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SoundtracKritik - "Cowboy Bebop" by Yoko Kanno

Bristleback

Von Bristleback in SoundtracKritik: "Cowboy Bebop" by Yoko Kanno

SoundtracKritik - "Cowboy Bebop" by Yoko Kanno

An die Anime-Muffel unter euch möchte ich eine Entschuldigung aussprechen: Ich werde schon wieder über „Cowboy Bebop“ sprechen (ich kann nicht aufhören), doch vielleicht kann ich euch vom Weiterlesen überzeugen, wenn ich sage, dass es hier um MUSIC geht und nicht um seltsame, japanische Cartoons. Nein? Okay, schade. Eines Tages kriege ich euch auch noch.

Ich nehme an alle, die noch da sind haben den einen oder anderen Anime in ihrem Leben gesehen („Dragon Ball“ gilt nicht). Und ein paar unter euch haben vielleicht sogar von diesem Anime namens „Cowboy Bebop“ (1998) gehört, bevor ich es eben (oder die unzähligen Male zuvor auf unserer Seite) erwähnte. Über „Cowboy Bebop“ werde ich heute nicht sprechen. Heute geht’s nicht darum, wie es die Definition von „cool“ ist und wie es '98 das Storytelling im Anime-Genre revolutionierte. Wie es Film-Noir, Independent-Kino, Sci-Fi und Western zu einem einzigartigen Feuerwerk des Genre-Clashs vereinte, erzähle ich vielleicht ein anderes Mal. Und wie es nicht ungleich einem Tarantino eine ganze Generation von Copycats hervorbrachte oder wie es der perfekte erste Anime für Anime-Muffel ist (*hust*) ist wohl ein Text für einen anderen Tag.

Heute geht’s um MUSIC, bruh. Genauer, um den Soundtrack.

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Denn obwohl „Cowboy Bebop“ in der Anime-Community größtenteils als das Meisterwerk bewundert wird, das es ist, erhält der Soundtrack, trotz preisender Worte, nie die gleiche, analytische Aufmerksamkeit, wie die Serie selbst. Tja, nicht mit mir.

Ich denke, wir alle haben diese eine Playlist, wo wir einfach alles reinwerfen, was wir gerade gut finden und alle paar Monate mal ausmisten. Die grandiosesten Soundtracks, von „Pulp Fiction“, über „Guardians of the Galaxy“ bis hin zur Hip-Hop-Hymne in „8 Mile“, fanden ihren Weg in und auch wieder aus meiner Playlist. Irgendwann erreicht man diesen Moment, wenn man sofort auf Skip drückt, sobald der Song im Shuffle auftaucht. Dafür muss man sich nicht schämen, denn obwohl der Mensch ein Gewohnheitstier ist, ist Abwechslung Pflicht, ansonsten reduziert sich die musikalische Exzellenz mit jedem Anhören immer mehr zur Norm. Doch es gibt Songs, die ich so gut wie nie skippe und seit Jahren in dieser Playlist rumlungern. „Wasted Years“ von Iron Maiden, David Bowie's „The Man Who Sold The World“, Weezer's „Say It Ain't So“, Radiohead's „Creep“, Eminem's „Lose Yourself“ … und etwa ein Dutzend Tracks aus dem „Cowboy Bebop“ OST.

Hinter der Musik in „Cowboy Bebop“ steht eine japanische Komponistin, Yoko Kanno, die '94 bzw. '96 mit den Mecha-Animes „Macross Plus“ und „The Vision of Escaflowne“ einen Namen für sich machte, schon aber seit '85 die Musik zahlreicher Videospiele komponierte. Mit einer ungewöhnlichen Kombination aus Breakbeat, Orchestra, Techno und African Tribal demonstrierte Kanno bereits in „Macross Plus“ ihre Fähigkeit zahlreiche, auf dem ersten Blick unpassende Genres nicht nur erfolgreich zu kombinieren, sondern aus diesem Genre-Potpourri sogar ihren eigenen, einzigartigen Stil zu extrahieren. Ein Talent, welches sie seit „Macross Plus“ in Serien, wie „Ghost in the Shell: Stand Alone Complex“, „Wolf's Rain“, „Terror in Resonance“ und „Space Dandy“ nahezu perfektionierte. Doch „Cowboy Bebop“ sticht sogar aus dieser Erfolgsbilanz heraus.

Dass „Cowboy Bebop“ es schafft sich von Kannos ohnehin schon brillanter Diskographie abzusetzen, mag daran liegen, dass der Stil von „Cowboy Bebop“ bei Kanno selbst voll den Nerv getroffen hatte. In einem interessanten Interview mit Red Bull Music Academy in 2014 erklärte Yoko Kanno, dass die Saat für den „Cowboy Bebop“ OST bereits während ihrer Schulzeit in der Mittelstufe gesät wurde.

