Den unsäglich schlechten Trailern geschuldet, habe ich damals schon im Voraus über "Thor" geurteilt - etwas, das ich vier Jahre und mehrere Sichtungen später aus tiefstem Herzen bereue. Die Comicverfilmung um den störrischen Halbgott und seine Lektion in Demut ist aber auch heute noch bei Marvel-Fans umstritten, zu theatralisch mutet schließlich der Ansatz von Kenneth Branagh an. Der vor allem durch Shakespeare-Verfilmungen bekannte Regisseur kommt hier in den Genuss seiner ersten Blockbuster-Produktion und hadert dementsprechend mit dem Einsatz von CGI und Greenscreen, hat mit den prunkvollen Hallen Asgards aber die perfekte Bühne für eine Shakespeare'sche Familientragödie gefunden und beweist in den Szenen, in denen Thor durch die Welt der Menschen irrt, einen feinen Sinn für Humor.
Diese parallel laufenden Handlungsstränge - einer in Asgard, einer auf der Erde - drohen trotz ihrer Gegensätzlichkeit nie miteinander zu kollidieren. Wenn Thors Gefährten durch die goldenen Hallen streifen und der intrigante Loki seinen tumben Bruder umgarnt, atmet der Film Theater- und Trash-Luft und macht trotz (oder gerade wegen) all der schwülstigen Opulenz Spaß. Die Szenen auf der Erde sind derweil so wunderbar humorvoll, dass man nicht umhin kommt, sich eine "Thor"-Sitcom zu wünschen, in der der blondierte Hüne durch Geschäfte schlendert und mit menschlichen Traditionen konfrontiert wird. Lediglich bei Actionszenen fühlt Branagh sich spürbar unwohl: Der Kampf gegen die Eisriesen etwa ist dunkel, unübersichtlich und quillt über vor unvorteilhaft eingesetzten Computer-Effekten und -Hintergründen.
Die wahren Stars in "Thor" sind aber die beiden Hauptdarsteller: Chris Hemsworth und Tom Hiddleston. Hemsworth ist von Statur und Präsenz die perfekte Besetzung, überzeugt als eitler Charmebolzen, bringt aber auch eine gewisse Sensibilität mit sich, um der forcierten Romanze zwischen ihm und Jane Foster (süß, aber fehlbesetzt: Natalie Portman) wenigstens ein bisschen Leben einzuhauchen. Hiddleston überzeugt in seiner Rolle jedoch nicht nur, er macht sie sich und nebenbei auch noch den ganzen Film zu eigen: Sein Porträt des Loki ist keine eindimensionale Schurken-Darstellung, sondern eine brillante Gratwanderung zwischen Verletzlichkeit, Emotionalität und purer Bosheit. Kein Wunder, dass Hiddleston durch seine ambivalente Performance tausende Fangirl-Herzen erobert hat und nach zwei weiteren Auftritten in Marvel-Filmen bereits ein weiteres Mal eingeplant ist.
Wie "Thor" im Vergleich zum Superhelden-Treffen "The Avengers" einzuordnen ist, wird sich noch herausstellen. Mir aber liegt er von allen Solo-Abenteuern aus Phase 1 am meisten am Herzen.