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"Gomorrha" - Staffel 3 - Kritik

Stu

Von Stu in "Gomorrha" - Staffel 3 - Kritik

"Gomorrha" - Staffel 3 - Kritik Bildnachweis: © Polyband/WVG/Sky

Hinweis: Diese Kritik spoilert wichtige Ereignisse der ersten beiden Staffeln. Wer diese nicht gesehen hat, sollte dies nachholen, denn sie sind großartig.

Story

Die Karten in Scampia, Neapel werden neu gemischt. Gennaro Savastano besteigt den Thron, Ciro kehrt aus dem selbst erwählten Exil zurück und alte wie neue Feinde sowie Verbündete formieren sich, damit der Kampf um die Macht weitergehen kann.

Kritik

Der goldene Sarg wird durch die graue Tristesse der Straßen getragen. Menschen folgen ihm, drücken Handküsse gegen das Glas und die aufwendigen Schmückungen des Todeszuges kontrastrieren sich mit der erbärmlichen Monotonie der Gebäudeschluchten. Der Beginn der dritten Staffel bringt die Differenz zwischen romantisiertem Mafia-Märchen und bitterer Realität bildlich (mal wieder) auf den Punkt und schließt ein wichtiges Kapitel der ersten beiden Staffeln ab. Denn im Sarg liegt Don Pietro Savastano (Fortunato Cerlino, Auf kurze Distanz). Er wurde ermordet von Ciro (Marco D’Amore, Love Is All You Need), seinem ehemaligen Elite-Soldaten, und verraten von seinem eigenen Sohn Gennaro (Salvatore Esposito, They call me Jeeg Robot).

Familie ist das Wichtigste“ wurde Gennaro immer wieder eingepflanzt. Ein Motto, dem er auch weiterhin folgt. Familie heißt bei Gomorrha- Die Serie aber auch immer Kapital und Macht. Auch wenn Gennaro gewiss noch andere Gründe hätte, seinen Vater in den sicheren Tod zu schicken, so war sein Hauptantrieb doch dass er endlich an der Spitze seines Clans stehen wollte, zusammen mit seiner Frau und seinem Neugeborenen, den er Pietro getauft hat. Wirklich losreißen kann sich Gennaro also nicht, der zu Beginn der Serie noch als Hasenfuß porträtiert wurde, bis ihn seine Eltern zur Abhärtung ins Ausland schickten. Es half, aus dem sensiblen, jungen Mann kam ein eiskalt taktierende Panzer zurück. Sein Vater war voller Stolz, jetzt liegt er mit einer Kugel im Kopf in einem goldenen Sarg. Ein Banner seines Gesichts, das über die kantigen Balkone der Stadt gezogen wurde, ist das Letzte, was man von ihm sehen wird.© Polyband/WVG/Sky

Mit Gennaro an der Spitze des Savastano-Clans kommen auch einige Veränderungen, die viele seiner Konkurrenten auch als Schwäche deuten. Doch der junge Mann, mit dem bulligen Äußeren, ist clever. Er hat verstanden dass in Italien der meiste Profit nicht mit Drogen oder Immobilien zu machen ist, sondern mit der Armut der Leute. Damit beweist die Serie, dass sich immer noch am gesellschaftlichen wie aktuellen Puls Italiens beheimatet ist. Über 8 Millionen Italiener leben in Armut. So entwirft Gennaro ein lukratives System, dass den Leuten Arbeit bringt, aus ihnen letztlich aber nur kostengünstige Zwangsarbeiter macht, die dafür sorgen, dass die Tresore der Savastano immer voller werden.

Dies ist aber nur ein Puzzleteil der dritten Staffel, die sich durchaus von den Vorgängern abhebt. Die Serie muss einfach nicht mehr wirklich erklären, wie das System Scampia funktioniert. Das haben die Macher bereits in den vorangegangen 24 Episoden getan und dies äußerst gut und erfolgreich. Staffel 3 wirkt nun ein wenig wie ein Test. Das Publikum wird abgefragt. Das klingt didaktisch, erweist sich aber als überaus fesselnd, auch weil der Handlungsverlauf absolut packend ist.

Denn natürlich herrscht mit Gennaro auf dem Thron keine Ruhe. Es gibt Neider und Intriganten, Nutznießer und neue Komplizen. Einer davon ist Enzo (Arturo Muselli, Die Folgen der Liebe), genannt der Hochwohlgeborene. Seine Familie war mal eine Größe in der Stadt, bis die Oberen an tödliches Machtwort sprachen. Nun fährt Enzo auf seinem Motorroller, umgeben von seiner Band, durch die Straßen, verkauft Drogen, träumt vom großen Aufstieg und zelebriert den Hass gegenüber denjenigen, die dafür verantwortlich waren, dass seine Familie den großen Wohlstand und die Ehre verlor.

