Bildnachweis: © All In Games, 505 Games, One More Level, Slipgate Ironworks

Videospiel "Ghostrunner" im Test

von Sebastian Stumbek

Story

Der Dharma-Turm – die letzte Bastion der Menschheit nach der Apokalypse – ist von Gewalt, Armut und Chaos geplagt. Als Ghostrunner wird man mitten in den Konflikt geworfen und muss seine einzigartige Verbindung zur Technologie nutzen, um den gewaltigen Überbau zu besteigen. Die Straßen dieser Turmstadt sind voller Gewalt. Mara, die Schlüsselmeisterin, regiert mit eiserner Faust und nimmt wenig Rücksicht auf menschliches Leben. Es gilt ihrer Tyrannei ein Ende zu setzen und Rache zu nehmen für das, was sie allen angetan hat. Ein letzter Versuch, die Dinge in Ordnung zu bringen, bevor die Menschheit ausstirbt.

Kritik

Wer sich für Cyberpunk begeistert, ganz im Stile eines Blade Runner oder Ghost in the Shell, fiebert gewiss CD Projekts Action-RPG Cyberpunk 2077 entgegen, das nach zahlreichen Verschiebungen endlich im Dezember 2020 erscheinen soll. Den Release des genreverwandten Ghostrunner Ende Oktober 2020 werden viele dagegen wohl gar nicht auf dem Schirm gehabt haben. Mit One More Level saß auch hier ein polnischer Entwickler dran und zaubert beinahe aus dem Nichts einen echten Spielehit aus dem Hut, der mit seiner rasanten Action vor schicker Kulisse zu begeistern weiß.

Ghostrunner spielt in einer düsteren Zukunft, in der von der Menschheit nicht mehr viel übrig ist. Da die Außenwelt nicht mehr bewohnbar ist, hat sich innerhalb eines Turms eine ganze Stadt entwickelt, in der sich die Überlebenden zusammengescharrt haben und in Armut verenden. Als kybernetisch verbesserter Widerstandskämpfer erklimmen wir die Spitze, um der verantwortlichen Person für all das Übel das Handwerk zu legen. Auch wenn wir während des Abenteuers nie auf NPCs treffen, stehen wir mit einigen stets in Funkkontakt, wodurch die gar nicht so uninteressante Handlung mitsamt moralischen Fragestellungen schön vorangetrieben wird. Irgendwo mag das Ganze zwar vorhersehbar ausgehen, und auch wenn man thematisch nie wirklich in die Tiefe geht, liefert Ghostrunner als Actioner in dieser Hinsicht doch mehr, als man es von solch einem Spiel erwarten würde.

Im Fokus steht allerdings die Action, die in Ghostrunner zweifelsohne nicht zu kurz kommt. In First-Person-Perspektive flitzen wir durch das dystopische Areal und absolvieren, ähnlich wie in einem Mirror's Edge, akrobatisch beeindruckende Geschicklichkeitseinlagen in Parkour-Manier, während wir schießwütige Soldaten mit unserem Katana im Nahkampf auseinandernehmen. Alles gleichzeitig und in hohem Tempo. Denn der Tod ist stets nah, wer einen einzigen Treffer kassiert oder sich einen Fehltritt erlaubt, für den ist der Spaß sofort wieder vorbei. Das kann unter Umständen auch in echten Frust ausarten, Ghostrunner ist nämlich ein überaus schweres Spiel, in dem wahnsinnig viele Tode auf einen warten. Checkpoints sind immerhin sehr fair gesetzt und Ladezeiten fallen kurz aus, sodass der nächste Versuch direkt vollzogen werden kann.

Wer ein wenig frustresistent ist und sich auf die Herausforderung einlässt, wird schon bald in einen faszinierenden Flow geraten, der einen nicht mehr so schnell loslässt. Man stelle sich ein typisches Scharmützel in etwa so vor: Mittels Wallruns flitzen wir über einen tiefen Abgrund auf einen Gegner zu, der uns bereits ins Visier genommen hat. Eine Kugel wehren wir mit unserem Katana ab, der anderen weichen wir in Zeitlupe mit einem Absprung aus. Wir landen neben unserem Feind, strecken wir ihn schnell nieder und flitzen direkt weiter, damit uns die Kugeln der anderen Gegner nicht erwischen. Mittels Greifhakens ziehen wir uns zum nächsten Vorsprung, rennen erneut an Wänden entlang, springen zwischen ihnen hin und her, schlittern durch enge Öffnungen, dashen Kugeln aus und schaffen es so womöglich unbeschadet zum nächsten Kontrahenten. Geht mindestens 20 Mal in die Hose, da man doch getroffen wurde oder irgendwo runterfällt. Aber wenn es dann endlich klappt, erfüllt einen die spektakuläre Actionsequenz definitiv mit Stolz. 

Gegner, Fallen und Hindernisse in der Umgebung werden mit der Zeit immer fieser, als Spieler bleibt man durchgehend gefordert. Haben wir es anfangs mit einfachen Soldaten zu tun, stoßen später Scharfschützen, Ninjas, Drohnen oder auch Kampfroboter hinzu, für die jeweils eine andere Taktik nötig ist. Fast schon absurd schwer fällt dabei manch Boss-Fight aus, wo es erst einmal herauszufinden gilt, wie man sein Gegenüber besiegt. Hier zeigen die Entwickler sich besonders kreativ in der Inszenierung. Damit all das gut zu bewältigen ist, ist in solch einem Geschicklichkeitsspiel vor allem eine eingängige, saubere Steuerung wichtig, die Ghostrunner glücklicherweise liefert. Nach kurzer Eingewöhnung dürfte man das Moveset beherrschen, um für alle Situationen gewappnet zu sein.

Im Laufe der Zeit schalten wir zusätzlich einige Implantate frei, die uns mit Spezialfähigkeiten versorgen. So können wir beispielsweise einen Machtstoß wirken oder kurzzeitig die Kontrolle eines Gegners übernehmen. Der Einsatz ist jedoch begrenzt und setzt genügend Fokus voraus, den wir für jeden Kill erst einmal gewinnen. Freischalten tun wir das Ganze während der gelegentlichen Abstecher im Cyberspace, wo ganz eigene Regeln für Raum und Zeit gelten. Hier haben wir es dann mal nicht mit Gegnern zu tun, sondern lösen zur Abwechslung kleine Puzzles und bestehen diverse Geschicklichkeitseinlagen. Sieht cool aus und macht Spaß. 

Ghostrunner ist generell ein sehr hübsch designtes Spiel, das den Cyberpunk-Flair wunderbar einfängt und dadurch sehr atmosphärisch wirkt, was vor allem in den Außenpassagen gelingt, in denen wir über die Neonlicht geflutete Stadt blicken. Auf der getesteten PS4 Pro läuft das Spiel zudem jederzeit flüssig, was bei dem hohen Tempo definitiv wichtig ist. Der gelungene Elektro-Soundtrack untermalt das Geschehen zudem auch akustisch wunderbar.

Fazit

"Ghostrunner" liefert rasante und höchst stylische Cyberpunk-Ninja-Action für frustresistente Spieler. Fehler werden hart bestraft, äußerste Präzision, Geschicklichkeit und Timing sind stets von Nöten. Das wird manch Casual Gamer sicherlich vor den Kopf stoßen. Wer die Herausforderung nicht scheut, darf sich über einen echten Überraschungshit in diesem Jahr freuen.

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