller. Hier gibt es also weder Situationskomik noch flotte Sprüche zu sehen, sondern eher einen ernsten geschichtlichen Abriss, der ein wichtiges Thema der chinesischen Historie repräsentiert. Dass dies keineswegs verkehrt sein muss, zeigten bereits ähnliche Filme wie Red Cliff von Meister-Regisseur John Woo oder Warlords mit Genre-Kollegen Jet Li, welche die Geschichte Chinas glorreich auf Zelluloid bannten. Jedoch begeht Jackie Chan den Fehler, sich hauptsächlich auf die Inszenierung zu konzentrieren, ohne auch nur annähernd richtig in die Materie einzusteigen. Was folgt ist ein bildgewaltiges Werk voller Schlachten, Pathos sowie einem gelungenen Hang zur Originalität, wobei allerdings allzu oft die Tiefe auf der Strecke bleibt.
Wie unzählige andere historische Beiträge des Hongkong-Kinos, ist so auch 1911″ im Kern mehr als Sprunghaft. Ohne Vorwissen der Geschehnisse von 1911, ist es kaum möglich der Handlung durchgehend zu folgen, was sich vor allem am Anfang deutlich bemerkbar macht. Zu viele Figuren werden präsentiert, zu viele Schauplätze sowie geschichtliche Ereignisse (die stets per Texteinblendung zelebriert werden). Zudem beginnt der Film mit einer herausgerissenen Szene die erst am Schluss relevant wird, nur um dann kurz danach ständig zwischen verschiedenen Zeiten hin und her zuspringen. Was weder der Übersichtlichkeit noch der Spannung förderlich ist, wird durch die vielen kleinen Nebenhandlungen noch weiter verstärkt. Bevor sich so ein roter Faden präsentiert, ist bereits über die Hälfte der Handlung vorbeigegangen. Was dann folgt ist viel Gerede im Bezug auf die Zukunft Chinas, wobei hier ein deutlicher Bruch gegenüber der actionreichen ersten Hälfte erkennbar ist. Während indes auch die Figuren kein eindeutiges Profil bekommen, außer Sun Yat Sun als Wortgewandter Anführer der Revolution, wird so die Chance vertan, dass der Zuschauer einen Zugang zur eigentlich recht interessanten Geschichte bekommt. Denn eine Republik nach zweitausend Jahren Feudalherrschaft, war für China ein großer Schritt, der jedoch anschließend weiterhin in vielen Bürgerkriegen mündete (heute ist die Republik China als Taiwan bekannt).
Trotz teils fehlender Tiefe, bleibt allerdings ein Film, der gemessen an der Aussagekraft seiner Bilder vieles richtig macht. Zwar wird oft durch Manipulation versucht zusätzlich Tragik zu erzeugen, was in übertriebenen Nationalstolz mündet (auch im Hinblick auf die Darstellung der Ausländer), doch die verschiedenen Kämpfe sind hervorragend inszeniert, wodurch regelrecht malerische wie aufwendige Szenerien entstehen, die einem Hollywood-Kriegsfilm in nichts nachstehen. Auch die Ausstattung, die Waffen, die Kostüme sowie die Sets, sind bis ins letzte Detail hervorragend in Szene gesetzt, wodurch ein perfekter Eindruck der Lage von 1911 entsteht. China ist im Umbruch, was deutlich an den neuen Waffen, an der Eisenbahn oder dem aufkommenden Auto erkennbar ist. Wer genug von Schwertkämpfen sowie Martial-Arts-Einlagen hat, ist bei 1911″ also genau an der richtigen Adresse, denn hier zählen eher die neuen Feuerwaffen als alte Kampfeinlagen. Doch auch die Darstellung der Revolution selbst, wird regelrecht schonungslos auf den Zuschauer losgelassen. Massenerschießungen, brutale wie erbitterte Straßenkämpfe, Folter, Selbstmordmissionen sowie Kriegsverletzungen, gibt es gleich Reihenweise zu sehen. Gerade zu Beginn spricht Regisseur Jackie Chan so einen düsteren wie melancholischen Ton, der sich erst zum Ende hin ändert, wenn es um die Gründung der Republik geht. Doch auch hier ist korrupte Politik im Vordergrund. Eine Revolution hat nun mal leider auch ihren schmutzigen Preis.
Für Jackie Chan Fans ist indes 1911″ eindeutig Pflichtprogramm. So zeigt sich Jackie einmal mehr von seiner ernsten Seite, die durchaus auch sensibel sowie tragisch ausfallen kann. Gerade in den vielen langen Kamerafahrten durch die Schützengräben, kann sich Jackie perfekt als treuer General Huang Xin präsentieren. Zwar ist die Darstellung an vielen Ecken etwas zu übertrieben, gerade wenn Jackie mit zwei Pistolen gegen eine ganze Armee kämpft oder alleine eine Gatling an die Front trägt, doch dies trübt das Gesamtbild kaum. Natürlich lässt es sich indes der Martial-Arts-Experte nicht nehmen, auch eine kleine Showeinlage seines Könnens mit einzubauen. Diese fällt zwar kurz aus, regt aber deutlich zum schmunzeln an.