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The Get Down - Staffel 1, Teil 1 - Kritik

von Patrick Reinbott

Story

Im New York City des Jahres 1977 jagt die talentierte und mit Soul erfüllte Jugend der South Bronx mit neuen Beats Musikträumen hinterher und schreibt Geschichte.

Kritik

Eine Serie, die sich mit der Entstehung des Hip-Hop-Genres im New York der 70er-Jahre beschäftigt, mit Baz Luhrmann (Moulin Rouge) als kreativen Schöpfer. Für Musik- und natürlich speziell Hip-Hop-Fans hätten die Vorzeichen zur Netflix-Serie The Get Down eigentlich kaum besser stehen können. Und die Pilotfolge zeigt direkt, dass sich Luhrmann als Regisseur auch im Serienbereich keineswegs zurücknimmt und seinen gewohnten Stil in vollem Ausmaß zelebriert. Frei nach dem Motto "A Little Party Never Killed Nobody", an dem sich Luhrmann zuletzt auch schon bei seiner großartigen Adaption von Der große Gatsby orientierte, ist der 90-minütige Auftakt der Serie ein einziger Rausch. Der Regisseur reiht eine exzessive Montage an die nächste, springt in schwindelerregendem Tempo von Figur zu Figur und nimmt sich die Freiheit heraus, ungefähr alle 5-10 Minuten eine ausufernde, leidenschaftlich choreographierte Tanz-, Rap- oder Gesangseinlage zu inszenieren. 

Dass The Get Down mit üppigen 10 Millionen Dollar Budget pro Folge die bislang wohl teuerste Netflix-Produktion ist, sieht man ihr in beinahe jeder Szene an. Die Serie atmet das Lebens- und Zeitgefühl des New Yorks der 70er und lässt die damalige Bronx vor den Augen des Zuschauers authentisch wiederauferstehen, inklusive einiger augenzwinkernder Popkultur-Referenzen der damaligen Ära wie zum Beispiel der Kinostart des ersten Star Wars. Nach dem beeindruckenden Auftakt, der einen über 90 Minuten hinweg durchaus auch etwas auslaugt, macht sich allerdings überraschend schnell Ernüchterung breit. Luhrmann räumt schon nach der ersten Folge den Regiestuhl und macht den Weg für andere Regisseure frei. Die treten gehörig auf die Bremse, schrauben den Exzess ein ganzes Stück zurück und sind darum bemüht, den einzelnen Figuren und Handlungssträngen mehr Raum zur Entfaltung zu gewähren. 

The Get Down gerät dadurch zunehmend zu einem eher gewöhnlichen Period Piece, in dem versucht wird, die Entstehung einer ganzen musikalischen Bewegung, das Porträt einer Stadt und die Entwicklung einzelner Charaktere zu verbinden. Dabei treten allerdings immer stärker erzählerische Klischees oder gestelzte Dialoge in den Vordergrund, wodurch öfters das Gefühl entsteht, man schaut gerade eine großzügig budgetierte Soap, die hin und wieder noch von tollen Momenten in Form musikalischer Einlagen durchbrochen wird. 

Schauspielerisch ist die Serie überwiegend erstklassig besetzt. Der bisher eher unbekannte Jungdarsteller Justice Smith (Margos Spuren) ist als poetisch begabter Jugendlicher auf dem Weg zum Raptalent ein klarer Sympathieträger. Das romantische Verhältnis zwischen Ezekiel und Mylene, einem Mädchen mit puerto-ricanischen Wurzeln und einer wundervollen Gesangsstimme, ist ein rührender Faktor der Serie. Der Wunsch beider Figuren, es mit ihren Talenten zu etwas Größerem zu bringen und eventuell aus den ärmlichen Verhältnissen der Bronx ausbrechen zu können, ist der belebende Funke, welcher The Get Down mit Dynamik erfüllt. Eine große Überraschung im Cast ist aber vor allem Shameik Moore (Joyful Noise). Kannte man ihn zuletzt noch als sympathischen, drahtigen Nerd aus Dope, ist er hier als vorlauter, körperlich markanter Nachwuchs-DJ mit dem einprägsamen Namen "Shaolin Fantastic" zunächst kaum wiederzuerkennen und begeistert mit einer facettenreichen Leistung. 

Trotzdem reichen die Figuren alleine nicht aus, damit die zunehmend zerfaserten Handlungsstränge ein durchwegs überzeugendes Gesamtbild ergeben. Die Nebenhandlung rund um die politischen Aktivitäten von Mylenes Onkel "Papa Fuerte" wirkt beispielsweise zu bemüht und verträgt sich in ihrer um Realismus bemühten Authentizität kaum mit der fast schon künstlich überstilisierten Ästhetik der restlichen Geschichte. Das Elternhaus von Mylene, das durch einen strengen Pastorenvater geprägt ist, unter dem die Jugendliche regelmäßig zu leiden hat, ist ebenfalls zu arg aus der Trickkiste der Drama-Konventionen gegriffen und wirkt überholt. 

Da Baz Luhrmann das Produktionsbudget und vereinbarte Drehzeiten gnadenlos überstrapaziert hat, sind zunächst nur sechs der insgesamt zwölf Folgen der ersten Staffel auf einmal erschienen. Ob sich der Rest noch zu einem rundum gelungenen Gesamtkunstwerk formen kann, bleibt nach diesem ersten Eindruck eher skeptisch abzuwarten. Vielleicht hätte Luhrmann die Pilotfolge noch etwas ausstaffieren und alleinstehend als Film veröffentlichen sollen, denn der Auftakt ist ein energiegeladenes Meisterstück, dem die nachfolgenden Episoden trotz vereinzelter fantastischer Momente etwas mühsam hinterher hinken. Sobald sich die Figuren ganz in ihrer Leidenschaft verlieren und völlig der Musik hingeben, entstehen in The Get Down viele magische Momente, doch diese werden zu rar verstreut in einem ansonsten zu gewönhlichen Restmaterial, welches inhaltlich einfach noch sehr an konventionellem Fernsehen haftet.

Fazit

"The Get Down" hatte das Potential zu einem sicheren Hit, das die fantastische, elektrisierende Pilotfolge unter der Regie von Exzess-Virtuose Baz Luhrmann auch vollständig einlöst. Die restlichen Episoden dieser halben Staffel hinterlassen aber leider einen etwas ernüchternden Eindruck, denn der Tritt auf die Bremse und das Zurückfahren der rauschhaften Montage bringt Drama-Klischees, einige zähe Durststrecken und verschenkte Chancen zum Vorschein. Insgesamt bleibt der durchwachsene Eindruck zurück, dass trotz des überragenden Auftakts noch so viel mehr möglich gewesen wäre.

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