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Wim Wenders Collection - Kritik

von Sebastian Pierchalla

Deutsche Filmemacher haben es nicht gerade leicht im Land der unbegrenzten Möglichkeiten. Während ein Roland Emmerich als Begrüßungsgeschenk zu seiner Green Card gleich einmal das Weiße Haus im Blockbuster „Independence Day“ in Schutt und Asche legte, seitdem jedoch mit den immer gleichen Filmen kaum noch einen Kinobesucher aus der Reserve locken kann, legt sich Anarcho Regisseur Uwe Boll lieber direkt mit der gesamten Industrie an.

Doch glücklicherweise gibt es doch noch einen deutschen Regisseur in Hollywood, der weder auf billige Effekthascherei, noch auf eine provozierende Attitüde wert legt, sondern das Publikum immer wieder durch seine unverkennbare Handschrift ins Kino lockt.  

Die Rede ist von Win Wenders, dem gebürtigen Düsseldorfer, der nun seit knapp 50 Jahren als Regisseur hinter der Kamera sitzt und dabei sich und seinen Stil immer wieder aufs neue erfindet.

Seine Filmographie von 59 Werken umfasst nicht nur preisgekrönte Dokumentationen, wie die  Publikums- und Kritiker Erfolge „Pina“ und „Buena Vista Social Club“, die ihm im Jahr 2000 und 2002 jeweils eine Oscar Nomination bescherten, oder gefühlvolle Dramen, wie etwa „Der Himmel über Berlin“ mit „Columbo“ Darsteller Peter Falk, oder den Golden Globe nominierten „Paris, Texas“, sondern auch verschrobene Komödien, waschechte Thriller und mystische Fantasy Werke.

Der Verleih ArtHaus bringt nun mit der „Best of Wim Wenders Collection“ erstmals 10 Filme des Regisseurs in einer Sammlung auf den Markt, ein Querschnitt durch Wenders Arbeit, die mit „Alice in den Städten“ aus dem Jahre 1974 beginnt und mit „The Million Dollar Hotel“ aus dem Jahre 2000 endet.

Das erste das einem bei der Sammlung auffallen dürfte ist der stolze Preis von 67,99 Euro, etwa beim Online Versandhaus Amazon.de. Für den Preis erwartet man als Verbraucher natürlich entsprechende Qualität und die ist bei den Filmen von Wenders auf jeden Fall gegeben.


Den Anfang macht das bereits erwähnte Drama „Alice in den Städten“ aus dem Jahre 1974. Der Zuschauer verfolgt Protagonist Philip Winter (Rüdiger Vogler), einen deutschen Journalisten, der während einer Recherche in der USA plötzlich an einer Schreibblockade leidet. Auf dem Weg zurück nach Europa lernt er die junge Lisa (Lisa Kreuzer) und deren 9 jährige Tochter Alice (Yella Rottländer) kennen. Philip willigt ein sich kurzzeitig um das Mädchen zu kümmern, doch schon bald wird klar, dass die Beiden auf längere Zeit miteinander verbunden sind und so reisen die Beiden quer durch Europa, auf der Suche nach der Großmutter von Alice.

„Alice in den Städten“ ist ein Film, anhand dem man wunderbar die Handschrift von Wenders deutlich machen kann. Sein Stil zeichnet sich in erster Linie durch eine unglaubliche Nähe zu den Figuren aus. Wenders verzichtet auf über-kandierte Stars und teure Locations, viel lieber porträtiert er den ganz normalen Menschen von der Straße. In seinen Werken geht es um Alltägliche Probleme, um die Bindung zwischen mehreren Menschen und um die Schönheit, aber auch die Tragik des Alltäglichen.


Weiter geht es mit „Der Amerikanische Freund“ aus dem Jahre 1977, dem einzigen Thriller in der Collection und einstiger Grund für eine Gesamt USK Freigabe ab 16 Jahren.

Der Film dreht sich zunächst um den Ganoven Tom Ripley (Dennis Hopper), der zusammen mit einem Kunstfälscher ahnungslose Käufer übers Ohr haut. Als ihm jedoch ein Job als Auftragsmörder angeboten wird, bekommt Tom kalte Füße und schickt stattdessen den kranken Maler Jonathan Zimmermann (Bruno Ganz) an die Front, da dieser das Geld dringend benötigen kann.

Ein Plan der zunächst aufgeht, denn niemand verdächtigt den scheinbar unschuldigen Maler, doch dann befindet sich Tom plötzlich selbst in der Schusslinie.