„Ich weiß nicht, wie es heutzutage ist, aber damals wurden den Kindern nur Lieder beigebracht, die überhaupt nicht cool waren, also habe ich meine eigenen Lieder geschrieben und gesungen. Aber ein Teil von mir war immer frustriert, weil alle sich damit zufrieden gaben uncoole Musik zu spielen. Ich wollte Blasmusik spielen, die deine Seele erschütterte, dein Blut zum Kochen brachte und dich durchdrehen ließ.“, so Kanno. Entscheidet selbst, ob das Opening Theme „Tank!“ eure Seele erschüttert, euer Blut zum Kochen bringt und euch ausflippen lässt. 


Auf einem Roadtrip quer durch die USA zu ihrer Studienzeit, studierte Kanno die Straßenmusik in den verschiedensten Städten, stets fasziniert davon, wie sich die Straßenmusik änderte, je weiter sie von West nach Ost ging. "Da war eine Person auf einer Straße in Los Angeles, die ein Banjo spielte, was ich cool fand. Je weiter ich jedoch ostwärts ging erkraftete auch der Groove der Straßenmusikanten. High-School-Schüler, die fantastischen Funk auf einer kleinen Trommel spielten. Erst durch diese Reise lernte ich, wie nuanciert die Unterschiede im Stil sein können, selbst wenn es das gleiche Genre ist.", so Kanno. "Ich lernte, dass der Beat eine Sprache für sich ist."

Kanno komponierte die Musik aller Serien des „Cowboy Bebop“-Schöpfers Shinichiro Watanabe (außer „Samurai Champloo“, welches auch ohne Kanno einen hervorragenden Hip-Hop-Soundtrack spendiert bekam). Der Soundtrack ihrer letzten Kollaboration „Terror in Resonance“ (2014) wurde wegen starken Einflüssen isländischer Volksmusik gleich in Island aufgenommen, in England gemischt und in New York aufpoliert und auch Watanabe selbst zeichnet ein Bild der medienscheuen und zurückgezogen lebenden Yoko Kanno, das von ihrer Eigeninitiative und Hingabe an ihren Beruf keinen Zweifel lässt.

„Lasst mich zunächst erwähnen, dass sie nie die Musik komponiert, die ich von ihr verlange.“, scherzte Watanabe auf der Otakon in Baltimore im Jahr 2013 auf die Frage, wie sich die Zusammenarbeit mit Kanno gestaltet. „Sie sucht sich ihre eigene Inspiration, folgt ihrer eigenen Vision und kommt dann zu mir und beschließt eigenständig, dass dies die Musik sei, die wir für "Cowboy Bebop" brauchen und komponiert alle Stücke eigenständig. Es gab Fälle, in denen ich diese Songs hörte, die sie für 'Bebop' schrieb und sie als Inspiration für neue Szenen verwendete, wobei diese neuen Szenen ihr wiederum Ideen für mehr Songs lieferten. In der zweiten Hälfte der Serie gibt es einige Songs, worum wir sie nicht mal gebeten hatten. Sie hat sie einfach eigenständig geschrieben und sie uns in die Hände gedrückt.“, so Watanabe. „Normalerweise wäre das unverzeihlich, aber im Falle von "Cowboy Bebop" entpuppte sich es als großer Hit. Hakuna Matata! Es war ein ständiges Hin und Her zwischen uns, sodass die Serie und die Musik parallel kreiert wurden und sich gegenseitig beeinflussten.“

