Erwähnungen
The Knick- Staffel 1 - Kritik
Von siBBe in The Knick - Staffel 1 - Kritik
am Samstag, 19 September 2015, 18:42 Uhr
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Downtwon New York um 1900: Im Zentrum der Serie steht das Knickerbocker Hospital (kurz: The Knick), das vor großen finanziellen Problemen steht, da reiche Patienten ausbleiben. Der einzig verbliebene Chefarzt ist Dr. Thackery (Clive Owen), der zusammen mit Chirurgen, Schwestern und Pflegern das Krankenhaus und auch sich selbst vor dem Absturz zu bewahren sucht. Denn Dr. Thackery funktioniert nur auf Droge, er ist hochgradig kokainsüchtig. Nachdem auch noch sein Arbeitskollege und Mentor verstirbt, stellt ihm die einflussreiche Familie Robertson, die das Krankenhaus finanziert, Dr. Algernon Edwards als Stellvertreter zur Seite. Edwards mag zwar ein begnadeter Arzt sein, doch als Schwarzer findet er unter seinen Mitmenschen nur wenig Akzeptanz.
Mit "Side Effects – Tödliche Nebenwirkungen" verabschiedete sich Steven Soderbergh 2013 aus dem Filmbusiness. Im Anschluss drehte er zwar noch den mit 11 Emmys ausgezeichneten Film "Liberace - Zuviel des Guten ist wundervoll", jedoch nur noch für den Fernsehmarkt. Genervt von Hollywood widmete sich Soderbergh nun diversen anderen Projekten, bis er sich dazu entschied, auch weiterhin fürs Fernsehen tätig zu bleiben. Für den HBO Schwestersender Cinemax erschuf er so die 10-teilige Ärzteserie "The Knick", die er mit Clive Owen auch noch prominent besetzen konnte. Klingt nicht nur rein von der Konstellation der Beteiligten her interessant, "The Knick" ist tatsächlich ganz großes Kino inmitten der Fernsehlandschaft.
Ob Kaiserschnitt, Leistenbruch oder sonstige Wehwehchen, wir können uns glücklich schätzen, wie routiniert die meisten Behandlungen heutzutage im Krankenhaus vonstattengehen und wir nach unserer Narkose höchstwahrscheinlich auch wieder lebendig aufwachen. Das war früher noch anders, vor knapp 100 Jahren verliefen gesundheitliche Leiden, die für uns heute kaum der Rede wert sind, oftmals tödlich ab. Und zudem sehr blutig, schmutzig und grob praktiziert. Um 1900 war die Medizin im Umbruch, Patienten waren für praktizierende Ärzte Versuchskaninchen, an denen experimentiert wurde. Und ging der Eingriff schief und der Patient verstarb, war man als Leiche auch weiterhin heißbegehrt – für Ärzte, zum weiteren forschen oder für sonstige Beteiligte, um durch den Weiterverkauf schwarz ein wenig zusätzliches Geld zu verdienen. "The Knick" mag zwar eine Ärzteserie sein, doch wer an "Emergency Room", "Grey's Anatomy" und co. denkt hat von "The Knick" definitiv ein falsches Bild, die Serie reiht sich absolut gar nicht in dieselbe Sparte mit ein. Soderbergh versteht es meisterhaft, diverse Themen wie Rassenkonflikte, medizinische Fortschritte sowie Drogensucht aufzugreifen und in seine Handlung unterzubringen. Und dass medizinisch nicht irgend ein Schwachsinn aufgetischt wird, sondern tatsächlich diverse Behandlungsmethoden und Instrumente, welche um 1900 rum im praktischen Einsatz waren, macht das Ganze unglaublich interessant und auch schockierend, denn die Kamera hält schonungslos aufs blutige Geschehen, so dass man nicht selten zu schlucken hat.
