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"Night finds you"

Aurea

Von Aurea in Moviebreak geht unter die Detektive: True Detective Staffel 2.2

"Night finds you" Bildnachweis: © HBO

Die aktuelle Folge „True Detective“ endete, in jeder erdenklichen Weise, mit einem Knall. Zwar stehen alle Zeichen auf Wiederkehr, doch ein Cliffhanger dieser Qualität ist schon eine Nummer für sich. 

Die Rede ist natürlich vom scheinbaren Ableben von Ray Velcoro. Da genug Grund besteht, dieses tatsächlich zu glauben gehe ich jetzt einfach mal davon aus, dass wir ihn nächste Woche mehr oder weniger wohlbehalten wiedersehen werden. Denn die Idee, Colin Farrell nur für zwei Episoden zu verpflichten und dann damit groß zu werben, die gefällt mir gar nicht. Denn in vielerlei Hinsicht ist es sein Charakter, der diese Staffel mit Leben füllt. Sicher, die nächtliche Aktion auf dem Rasen war ein wenig übertrieben, aber sie bot eine willkommene Abwechslung zum eher lethargischen Ton der restlichen Episode. Und auch in dieser Episode hatte er wieder seine kleinen Momente, doch er schafft es mühelos, den darunter liegenden und leidenden Menschen ebenso zu erfassen.

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© HBO

In der zweiten Episode kommen dann auch das erste Mal Zweifel der Beteiligten auf. Soll dieser Mordfall überhaupt gelöst werden? Dass alle unterschiedliche Interessen verfolgen trägt zur Spannung zwischen den Figuren bei. Herunterbrechen lässt sich das folgendermaßen: Der Staat überprüft die Ereignisse in Vinci, deswegen sind unsere drei Polizisten mit dem Mordfall betraut worden, obwohl kein einziger von ihnen im Bereich Tötungsdelikte arbeitet. Darüber hinaus soll sich natürlich gegenseitig ausspioniert werden. Velcoro spioniert für Vinci, Bezzerides und Woodrugh für den Staat. Velcoro hat darüber hinaus Semyon im Nacken sitzen, der zu gerne wissen möchte wieso sein potentieller Geschäftspartner mit weggeätzten Augen und weggeballerten Genitalien aufgefunden wurde. Hier zeichnet sich ein weiterer Unterschied zur ersten Staffel ab: wir kriegen tatsächlich mal so richtig Polizeiarbeit zu sehen und nicht nur zwei Personen, die in mehreren Zeitebenen einen Fall scheinbar nebenbei lösen, während sie philosophische Gespräche führen. Dieser Staffel tut das außerordentlich gut, denn so haben wir wirklich einen Fall, den wir mitverfolgen können. Der Fokus erweitert sich, und das ist in jedem Fall eine Verbesserung. 

Die Chemie zwischen Bezzerides und Velcoro empfinde ich hierbei als besonders stimmig. Beide schätzen sich zunächst aus der Distanz ab, und es ist klar dass sie sich nicht unbedingt mögen. Doch der Mordfall will gelöst werden, und so werden persönliche Abneigungen hinten angestellt. Rachel McAdams bringt ihr bestes Können mit in diese Produktion, und zumindest ich bin davon mächtig überrascht. Aber ich kenne sie bisher auch nur aus eher seichten Liebesfilmchen. Colin Farrell ist eh über jeden Zweifel erhaben. Doch das solide Spiel dieser beiden wirft seinen Schatten über die anderen Beteiligten. Wenn Taylor Kitsch in seiner Rolle nichts weiter will als wieder auf seinem Motorrad zu sitzen, dann schleicht sich schnell mal der fiese Gedanke ein, dass er mit allem anderen ja auch überfordert sei. Dass sämtliche Figuren mit dem, was ihnen vorgesetzt wird, überfordert sind wirkt in diesem Kontext direkt doppelt komisch. Kitsch spricht wenig, und er ist meistens von den anderen isoliert, was auch nicht sonderlich hilfreich ist. Dass er mit der abgenutzten Trope des Mannes, der schwul ist und sich dies nicht eingestehen will beschrieben wird, tut ebenfalls nicht gut. Er reiht sich somit in die Gruppe der Figuren ein, die zu oberflächlich charakterisiert werden. Inwieweit man ihm das allein anlasten kann ist diskussionswürdig, bisher gibt ihm die Serie jedenfalls nicht viel zu tun. 

