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Der Moviebreak-Adventskalender 2018

von Thomas Repenning

So, wer Moviebreaks Adventskalender fleißig verfolgt hat, der weiß nun, wie dieses Kinojahr war und wie das nächste werden wird. Good stuff. Da aber noch einige Tage zu füllen sind, bis der bärtige Mann in dem roten Anzug durch den Schornstein gerutscht kommt, haben wir uns ein paar weitere Themen ausgedacht. So zum Beispiel, in Ehren der 2018 ins Leben gerufenen Special-Reihe, ein Rückblick auf das Jahr 2018 im Lichte des Deutschen Films. Dabei wird hier nicht nur streng nach den Kritiken und offiziellen MB-Wertungen gegangen. Viel mehr ist diese Filmsammlung Ergebnis eines Mischmaschs aus Kritiken, User-Wertungen und meinem eigenen egoistischen Interesse. Viel Spaß beim Vormerken.

Anfangen sollten wir wohl bei dem einzigen deutschen Film, der dieses Jahr 10 Punkte in der offiziellen Kritik abräumen konnte. Zwar gehen die Meinungen bei Mein Bruder heißt Robert und ist ein Idiot sehr stark auseinander, den Spitzenplatz vieler Toplisten ist dem Film von Philip Gröning aber sicher. Wie bei Jakob Jurisch, der schreibt zu dem Film nämlich:

"Mein Bruder heißt Robert und ist sein Idiot" ist ein Meisterwerk. Ein Film, der Kino als Raum der bedingungslosen Erfahrung versteht und selbst ein einziges Erlebnis darstellt, der sich der Radikalität der Philosophie verschrieben hat und die wohl erschütterndste Geschichte über das Erwachsenwerden der letzten Jahre erzählt.

Jakob Jurisch ist bei dem Werk also voll auf seine Kosten gekommen, ich hingegen weniger. Viel herrlichere Zeiten hatte ich bei…HERRliche Zeiten, der wohl gelungensten Satire des Jahres. Oskar Roehler (mit dem muss man natürlich trotzdem nicht warm werden) hat einen feisten und wenig subtilen, dafür völlig treffsicheren Beitrag zur Lage der Nation abgeliefert:

Mit „Herrliche Zeiten“ hat Oskar Roehler einen herausragenden Film abgeliefert. Die groteske Komödie besticht durch das unfassbare Schauspiel seines überschaubaren Kaders (allen voran: Oliver Masucci) und seinem Mut dazu, dem bequemen Publikum gehörig vor den Kopf zu stoßen. Unangenehm wird es hier - erst manchmal und dann immer öfter - und retten tut den Zuschauer dabei nur das Wissen, dass er sich über die Hauptfigur des Films stellen kann. Moralisch und (hoffentlich) intellektuell. Doch wahrscheinlich würde schon diese Heraufwürdigung gegenüber den Müller-Todts beim Roehler auch bloß ein verächtliches Seufzen bewirken. Der hatte seinem Publikum nämlich Einiges zu sagen. Es sollte ausnahmsweise zuhören.

Aber Roehler ist nicht der einzige Regisseur, der sich - auf welche Art und Weise auch immer - zur deutschen Flüchtlingsdebatte geäußert hat. Mehrere Regisseure haben sich der Thematik angenommen. So zum Beispiel Christian Petzold in seinem großartigen Film Transit, der in der offiziellen Kritik unterdurchschnittlich benotet wurde, aber mit einer hohen Community-Wertung von 7,8 lockt. Oder Wolfgang Fischer, dessen Film Styx auf dem Meer spielt und seine Hauptfigur mit Menschen in Seenot konfrontiert.

"Styx" ist kein fehlerfreier, aber dennoch ein fesselnder Thriller über das Handeln in Extremsituationen, der gekonnt mit seinem Publikum interagiert und es gezielt herausfordert.

Auch Michael Bully Herbig hat seine alberne Komödienkarriere an den Nagel gehängt und sich an einem reinrassigen Drama versucht. Ballon hat zwar noch keine Kritik aber ist ein Film, der die Brücke zwischen Gegenwarts- und Vergangenheitsbewältigung schlägt. In letztere Kategorie fallen noch weitere Filme. Etwa Andreas Dresens Biopic Gundermann, Das schweigende Klassenzimmer oder Robert Schwentkes Werk Der Hauptmann.

Mit „Der Hauptmann“ kehrt der deutsche Hollywood-Regisseur Robert Schwentke wieder in sein Heimatland zurück, um glatte Studio-Schauwerte vollständig hinter sich zu lassen und eine düstere, verstörende Studie über blinden Machtgehorsam, extreme Gewaltexzesse und faschistische Mechanismen abzuliefern. Die wahre Geschichte des deutschen Soldaten Willi Herold, der in eine gefundene Hauptmannsuniform schlüpft und sich rasend schnell in einen grausamen Henker mitsamt gehörigem Todeskommando verwandelt, erzählt der Regisseur dabei zwischen psychologischen Abgründen, expliziter Grausamkeit, schwer erträglichen Andeutungen und grotesken Einschüben als surreales Theater, das einen besonders unangenehmen Blick auf eines der gefürchtetsten Kapitel der deutschen Kriegsvergangenheit richtet.

Da wir nun eh schon in den tristen Gefilden der Filmgeschichte sind, wieso dann nicht gleich bei anderen zehrenden Dramen weitermachen? So zum Beispiel bei dem wunderbaren 1000 Arten, Regen zu beschreiben oder bei Ulrich Köhlers In My Room, der mit 8 Punkten in der Kritik auch ganz oben mitspielen darf.