Die große Stärke von „Der Amerikanische Freund“ ist ganz klar die Zusammenarbeit von Dennis Hopper und Bruno Ganz, deren schräges Verhältnis mit nichts Gleichzusetzen ist, was man als normaler Film Fan aus dem Genre gewöhnt ist.


Es folgt ein beinahe Autobiographischer Film, denn in „Der Stand der Dinge“ verfolgt der Zuschauer ein Film Team in Portugal, bei dessen Dreharbeiten plötzlich der Film ausgeht und der Produzent wie vom Erdboden verschluckt scheint.

„Der Stand der Dinge“ spricht vor allem Film Nostalgiker an, da er Reihenweise Zitate aus Werken der 40er und 50er Jahre liefert, so dreht besagte Filmcrew unter anderem eine eigene Version des Klassikers „Die letzten Sieben“ von Roger Corman.


Parix, Texas“ wirkt zunächst wie eine verschrobene Komödie. Travis Henderson  (Harry Dean Stanton) stolpert eines Tages wie aus dem nichts in ein schäbiges Diners, seine Kleidung zerrissen und sein Gesicht ausgemergelt, es wirkt so, als sei er Monate, vielleicht sogar Jahre lang durch die Wüste geirrt, was sein besorgter Bruder Walt (Dean Stockwell) kurze Zeit später bestätigen kann, denn Travis verschwand vor 4 Jahren scheinbar spurlos. Während Travis stück für Stück wieder an die Zivilisation heran geführt wird und dabei eine zaghafte Verbindung zu seinem 8 Jahre altem Sohn, für den Travis ein völlig Fremder ist, aufbaut, entspinnen sich langsam die Hintergründe hinter seinem plötzlichen Verschwinden.

„Paris, Texas“ ist einer dieser Filme, deren Grundtenor auf etliche Arten interpretiert werden kann. Wenders nutzt den Aufhänger jedoch nicht um eine Groteske auf die Leinwand zu bringen, sondern viel mehr für ein gefühlvolles und anrührendes Familiendrama, welches wie so oft auf die leise Töne setzt und dabei doch mitten ins Herz trifft.


In „Der Himmel über Berlin“ widmet sich Wenders hingegen dem Reich des Mystischem, natürlich auf wie immer auf seine ganz eigene Art. Das Werk aus dem Jahre 1987 dreht sich um zwei Engel, Damiel (Bruno Ganz) und Cassiel (Otto Sander), die vom Himmel aus das Leben der Menschen in Berlin beobachten und über diese wachen. Doch Damiel verliebt sich in eine Frau und beschließt selber zum Menschen zu werden, eine folgenschwere Entscheidung.

Bis ans Ende der Welt“ aus dem Jahre 1991 beginnt hingegen erneut recht klassisch. Die junge Claire (Solveig Dommartin) befindet sich nach einem Autounfall plötzlich an der Seite gewiefter Bankräuber, die mit ihr nach Paris fliehen um dort die Beute sicher zu verstecken. Auf dem Weg dort hin treffen sie auf Sam (William Hurt), der sich auf der Flucht vor der CIA befindet, die ihn, laut eigener Aussage, fälschlicherweise Verdächtigen. Zusammen mit ihrem neuen Freund macht sich Claire auf die Flucht, doch schon bald werden die Beiden von den Bankräubern und dem CIA quer über den Globus gejagt.  

Auf dem Weg entspinnt sich plötzlich ein futuristischer Nebenstrang der eigentlichen Handlung, in dem die Arbeit von Sams Vater von entscheidender Bedeutung ist.

Glaubt man den Stimmen vieler Kinobesucher jener Zeit, so ließ sie „Bis ans Ende der Welt“ eher verwirrt zurück, da der Film mit seinem diversen Neben Handlungen, die nur schwer verständlich aufeinander aufbauen, auf den ersten Blick nicht sehr stringent wirkt. Dieser Umstand ist jedoch vor allem der Tatsache geschuldet, dass die Kinoversion nur eine Laufzeit von rund 160 Minuten hatte, was zwar eine durchaus beeindruckende Länge ist, jedoch bei weitem nicht an den Director's Cut heranreicht, der mit einer Laufzeit von 280 Minuten die 4,5 Stunden Marke knackt.

Kein Film den man mal eben nebenbei schauen kann, doch wenn man sich die passende Zeit nimmt und sich auf die Geschichte einlässt, dann entfaltet auch dieses Werk des Regisseurs seine ganz eigene Magie.

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