Und auch Vince Vaughn, so gerne ich ihn in sämtlichen Rollen sehe, kämpft in dieser Woche. Ihm gehört der Auftakt der Folge, und die Kamera- und Schnittarbeit ist wirklich herausragend. Seine Augen liegen im Bild an der gleichen Stelle wie die Wasserflecken an der Wand, und später dann an der gleichen Stelle wie die herausgeätzten Augen von Caspere. Die Überblendung ist nahtlos, und sie ist effektiv. Auch seine Geschichte, wie er als kleiner Junge im Keller eingesperrt wurde, von seinem Vater vergessen wurde und schließlich von Ratten angeknabbert wurde, hat sämtliches Potential um den Zuschauer runterzuziehen. Und doch fehlt die Ernsthaftigkeit, die Eindringlichkeit. Als Semyon später einen anderen Mann am Straßenrand bedroht ist Vince Vaughn hingegen voll in seinem Element. Man wird wohl auf weitere Folgen warten müssen um zu sehen, wie er sich im Gesamteindruck macht. Die physische Präsenz ist auf jeden Fall vorhanden, doch die Dialoge, die überfordern zumindest zum jetzigen Zeitpunkt. Vaughn schafft es nicht immer, sich diese zu eigen zu machen. Um aber fair zu sein: Nic Pizzolattos Art zu schreiben dürfte nicht wenige Schauspieler überfordern.

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© HBO

Nach zwei Episoden scheint das größte Problem dieser Staffel darin zu liegen, dass zu viel unter einen Hut gebracht werden muss. Zu viele Hauptfiguren, denen zwei bis drei Minuten Screentime zuteilwerden bevor gewechselt wird. Manche Dialoge sind furchtbar hölzern und kommen gestelzt daher, einige Figuren grenzen bisweilen ans Lächerliche. Ein Arzt der seine Sonnenbrille im Haus trägt? Ein Gangster, dessen vergoldete Zähne ein freundliches „Fuck You“ eingraviert haben? Von den Politikern und dem Polizeichef mit Alkoholproblem will ich gar nicht anfangen. Kalifornien ist ein Ort voller Verrückter, und unsere Protagonisten stecken mitten drin.

Dazwischen findet man wichtige Momente, die emotionale Schwerstarbeit von den Figuren verlangen. So ist „Night finds you“ dann am besten, wenn die Referenzen an Staffel eins am deutlichsten sind: beim Gespräch im Auto zwischen Velcoro und Bezzerides, und beim Zusammenstellen des Profils für den Mordfall. Und wenn Hintergrundgeschichten für die Protagonisten erzählt werden. So überfordert mir Taylor Kitsch scheint, seine im Trailer Park hausende, von Clint Eastwood besessene Mutter spricht Bände über seine Kindheit. 

Am Ende der Folge darf sich Justin Lin dann zum Abschied so richtig austoben. Die Kamera verfolgt Velcoro in das Innere des Hauses, bleibt dicht an ihm dran. Die Beleuchtung ist meisterhaft gelungen, die Szene tropft aus jeder Pore vor lauter Suspense. An der Wand sind Trophäen aufgereiht, das Radio läuft. Die Wände sind schalldicht, eine Kamera ist auf eine Sexschaukel gerichtet. Doch eine der Trophäen fehlt. Velcoro bemerkt dies, doch es ist zu spät: ein Mensch mit einer Vogelmaske hat sich an ihn herangeschlichen. Auf Bodenniveau zieht die Kamera heraus, wenn Velcoro, am Boden liegend, die zweite Runde Munition in den Oberkörper kassiert. Ein mutiger Cliffhanger, keine Frage.

