{{ tweet.login }}

{{{ tweet.body | format }}}

Wird geladen...

×
×

Erwähnungen

×

Benachrichtigungen

Seht mich verschwinden

Sportello745

Von Sportello745 in Filmfest Hamburg 2019: Eindrücke und Einblicke

Seht mich verschwinden Bildnachweis: Zombi Child, Grandfilm

Dieses Jahr widmete das Filmfest Hamburg einen Schwerpunkt den „Visionen des Verschwindens“, welche sich nach eigenen Angaben dem Verlassen der ProtagonistInnen aus der Biografie und der Biologie widmet, aber auch der dem Auflösen der ganzen Welt. Auf simpelste Art ist dieser Ansatz in Denis Cotes gerade einmal 66 Minuten langem Wilcox zu finden. Eine Hommage an all die Aussteiger aus der Gesellschaft, die soziale Konventionen gegen die einsame Natur austauschten. In Wilcox ist kein einziger Dialog zu verhören, stattdessen folgt die Kamera einem wandernden Eremiten von abgelegener Siedlung bis in den Wald. Die rauschhafte Geräuschkulisse erzeugt dabei ein Gefühl der Isolation und der Suche nach Spiritualität. Wirklich nahe kommen wir diesem Grenzgänger nie, aber dennoch spüren wir ihm neugierig nach. Wilcox ist ein Mood-Piece, das allen die von der Ferne und der Abgeschiedenheit träumen entgegenkommen sollte. 

Deutlich gewagter ist Ala Eddine Slims Film Tlamess geraten. Obwohl die ersten Bilder von Kriegssoldaten relativ konventionell anmuten verlässt Slims Film bald jeglichen Halt. Einer der Soldaten entfernt sich von seiner Truppe, die Kamera folgt ihm auf seiner Flucht aus der Zivilisation. Eine der inszenatorischen Höhepunkte erfolgt mit einer an die 10 Minuten langen Kamerafahrt, die seinen Weg in die Wüste begleitet, unterlegt von elektronischer Musik. Ein meditativer Schwebezustand beginnt einzusetzen. In der Natur einmal angekommen gelten bald neue Regeln. Verbale Kommunikation wird völlig obsolet, physikalische Gesetzte werden neu geschrieben. Tlamess enthält nicht nur den frechsten, und vielleicht genialsten, Verweis auf Stanley Kubricks 2001: Odyssee im Weltraum, sondern gestaltet sich insgesamt als der wohl verrückteste Film des Festivals. 

Ebenfalls aufgeführt in dem thematischen Schwerpunkt ist Bertrand Bonellos neuer Film Zombi Child, dabei kehrt dieser Film das Prinzip des Verschwindens viel mehr um. In Bonellos Film geht es um Wiedererscheinungen und die Rückkehr der Vergangenheit, wenn Ereignisse aus dem Jahr 1962 in Haiti beginnen, sich auf das hormonelle Gefühlschaos in einem Pariser Mädcheninternat im 21sten Jahrhundert auszuwirken. Zombi Child verbindet post-kolonialistischen Horror mit adoleszentem Erwachen, während der Film den Mythos des Zombies bis zu seinem Ursprung verfolgt und auf die Gegenwart überträgt. Das Ergebnis ist eine lange nachhallende und fast unmöglich zu dechiffrierende Fusion aus Coming of Age und Horror. Bonellos vorheriger Film Nocturama gestaltete sich als radikale Abrechnung mit dem Revolutionswunsch der (post-)modernen Jugend, Zombi Child hingegen bezieht die Sehnsucht nach einem radikalen Umschwung nun auf intimere, persönlichere und beängstigendere Gebiete.

Wird geladen...