Story

Disco Elysium handelt von einem Detektiv, der in einem heruntergekommenen Küstenviertel mit heftigen Kopfschmerzen und nur noch wenigen Erinnerungsstücken aufwacht. Schnell stellt er fest, dass er in einem laufenden Mordfall ermittelt, der auch ohne den Gedächtnisverlust lauter Rätsel aufgibt.

Kritik

Als Disco Elysium im Herbst 2019 für den PC erschien, löste es regelrechte Begeisterung bei Spielern und der Presse aus, vielerorts war gar von einem der besten Rollenspiele der letzten Jahre oder auch aller Zeiten die Rede. Nun hat das Spiel aus dem Hause ZA/UM endlich den Sprung auf die Playstation geschafft und wird im Laufe des Jahres auch noch seinen Weg auf Xbox und Switch finden. Doch damit nicht genug: Die Konsolenveröffentlichung haben sich die Entwickler zum Anlass genommen, noch weiter an ihrem Meisterwerk zu tüfteln. Herausgekommen ist Disco Elysium: The Final Cut, eine verbesserte und auch erweiterte Version des Originals.

Bevor wir auf die Neuerungen zu sprechen kommen, werfen wir zunächst einen Blick auf das Spiel an sich. Disco Elysium ist zwar durch und durch ein Rollenspiel, macht aber dennoch einiges anders als klassische Vertreter des Genres. Das zeigt sich schon zu Beginn, wenn wir unseren Charakter individualisieren. Auch hier gibt es Attribute und Skills zu verteilen, jedoch nicht wie andernorts üblich für Geschicklichkeit, Stärke, Vitalität und Co., sondern für weitaus originelleren Dinge. 24 Skills gibt es insgesamt, die sich auf die Kategorien Intellekt, Psyche, Körperbau und Motorik verteilen. Darunter finden sich dann aufregende Fähigkeiten wie beispielsweise Logik, wodurch wir genaueste Analysen anzustellen und komplexe Zusammenhänge verstehen können, Rhetorik, wodurch wir zum Sprachgenie werden, Autorität, um andere Menschen einschüchtern oder Wahrnehmung, um unsere Sinnesorgane zu verfeinern. Im Laufe des Spiels steigern wir mit erhaltenen Erfahrungspunkten einzelne Fähigkeiten, doch die Wahl ist dabei gar nicht so einfach, da jede von ihnen absolut brauchbar ist und neue Wege ermöglicht. 

Was Disco Elysium ebenfalls von anderen Genrevertretern abgrenzt, ist der Umstand, dass es hier keinerlei Kämpfe gibt. Das Spiel arbeitet fast ausschließlich über Dialoge, die sich durch das ausgefeilte Skillsystem entsprechend anders gestalten. Wer einen intelligenten, logisch agierenden Charakter spielt, wird ganz andere Konversationen führen und andere Ereignisse auslösen als jemand, der eher körperbetont oder feinfühlig und sozial ist. Gespräche führen wir nicht nur mit unseren Mitmenschen, sondern auch zuhauf mit uns selbst. Denn jedes unserer 24 Skills äußert sich in unserem Kopf als eigenständige Persönlichkeit, die sich in passenden Situationen zuschaltet und uns in hoher Ausbaustufe hilfreiche Hinweise geben kann. Oder uns auch auf verstörende Weise verwirrt. Unser Verstand ist das reinste Chaos.

Wer Spaß an Disco Elysium haben will, muss auch unbedingt Lust auf ein dialoglastiges Spiel haben, das über eine Millionen Wörter umfasst. Im Final Cut kommen sogar noch mal weitere 150.000 hinzu, da ganz neue Quests und Charaktere hinzugefügt wurden, die das Spiel inhaltlich erweitern. Auch wenn man nicht alle Dialoge in einem Spieldurchlauf zu Gesicht bekommt, kann die Masse absolut erschlagend wirken. Gespräche fallen oftmals sehr umfangreich und tiefsinnig aus und splitten sich in etliche Unterthemen, die viel Konzentration und Geduld erfordern. Das ist gewiss nicht jedermanns Sache und sollte vorher unbedingt bedacht werden, um nicht durch eine falsche Erwartungshaltung gefrustet zu sein.

Doch sei an dieser Stelle gesagt, dass die Texte unglaublich gut geschrieben sind und großen Unterhaltungswert besitzen. Wer sich darauf einlässt, wird mit den wohl intelligentesten, durchgeknalltesten und originellsten Gesprächen belohnt, die es bislang in einem Spiel gegeben hat. Erinnerungen an das gute alte Planescape: Torment werden dabei wach. Hut ab vor den exzellenten Autoren! Im Final Cut ist nun auch endlich alles (auf Englisch) vertont, was der Atmosphäre sehr zugutekommt. Die Sprecher machen einen hervorragenden Job und hauchen den Charakteren viel Leben ein. Ebenfalls großartig, dass die Texte nun auch endlich ins Deutsche übersetzt wurden. Für das Original wären nämlich sehr gute Fremdsprachenkenntnisse nötig gewesen, was das heimische Publikum wohl etwas eingegrenzt hätte.