Reden wir noch ein bisschen darüber ob es sinnvoll wäre, ihn nun sterben zu lassen. Als das Casting für Season 2 losging wurden sämtliche Vorgänge mit Argusaugen von den Fans überwacht. Nun ist nicht jeder ein Fan von Colin Farrell, aber einen solchen Namen an Bord zu holen, um ihn dann nach zwei Folgen über den Jordan gehen zu lassen? Schwierig. Andererseits wäre es wirklich die perfekte Falle. Prinzipiell erwarten die meisten von uns nun wohl, dass Ray erkennt dass er auf einem falschen Weg unterwegs ist, sich im Verlauf der Staffel bessern wird und am Ende wenigstens ansatzweise geläutert dastehen wird. Die ersten beiden Folgen brachten für ihn Konflikte mit beinahe jeder anderen Figur. Sein Sohn hat Angst vor ihm, seine Exfrau mag ich nicht. Seine Kollegen respektieren ihn kaum, Semyon nutzt ihn aus. Vielleicht wären alle besser dran, wenn Ray nicht da wäre. Soll dass unsere Lektion aus dem Angriff sein? Und könnten die anderen seine Fußstapfen füllen? Klar, kaputt sind sie alle, jeder auf seine Art. Aber Velcoro war bisher für mich die interessanteste Figur, jedenfalls was die innere Zerstörung angeht. Sein Ableben würde potentiell auch mehr Screentime für Semyon und Woodrugh bedeuten, und ich bin mir nicht sicher ob das eine gute Idee wäre.

Natürlich bleiben aber auch tausend Möglichkeiten, wie man sowas überleben kann. Traumsequenz? Falsche Munition? Absichtlich inszenierter Mord, weil er ja aus seinem Leben ausbrechen will? Wir werden es nächste Woche erfahren. Bis dahin lässt sich festhalten, dass Staffel zwei langsam in die Gänge kommt, und das ist immerhin ein gutes Zeichen.

  • Gaststars und Neuzugänge in dieser Woche: Rick Springfield, Abigail Spencer, Michael Hyatt, C.S. Lee, Yara Martinez, Lolita Davidovich, James Frain

  • Die Sängerin in der Bar ist Lera Lynn.

  • Die Puppe in der Milchschale war diesmal nicht zu sehen. Wurden wir reingelegt?

  • In der Bar, die Velcoro und Semyon so gerne aufsuchen hängt Werbung für das „Lone Star“ Bier. Das kann man zwar in Kalifornien finden, aber recht selten. Ein netter kleiner Hinweis auf Staffel 1?

  • Der Ray der Woche: "It got a little too close to sucking a robot's dick."

  • "Well, just so you know, I support feminism; mostly by having body image issues.". Staffel 1 litt extrem unter schlecht geschriebenen Frauenfiguren. Entweder waren sie nett anzusehen, dafür da die Geschichten der Männer voranzubringen oder eine Mischung aus beidem. In diesem Licht wirkt Rays Aussage ein wenig seltsam, denn die gut gemeinte Positionierung wird durch den nachfolgenden Witz direkt wieder ins Lächerliche gezogen.

  • Der neue, wöchentliche Award für passiv-agressives Ärschetreten geht an Ani Bezzerides. Erst starrt sie den schrägen Arzt mit seinem Vagina-lastigen Bürotisch gekonnt nieder, dann raucht sie eine verdammte E-Zigarette ohne dabei auszusehen wie ein Trottel. Außerdem bin ich mir sicher dass sie all diese Messer nicht brauchen würde, weil ihr Blick allein so bedrohlich ist dass niemand gegen sie antreten wollen würde. Kurzum, ich liebe sie. Akzentuierte One-liner, die sie absolut für die Nachfolge von Matthew McConaughey qualifizieren, sind die Kirsche auf dem Sahnehäubchen. 

  • Jemand hat sich die Mühe gemacht den Song des Intros der ersten Staffel über das aktuelle Intro zu legen. Wie gefällt es euch?



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