Inhalt
Der Reporter Gerd Heidemann (Jonathan Pryce) lernt Dr. Fischer kennen, der behauptet, dass er die Tagebücher Adolf Hitlers beschaffen kann. Die Spur führt in die DDR, wo sich der Journalist vor Ort erkundigt. Er glaubt, den Coup des Jahrhunderts erlangt zu haben, und kauft für das Magazin „Stern“ nach und nach die Tagebücher an. Einige Forscher bescheinigen zunächst deren Echtheit. Obwohl es Warnungen gibt, dass die Tagebücher gefälscht sein könnten, beschließt der „Stern“, diese zu veröffentlichen ...
Kritik
Die Geschichte um die Hitler-Tagebücher klingt eigentlich zu konstruiert, um wahr zu sein und doch ist sie es. Es ist vielleicht der größte Medienskandal der deutschen Nachkriegsgeschichte, angetrieben einzig von Sensations- und Profitgier, ließ man alle Regeln der journalistischen und publizistischen Sorgfaltspflicht außen vor und übersah alle Warnhinweise. Mahner und Skeptiker wurden abgewiesen, weil man die Geschichte des Jahrhunderts witterte. Die gefälschten Tagebücher haben den Stern 9,3 Millionen DM, viel Ansehen und Leserschaft gekostet und dafür hat man 62 Bände Schund erhalten. Doch wie konnte es so weit kommen? Damit setzt sich anschaulich die britische Miniserie Hitler zu verkaufen aus dem Jahre 1991 auseinander. Die Serie basiert auf dem Sachbuch Selling Hitler von Robert Harris (Der Ghostwriter), welches auch die Grundlage für Helmut Dietls ein Jahr später erschienene Satire Schtonk! Und die RTL+-Serie Faking Hitler mit Moritz Bleibtreu (Das Experiment) und Lars Eidinger (Nahschuss) war.
Aus heutiger Sicht ist es kaum zu glauben, dass ein Journalist wie Gerd Heidemann für ein renommiertes Blatt wie den Stern arbeiten konnte. Schon vor der „Entdeckung“ der Hitler-Tagebücher war Heidemann eine schillernde Figur, der für den Stern aus allen möglichen Kriegsgebieten berichtete und der gern mit Absurditäten prahlte. So behauptete er etwa eine XXL-Unterhose des ugandischen Diktators Idi Amin sein Eigen nennen zu können. Da verwundert es nicht, dass er ein ebenso großes Faible für allerhand persönlicher Habseligkeiten einiger Nazigrößen hatte. Die Geschichte der Hitler-Tagebücher beginnt eigentlich damit, dass Heidemann die ehemalige Jacht Hermann Görings erwarb, diese restaurierte und mit zahlreichen Erinnerungsstücken Görings ausstatte. Die Jacht wird über die Jahre zu einem Treffpunkt überlebender Nazipersönlichkeiten und durch seine Sammelleidenschaft, knüpft er Kontakte zu Händlern von NS-Devotionalien. Der Unterhalt für Jacht und die Kreditraten sind jedoch so hoch, dass er schon bald in finanzielle Schwierigkeiten gerät und gezwungen ist, Teile seiner Sammlung zu veräußern.
Über einen Händler lernt er so Konrad Kujau kennen, der sich ihm gegenüber mit dem Pseudonym Konrad Fischer vorstellt. Kujau hatte zu diesem Zeitpunkt schon einige Fälschungen aus dem angeblichen Nachlass von Hitler unter das interessierte Volk gebracht, so auch ein erstes Exemplar eines Tagebuchs. Heidemann ist sofort begeistert und wittert das Geschäft seines Lebens. Kujau seinerseits ist nicht nur ein brillanter Fälscher, sondern ein ebenso guter Geschichtenerzähler, dem es gelingt, eine glaubwürdige, auf Fakten basierende Geschichte zum Fund der Tagebücher aufzutischen, die Heidemann trotz eigener Recherchen nicht widerlegen kann. Von der Echtheit überzeugt, gelingt es ihm schnell in der Stern-Redaktion und im Verlag Verbündete zu finden und von da an ist es quasi ein Selbstläufer. Jeder Zweifel und jede Kritik werden beiseite gewischt, jegliche journalistische Kontrollmechanismen umgangen und der eigentlich immer offensichtlicher werdende Fakt, dass es sich um eine Fälschung handelt, wird ausgeblendet. Man wittert die Sensation und den ganz großen Ruhm und ist dafür bereit, Unsummen von Geld auszugeben, ohne sich überhaupt die Echtheit bestätigen zu lassen. Zur Entlastung aller Beteiligten kann man jedoch nicht unerwähnt lassen, dass selbst einige Historiker und große Hitler-Experten auf die Fälschungen hereinfielen. Wer denkt sich denn schon den Inhalt von 62 Tagebüchern aus? So viel Aufwand würde doch niemand betreiben? Nun ja, bekanntlich war es genau so.