Die hier stattfindenden Gespräche sind nicht nur höchst amüsant und spannend zu verfolgen, sie geben uns auch jede Menge Spielraum, sie in gewünschte Richtungen zu lenken. Angelehnt an Tabletop-Rollenspiele wie Dungeons & Dragons werden dabei auch immer wieder bestimmte Ereignisse gewürfelt, die abhängig von unseren Skills neue Möglichkeiten freischalten, wenn wir erfolgreich sind. Doch selbst ein missglückter Würfelwurf kann zu herrlichen abgedrehten Situationen führen, die man nicht missen möchte.

Disco Elysium erzählt eine fesselnde Geschichte, die im Laufe der Zeit viele Wendungen nimmt. Besonders faszinierend fällt dabei unser Charakter aus, den man so schnell nicht vergessen wird. Wir spielen einen psychisch labilen, drogensüchtigen Alkoholiker, der in einem verwüsteten Hotelzimmer mit dem schlimmsten Kater seines Lebens erwacht. Wer oder wo wir sind, was geschehen ist und was und unsere Aufgabe ist, all das ist unserer Spielfigur genau so unklar wie uns selbst. Es stellt sich schnell heraus, dass wir als Detektiv in einem laufenden Mordfall ermitteln. Doch irgendwas ist dabei schiefgelaufen und nun ist das Gedächtnis weg. Jeder andere in der Umgebung scheint uns aber gut zu kennen und für ein riesen Arschloch zu halten. Verständlich, wie sich schnell herausstellt. Disco Elysium ist ein herrlich absurder Spaß, der nicht umsonst in naher Zukunft als Serie adaptiert werden soll.

Während wir mit unserem bald hinzugewonnenen Partner, der regelmäßig für zum Schreien komische Situationen gut ist, in einem Hafenviertel ermitteln, nehmen wir auch zahlreiche Nebenaufträge an, denen wir nach Wunsch nachgehen können. Dabei gibt es viel in der Welt zu entdecken und für erledigte Aufgaben Erfahrungspunkte zu sammeln. Wir finden dabei wichtige Ausrüstung und Items, lösen Rätsel und treffen Entscheidungen, die den weiteren Verlauf der Geschichte bestimmen. Wir stoßen auch bestimmte Gedankengänge an, die nach einiger Zeit dann unsere Charakterzüge ändern und Boni auf diverse Eigenschaften bringen. Auch die Gesinnung der NPCs kann sich je nach unserem Auftritt ändern. Ein vielfältiges Spiel, das uns beim Lösen unseres Falls jede Menge Freiheiten gibt.

Disco Elysium mag technisch nicht das aufwendigste Spiel sein, schaut vor seiner malerischen Kulisse, die wie ein Ölgemälde wirkt, aber wirklich hübsch aus. Der Final Cut läuft auf der getesteten Playstation 5 in angenehmer 4K-Auflösung und soll eigentlich 60 fps auf den Bildschirm zaubern. Letzteres trifft jedoch nicht ganz zu, Ruckler sind leider immer wieder beim Scrollen der Umgebung auszumachen. Während PC-Spieler noch mit der Maus gespielt haben, wird auf der Konsole nun per Gamepad gesteuert. Das ist leider nur mäßig gelungen, da die Wegfindung ziemlich fummelig ausfallen kann. Ebenso das Interagieren mit Objekten, die immer wieder mehrmals angewählt werden müssen, bis die Aktion ausgelöst wird. Das alles ist durchaus nervig und hätte etwas mehr Feinschliff vertragen können, ist aber verschmerzbar.

Ein ernstes Thema sind jedoch Bugs, die in der zum Testzeitpunkt gepatchten Version 1.2 zwar schon teilweise ausgemerzt wurden, jedoch noch weiterhin störend auftraten. Disco Elysium mag zwar weit entfernt sein von einem Desaster wie Cyberpunk, hat aber mit einigen potenziellen Gamebreakern zu kämpfen, die den Fortschritt behindern können. Durch mehrmaliges Neuladen konnten wir im Test vieles davon mit etwas Mühe umgehen und hatten in anderen Passagen zeitweise auch gar keine Probleme, abschließen ließ sich das Spiel dennoch nicht, da es ganz zum Schluss zu einer Sequenz kam, die sich jedes Mal aufgehangen hat. Den Entwicklern sind die Probleme bekannt, sie arbeiten nach eigener Aussage bereits an weiteren Patches. Und theoretisch sollte sich das alles auch schnell bereinigen lassen, da die meisten Probleme die gleiche Ursache zu haben scheinen, nämlich das Triggern eines nächsten Ereignisses innerhalb bestimmter Dialoge oder animierter Sequenzen. Es schmälern dennoch die Freude über ein eigentlich so hervorragendes Spiel, das einen technisch saubereren Release verdient hätte. 

Update, 13.4.2021: Patch 1.3 wurde nun für die Playstation released und scheint grobe Fehler beseitigt zu haben. Wir konnten das Spiel nun auch endlich ohne Probleme abschließen. Sehr schön!

Fazit

Das womöglich intelligenteste Rollenspiel, das je entwickelt wurde. Story, Charaktere und Dialoge sind schlichtweg großartig und reißen förmlich in den Bann. Dennoch ist "Disco Elysium" nicht für jedermann, denn die enorme Dialoglast kann schnell zu Frust führen, wenn man nicht der Typ dafür ist. Wer jedoch genau darauf Lust hat, wird auf bemerkenswerte Weise belohnt. Auf den ein oder anderen Patch sollte man aber ruhig noch warten, bis die derzeit noch bestehenden Probleme behoben sind.