Ja, Ehre ist und bleibt ein großes Thema. Aber wie keine andere Serie oder Film zur Mafia-Thematik, macht Gomorrha rabiat klar, dass Ehre im Prinzip wertlos ist. Im Grunde ist es ein anderes Wort für verletzten Stolz und einen emotional intelligenten Umgang damit. Die Ehre wird auch in der dritten Staffel vielen Menschen das Leben kosten. Genau wie die Auflehnung gegen das System. Die Serie bleibt also pessimistisch.© Polyband/WVG/Sky

Wer die Sinnlosigkeit von Ehre erkannt hat ist Ciro. Nach dem er seine eigene Frau erdrosselte, weil sie mit den Regeln der Mafia nicht zurecht kam, und er auch noch seine Tochter verlor, hat er sich nun, nach seiner tödliche Rache an Don Pietro Savastano nach Bulgaieren abgesetzt. Noch immer arbeitet er für Gangster – er ist ja schließlich selbst einer. Doch etwas ist anders. Moral hat sich leise und sanft in sein Wesen geschlichen. Er tut immer noch Dinge von abscheulicher Grausamkeit, etwa als Menschenhändler, sie nagen aber, wie vieles andere, an seinem Gewissen. Das endet damit, dass Ciro für einige Zeit sogar zu einem Helden wird.

Doch es wird schnell klar, dass Ciro, der wieder nach Scampia zurückkehrt, nie wirklich aus seiner Hut heraus kann. Er bleibt ein Soldat der Mafia, er bleibt ein Mörder, Dieb und Stratege. Dennoch ist dieser Ciro ein anderer. Er handelt nicht mehr aus Stolz, Ehre oder Profit, sondern weil er genau das am besten kann. Er ist ein Soldat mit zig Abzeichen und blutverkrusten Händen. Er kennt die Camorra besser als er seine Frau und seine Tochter kannte. Es ist in seiner DNA. Es ist vielleicht diese Erkenntnis, mehr noch als kurzzeitige Anflüge von Heroismus, dass Ciro in der dritten Staffel wirklich wie der erste echte Held wirkt, den die Serie je hervor gebracht hat.

Diese charakterliche Entwicklung, die Zepterübernahme von Gennaro, neue sowie alte Mit- und Gegenspieler sorgen dafür, dass Staffel 3 bockstarke, intelligente, spannende, mitreißende und bewegende Unterhaltung bieten. Allerdings ist es auch die bislang schwächste Season. Warum? Unter der Führung von Regisseur und Produzent Stefano Sollima, sein Hollywood-Debüt Sicario 2 startet in Kürze, gab es keinen Platz für Klischees. Nach seinem Weggang als Showrunner tauchen diese immer wieder auf. Sie verwässern leider ab und zu diesen Neonrealismus, der Staffel eins und zwei so großartig umschloss. Dennoch ist die Serie immer noch meilenweit  davon entfernt ein Katalog von Stereotypen zu sein. Die qualitative Abstufung zu den Vorgänger-Staffeln sind im Bereich des Dezenten zu  verorten. Anders gesagt: Großartig ist auch diese Season, die übrigens musikalisch erneut wunderbar sphärisch und drückend untermalt wurde von den Klangkünstlern von Mokadelic.© Polyband/WVG/Sky

Die Blu-ray

© Polyband/WVG

Gab es bei den Vorgängern in Sachen Bonusmaterial durchaus informative Featurettes, bietet die BD der dritten Staffel leider nur gähnende Leere. Nicht einmal Trailer sind zu finden. Das ist überaus schwach. Als Trostpflaster bieten die 12 Episoden, die auf 3 Discs enthalten sind, eine technisch einwandfreie Bild-  sowie Tonqualität. Neben der italienischen Originaltonspur, bietet der Heimkino-Release auch deutsche Untertitel. Insgesamt ist die Synchronisation aber absolut gelungen. Erneut bringt Polyband/WVG die Staffel hierzulande heraus – auch auf DVD. Diese sowie die BD sind seit dem 27. April 2018 im Handel erhältlich.

Fazit

Obwohl sich die dritte Staffel dem klassischen Mafia-Film annähert, bleibt die Serie auch diesmal ihrem Konzept treu. „Gomorrha - Die Serie“ bietet einen schonungslosen, pessimistischen Blick auf eine Welt, in der Macht und Geld mehr Wert sind als Moral und Menschenleben. Die Serie ist also auch weiterhin ein Mikroskop, dass den modernen Kapitalismus genau beobachtet und erneut eines klar macht: In Scampia, der Welt der Camorra, ist kein Platz für Helden. Hier lebt der Krieg, der ausgetragen wird auf den Gräbern der Väter und Kinder.

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