Die Handlung ist derart skurril und absurd, dass man sie leicht als übertrieben abtun könnte, doch die Serie stellt sich als recht realitätsnah dar und wird nur hin und wieder durch zusätzliche satirische Elemente ergänzt, die die eigentlichen Absurditäten noch unterstreichen. Allen voran sind hier die surrealistisch anmutenden Traumsequenzen Heidemanns hervorzuheben, die ihn als Helden einer angeblich von Hitler komponierten Oper zeigen. Trotz solcher heiteren Elemente und des deutlichen satirischen und komödiantischen Untertons, schwenkt die Serie teils in eine Art Journalismus-Thriller um, wenn es um die redaktionsinternen Auseinandersetzungen über die Echtheit und die spätere Vermarktung geht. Sobald aber Kujau wieder in den Mittelpunkt des Geschehens rückt, sticht die Satire hervor und um all das zu untermalen, werden Kujaus Geniestreiche regelmäßig mit Jodelgesang unterlegt. Dieser Mix funktioniert wunderbar und hält über die Dauer der fünfteiligen Serie die Spannung aufrecht. Dadurch unterscheidet sich Hitler zu verkaufen dann auch wesentlich von Dietls Schtonk!. Getragen wird die Serie darüber hinaus von zwei hervorragend aufspielenden Darstellern in den Hauptrollen. Jonathan Pryce (Oscarnominierung für Die zwei Päpste) als besessener und sensationsgieriger Journalist Gerd Heidemann und Alexei Sayle (Der Herr der Diebe) als spitzbübischer Kunstfälscher Konrad Kujau sind eine exzellente Wahl für die Rollen und tragen wesentlich dazu bei, dass die Serie derart unterhaltsam ist. Im deutschsprachigen Raum ist die Serie übrigens ursprünglich nur als stark zusammengeschnittener Zweitteiler gezeigt worden, weshalb für das Heimkino keine durchgängige deutsche Tonspur für die komplette Serie vorhanden ist und sie zwischenzeitlich nur im englischen Originalton mit deutschen Untertiteln gezeigt wird.
Technische Details
Pidax veröffentlichte die komplette fünfteilige Miniserie Hitler zu verkaufen am 30. Juni 2023 auf DVD in altersgemäßer Bild- und Tonqualität in Deutsch und Englisch (jeweils Dolby Digital 2.0), mit deutschen und englischen Untertiteln. Die deutsche Tonspur wird dabei immer wieder durch die originale englische Tonspur ergänzt, weil es bisher in Deutschland nur eine stark gekürzte Version gab. Bonusmaterialien sind leider nicht enthalten.
Fazit
Als filmische Auseinandersetzung über den Skandal um die Hitler-Tagebücher ist hierzulande am ehesten Helmut Dietls „Schtonk!“ bekannt. Doch bereits ein Jahr zuvor erschien die ebenso sehenswerte satirische britische Miniserie „Hitler zu verkaufen“, die durch ihre Hauptprotagonisten glänzt und sich erzählerisch fast allein auf die wahren Ereignisse beschränken kann, die schon für sich genommen sehr viele groteske Züge enthalten, die wiederum in der Serie gut eingefangen werden. Zudem gelingt der Wechsel zwischen Satire und Journalismus-Thriller hervorragend, so dass man eine spannende, wie auch lustig skurrile Serie über die jüngere deutsche Geschichte erhält.