Das Erzähltempo ist dabei insgesamt recht gelassen, "The Knick" ufert kaum in künstlich erzeugte dramaturgische Höhen oder Tiefen aus und arbeitet auch auf keine Cliffhanger hin, sondern erzählt seine Geschichte ganz nüchtern. An Spannung büst die Serie dadurch aber keinesfalls ein, dazu hat Soderbergh, der neben der Regie auch als Produzent, Regisseur, Kameramann und Editor tätig ist, einfach stets die Kontrolle über das Geschehen und schafft es vor allem stilistisch, in den Bann zu ziehen. Die eingefangenen Bilder sind düster und dreckig, sind durch den Einsatz von Fabfiltern und der gut gewählten Einstellungen sowohl faszinierend als auch schön anzusehen und werden durch den großartigen Elektro-Soundtrack von Cliff Martinez ("Spring Breakers", "Drive", "Traffic") gar hypnotisch.
Doch auch die Charaktere wissen zu faszinieren. Um Clive Owen ist es in den letzten Jahren etwas ruhiger geworden, in "The Knick" darf der Brite nun wieder richtig auftrumpfen. Er schafft es, den Chefarzt Dr. Thackery sowohl als Oberarschloch vom Dienst, als auch als genialen Mediziner und Forscher darzustellen, welchem man am liebsten die Hand reichen würde. Gern schaut man ihm über die Schulter bei seiner Arbeit, beim Versuch, das Krankenhaus am Leben zu halten sowie bei seinen Drogenexzessen, welche mehr und mehr eskalieren. Doch auch alle anderen Charaktere um ihn herum wissen zu überzeugen und große Neugierde zu wecken, sei es Schwester Harriet (Cara Seymour), welche sich eigentlich ganz Gott verschrieben hat, heimlich aber Frauen bei der Abtreibung von Kindern hilft und damit eine Todsünde begeht oder Dr. Algernon Edwards (André Holland), welcher als Mediziner dem Chefarzt Dr. Thackery mindestens ebenbürtig ist, als Schwarzer aber keine Chancen hat, als Arzt ernstgenommen zu werden und alles versucht, sich in einer rassistischen Gesellschaft durchzusetzen. Nebenbei gibt sich Herman Barrow (Jeremy Bobb), Leiter des Knickerbocker Hospital, alle Mühe, Geld für das Krankenhaus auszutreiben, nebenbei hat er aber schmutzige Geschäfte am laufen und bekommt es dabei auch mit der örtlichen Mafia zu tun. Viele kleine Nebenstränge, die sich harmonisch zu einem gelungenen Ganzen formen. Es sind keine einfachen Zeiten, nicht nur auf medizinischem Gebiet, sondern auch auf wirtschaftlichem und gesellschaftlichem. Und diese Umstände sorgen eben auch dafür, dass die Charaktere, trotz ihrer weißen Kittel, alles andere als eine strahlende Weste aufweisen.
Gute Nachrichten: Im Oktober geht es, zumindest in den USA, mit "The Knick" weiter, Cinemax hat dank des Erfolgs der Serie eine zweite Staffel mit weiteren 10 Folgen in Auftrag gegeben. Und auch hier sind Soderbergh und Owern wieder voll beteiligt, so dass man davon ausgehen kann, dass auch die zweite Staffel wieder von hoher Qualität sein wird. Davor gibt es hierzulande nochmal die Möglichkeit, sich die erste Staffel auf Blu-Ray oder DVD anzuschaffen. Zu haben ist die Serie bei uns seit dem 17. Dezember, neben einem glasklaren Bild (16:9 – 1.77:1) und hervorragendem Sound (Deutsch (DTS 5.1 Surround), Englisch (DTS-HD 5.1), Portugiesisch (DTS 2.0 Surround), Tschechisch (DTS 2.0 Surround), Französisch (DTS 5.1 Surround), Spanisch (DTS 5.1 Surround)) gibt es noch einen kleinen Blick hinter die Kulissen sowie Audiokommentare der Beteiligten.
Fazit: Inszenatorisch großartig, thematisch höchst interessant und atmosphärisch packend:
"The Knick" punktet gleich auf mehreren Gebieten und ist auch dank dem hervorragend agierenden Clive Owen ganz großes Kino in Serienform.
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