Ulrich Köhler ist mit "In My Room" ein grandioser Endzeitfilm gelungen, der auf zahlreichen Wegen Fragen über menschliche Entfremdung, verlorene Orientierung und die Suche nach einem persönlichen Paradies aufwirft.

Aber Mensch, jetzt muss auch mal gut sein mit diesen Stimmungsdrückern. Wann wird es denn mal spaßig in den deutschen Kinos? Müssen wir dafür echt auf halbgare Filme von ehemaligen SNL-Mitarbeitern warten oder - Gott bewahre - die Nachrichten schauen? Nein! Deshalb habe ich mir hier fünf Filme ausgesucht, die euch Herz und Zwerchfell bearbeiten könnten. Allen voran der Siegeszug des kleinen Mannes: In den Gängen. Mit Franz Rogowski und Sandra Hüller. Schmelz.

Zwischen stiller Poesie, betont unaufgeregter Alltäglichkeit, humorvoller Lakonie und tragischen Untertönen erzählt Thomas Stuber in "In den Gängen" von den Mitarbeitern eines Großmarkts. Diesen eigentlich unspektakulären Arbeitsplatz inszeniert der Regisseur wie einen eigenständigen Mikrokosmos, in dem große Gefühle neben skurrilen Eigenarten und vielschichtigen Menschen stehen. Entstanden ist dabei ein gleichermaßen zurückgenommener wie begeisternder Film, der empathisch und authentisch zugleich das unerwartet Schöne und Berührende zwischen dem für gewöhnlich Banalen und Unscheinbaren hervorhebt.

Oder, wenn euch diese Abkehr von Superlativen nicht reicht, dann seid ihr vielleicht mit Das schönste Mädchen der Welt zufrieden? Oder mit Zwei im falschen Film mit der wunderbaren Laura Tonke? Oder mit dem Roadtrip 303? Wenn euch das alles nicht passt, dann könntet ihr höchstens noch Dinky Sinky versuchen, da bringt mich nämlich schon der Titel irgendwie zum Schmunzeln. Maximilian Knade kommt zum Fazit:

"Dinky Sinky" ist ein feministischer Film über eine feministische und tragische Figur, auch wenn es auf dem ersten Blick nicht so scheint. Das kommuniziert der Film auf visuell einfache, aber eindringliche Art und Weise. Leider verliert er sich und damit auch seine inhaltliche Stärke über Strecken, was dem Gesamteindruck aber glücklicherweise nicht allzu sehr zu Schaden kommt. 

Und jetzt bleiben uns nur noch zwei Abschnitte. Proleten- und Historienkino. Ersteres wird natürlich von Nur Gott kann mich richten angeführt, dessen Regisseur mit Chiko bereits nach den Sternen griff. Dazu heißt es bei uns…

Insgesamt betrachtet ist "Nur Gott kann mich richten" eine teils bemerkenswerte Milieu- Studie, die sich mit all jenen beschäftigt, die durch das System durchgefallen sind. Leider findet er nicht immer die richtigen Bilder für die Gangster-Rap-Ideologie, die er hier verkörpert und geht zu sehr davon aus, dass sich der Zuschauer wunderbar mit den Charakteren identifizieren kann, was aber leider eben nicht möglich ist.

Ein tonal ähnliches Fazit mit leicht anderer Wertung findet sich bei Familiye, dessen Stärken eindeutig mehr im emotionalen und weniger im dramaturgischen Bereich lagen. Eine letzte Erwähnung soll noch das Hobbykino Schneeflöckchen erhalten, der ob seiner limitierten Möglichkeiten durchaus launig bei der Stange halten kann.

Den Abschluss finden wir mit zwei sehenswerten Filmen, die in vergangenen Zeiten spielen, aber abseits der großen deutschen Themen „War + Wall“ zu finden sind. Licht erzählt eine Geschichte vom Wiener Hofe, 3 Tage in Quibéron von der sagenhaften Romy Schneider:

Vor der lichten Kulisse der bretonischen Küste konzipiert Emily Atef ihr Ensembledrama um düstere Gefühlsausbrüche und leichtherzige Momente zufälliger Intimität. Für eine authentische Studie Romy Schneiders und ihrer Begleiter fehlt es dem semi-fiktionalen Szenario an Realismus. Dank Minichmayrs und Bäumers ausdrucksstarker Darstellungen entsteht dennoch das scharfkonturierte Psychogramm einer Berühmtheit im Kampf mit der eigenen emotionalen Ambivalenz.

Und schon sind wir am Ende. Ich hoffe, dass ihr den ein oder anderen Film entdeckt habt, der euch bisher durch die Lappen gerutscht ist und dass ihr euch vielleicht in Bälde in das deutsche Kino verliebt. Verdient wäre es.

Übrigens: Der deutsche Beitrag für den Auslandsoscar ist dieses Jahr Werk ohne Autor von Regisseur Florian Henckel von Donnersmarck, der mit Das Leben der Anderen bereits die Trophäe nach Schland holen konnte.

Tägliches Gewinnspiel: Die heutige Aufgabe für das täglich Gewinnspiel lautet: Nennt uns eure deutschen Highlights des Jahres 2018! Und was erwartet ihr in Zukunft vom deutschen Kino? Zu gewinnen gibt es heute eine von insgesamt zwei DVDs von In den Gängen!

Gesamt Gewinnspiel: Wenn ihr bei der Gesamtverlosung mitmachen wollt, dann erledigt diese Aufgabe und schickt diese am Ende gesammelt an uns: Wie oft hatten Beiträge aus der Bundrepublik Deutschland eine Nominierung als Bester fremdsprachiger Film bei den Oscars?

Autor: Levin Günther

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