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Nicht nur in Animes, sondern auch in Hollywood, wird oft von einem „guten“ Soundtrack gesprochen, wenn dieser qualitativ hochwertig ausfällt, das Geschehen passend unterstreicht, ohne sich in den Vordergrund zu drängen. Kanno und Watanabe gaben sich damit nicht zufrieden. In „Cowboy Bebop“ wird die Musik zu einem fundamentalen Teil der Identität der Serie befördert, sodass jede Episode als „Session“ bezeichnet wird und eine Musikreferenz als Titel dient (Episode 14 trägt den Titel „Bohemian Rhapsody“, Episode 06 heißt „Sympathy For The Devil“, etc). Das "Bebop" im Namen der Serie ist natürlich ein aufbrausendes und adrenalingeladenes Subgenre des Jazz aus den 40ern, als welches auch das Opening Theme "Tank!" kategorisiert werden kann. Die Musik beeindruckt in den essenziellsten Szenen mit einer solch prägnanten Präsenz, dass sie wie ein zusätzlicher Charakter im Raum wirkt. Episode 5 („Ballad of Fallen Angels“) hätte nicht ansatzweise die gleiche Wirkung ohne den lieblich-anmutenden und doch melancholischen Track „Green Bird“. Nie hätte die erste Episode ohne die geschmeidige und einfach nur fucking saucoole Jazz-Nummer „Rush“ den Zuschauer packen können. Und kein Song hätte jede Folge besser abschließen können, als „The Real Folk Blues“. Der „Cowboy Bebop“ OST ist vielseitig, locker und spontan, genau wie die Handlung, die Charaktere und der Stil der Serie selbst. Ich erwähnte, dass „Cowboy Bebop“ aus Kannos Diskographie heraussticht, was daran liegt, dass Regisseur Watanabes Stil sich wie eine Schablone auf die von Yoko Kanno legen lässt, insofern dass beide es lieben dem Zuschauer einen Eintopf zu präsentieren. Watanabe vereint in „Cowboy Bebop“ die unterschiedlichsten Filmgenres mit den scheinbar wahllosesten Filmreferenzen und obskursten Charakteren, während Kanno alle Musikgenres zu einem Mischmasch verührt. Sowohl Kanno als auch Watanabe verhindern trotz diesem Mix-Exzess eine Verschlammung des Stils, ganz im Gegenteil, sie kreieren etwas noch nie dagewesenes. Kanno und Watanabe sind einhundert Prozent „drift compatible“ und das merkt man daran, wie flüssig Animation und Musik ineinander übergehen und sich gegenseitig vervollständigen.

Yoko Kanno komponierte den Soundtrack zu „Cowboy Bebop“ mit ihrer Ensemble-Band „The Seatbelts“, die sie als Bandleaderin anführte. „The Seatbelts“ vereinte Musiker aus Japan, New York und Paris und gemeinsam spielten sie eine endlose Palette an Musikrichtungen, wie Blues, Country, Electronic, Funk, Hard Rock, Hip-Hop, Samba, Classic, Pop, Bossa Nova und natürlich Jazz, nur um ein paar Beispiele zu nennen. Eindeutig ist zu erkennen, dass sowohl alle Mitglieder der Seatbelts, als auch Kanno selbst keinem Genre diskriminierend gegenüberstehen, sei es noch so abstrus und alle Musikrichtungen respektieren und wertschätzen. Der Grund, weshalb „Cowboy Bebop“ immer noch, sechs Jahre nachdem ich diese Serie zum ersten Mal sah, in meiner „Höre ich ständig“-Playlist rumlungert, ist, weil der Soundtrack selbst wie eine Playlist klingt, die im Shuffle-Modus rauf und runter läuft – eine „Best of“-Platte, die alle Ecken des Mediums der Musik repräsentiert.


Cowboy Bebop“ erschien '98 und fast 20 Jahre später zieht die Musik Menschen in ihren Bann, ob Anime-, TV-, Zeichentrick-, Film-Fan oder nicht. Selbst von Leuten, die mit dieser Serie nichts anfangen konnten, als einzigartig und „fucking perfect“ bezeichnet, machte sich Yoko Kanno mit ihrer Arbeit an „Cowboy Bebop“ unsterblich. Nicht umsonst hat sich der Satz „Yoko Kanno is a genius“ in viele Internet-Foren gebrannt. Die mittlerweile 51-Jährige herrscht über das Reich der Anime-Musik und ist auf dem Level eines Miles Davis, wenn es um Erkennbarkeit geht. Wenn Yoko Kanno's Musik zu hören ist, weiß man, dass es Yoko Kanno ist. Die Musik in „Cowboy Bebop“ ist so essenziell, dass ich mir „Cowboy Bebop“ ohne „Tank!“ genauso wenig vorstellen kann, wie „The Big Lebowski“ ohne „Hotel California“, „Reservoir Dogs“ ohne „Stuck In The Middle With You“, „8 Mile“ ohne „Lose Yourself“ oder „Ghostbusters“ ohne Ray Parker Jr. Gemeinsam bilden diese beiden Entitäten mit "Cowboy Bebop" einen zeitlosen Pop-Culture-Juggernaut, der selbst zwei Jahrzehnte später, v.a. musikalisch, nichts von seinem Glanz verloren hat.

Alle Soundtracks, die je für "Cowboy Bebop" und den Kinofilm "Cowboy Bebop: Knockin' on Heavens Door" erschienen sind, sind insgesamt über sechs Stunden lang, weshalb ich alle guten Tracks versammelt habe. Hört ruhig mal rein. Auf Seite 2.

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