Es ist 20 Uhr, der 24. Dezember und wie in einem nicht-christlichen Haushalt üblich, fehlt bei uns jede Spur von Weihnachten. Kein Weihnachtsbaum, keine Weihnachtsdeko, keine Geschenke, kein Pseudo-Familienabend, an dem sich die Sippe vor dem Fernseher versammelt und mit Smartphones in den Händen sich leidenschaftlich gegenseitig ignoriert. In einer Ecke liegt eine Packung Spekulatius-Kekse und auf dem Esstisch ein seit Mitte Oktober halb leer gefutterter Schoko-Adventskalender. Irgendwo in den hintersten und dunkelsten Flecken eines Küchenschranks lauert vielleicht noch ein abgelaufener Schoko-Weihnachtsmann aus dem Jahr 2004, aber da endet auch schon meine „Weihnachtigkeit“. Dennoch bin ich in meinem Zynismus und in meiner Freude, nicht diesen ganzen „Scheiße-Wo-Kriege-Ich-Jetzt-Innerhalb-Von-6-Minuten-18-Geschenke-Her“-Stress mitmachen zu müssen, weihnachtlicher drauf, als die Natur vor meinem Fenster. Es ist genau wie letztes Jahr: Kein Schnee, Temperaturen von über 10°C, ich sitze hier mit Shorts und T-Shirt, tolle Weihnachtsfilme im TV, tolle Filme im Kino, die ins Oscar-Rennen einsteigen möchten. Wieder ein gutes Filmjahr, in dem ich große Hits, wie „American Hustle“, „Inside Llewyn Davis“, „Captain Phillips“ und „Rush“ nicht gesehen habe und sie dementsprechend hier nirgends auftauchen. Ein Déjà-Vu. Ein Fehler in der Matrix.
Meine Filme des Jahres:
Das erste Jahrzehnt des zweiten Jahrtausends war für Disney nicht einfach. Zumindest auf qualitativer Ebene, denn Disney war finanziell wahrscheinlich nie in Schwierigkeiten und haute mit Pixar immer noch ein Meisterwerk nach dem anderen raus, machte mehr Geld an einem Tag, als Dagobert Duck in seinem Münz-Pool hat. Die Zeichentrick-Ära war zu Ende, mit „Der Schatzplanet“, „Lilo & Stitch“, etc folgten im Vergleich zu den goldenen 90s mit „Lion King“ und „Aladdin“ eher minderwertige Filme. Währenddessen blühten Pixar mit ihren Computeranimationen auf. Mit „Tangled“ im Jahr 2010 wandte Disney ihre beliebte Musical-Formel im CGI-Gewand an und läutete wieder bessere Zeiten für Walt Disney Animation ein. Es folgten „Winnie the Pooh“ und „Wreck-it Ralph“, welche Kritiker und Fans gleichermaßen überzeugten. Mit „Frozen“ legt das Studio noch mal fett nach und liefert neben liebevollen Figuren, fantastischen Animationen, süßem Humor und einer tollen, dramatischen Handlung auch die besten Disney-Songs seit „Lion King“ ab. Stark.
Gravity wird nicht mit dem „Best Picture“- oder dem „Best Screenplay“-Oscar ausgezeichnet werden. Dazu ist der Plot nicht „deep“ genug und es wird zu viel geredet, obwohl es keinen Sinn machen würde. „All is Lost“ machte es schon eindeutig realistischer. Wenn man alleine ist und um sein Überleben kämpft, verschwendet man keine Energie, indem man Worte aus den Lungen hustet. Im technischen Bereich jedoch wird dieser Weltraum-Thriller alles abräumen, was bei drei noch frei in der Schwerelosigkeit umher schwebt. Was Alfonso Cuarón und sein Team hier auf die Leinwand zaubern ist pure Kino-Magie und die bis dato beste Visualisierung des Weltraums im Medium Film. Eindeutig ein einzigartiges Erlebnis, das man in 3D gesehen haben muss.
Ich habe lange überlegt, ob ich denn jetzt „Catching Fire“ oder „Desolation of Smaug“ auf den dritten Platz packe, da beide Filme für mich so in die gleiche Kerbe schlagen. Und auch wenn „Catching Fire“ mit seinen Sci-Fi-Aspekten, seinen zugegeben interessanteren Charakteren und seiner latenten Sozialkritik facettenreicher ist, hat „Desolation of Smaug“ Badass-Elben-Action, Ork-Massaker, Wildwasser-Rafting, fantastisch nuancierten Humor, Battle-Mage Gandalf und einen feuerspeienden Drachen, der dauernd „Barrel-rider“ sagt. Nach dem guten und leicht zähen Anfang in „An Unexpected Journey“ dampft Peter Jackson mit „Desolation of Smaug“ volle Kraft voraus in Richtung „Herr der Ringe“-Epik. Wenn „The Hobbit: There And Back Again“ im kommenden Jahr die Kinos heimsucht, stehen uns ein angepisster Drache und eine Schlacht mit fünf Armeen bevor. „Rückkehr des Königs“ und die „Schlacht um Minas Tirith“ lassen grüßen. Und sorry Katniss, aber gegen Tauriel hättest du keine Chance. Evangeline Lilly, bitte heirate mich.
Riesige Roboter, die riesigen Alien-Godzillas auf die Fresse hauen, Raketenfäuste, Plasma-Kanonen, Frachtschiffe als Baseballschläger, der eine hatte Flügel, boah drei Arme und wisst ihr noch, in der einen Szene, als der eine Roboter so voll „Pew Pew Pew“ und dann so „BOOM“ …....
Mit „American Hustle“, „Inside Llewyn Davis“, „Rush“, „Gravity“, „Her“, „Wolf of Wall Steet“ und vielen anderen bescherte uns das Jahr 2013 eine ganze Palette an hervorragenden Filmen, die es wert sind, in allen Formen und Versionen zu Hause im Regal zu stehen. Doch keiner dieser Filme kommt an die Dramatik, die Intensität und auch an die Bedeutung für das Medium Film von „12 Years A Slave“ ran. Das erste wirklich effektive Drama über die amerikanische Sklaverei. Ein Thema, dem sich Hollywood im Grunde seit ihrem Status als weltweites „Film-Mekka“ größtenteils verweigert hat. Am Ende ist es ein Brite, der diese gewaltige und unfassbar wichtige Lücke auf eindringliche Art und mit außergewöhnlichen Darstellern füllt. Obwohl man sich streiten kann, ob „12 Years A Slave“ der beste Film 2013 ist, ist er definitiv der wichtigste dieses Jahr, vielleicht sogar der vergangenen paar Jahre.
Meine größten Enttäuschungen:
Wunderbare Action, minimale Charakterentwicklung, enttäuschendes Finale, enttäuschender Antagonist. „The Wolverine“ bietet zwar coole Charaktere, eine tolle Inszenierung und einen Hugh Jackman, der als Wolverine nie besser war, doch enttäuscht der Comic-Streifen auf ganzer Linie, wenn es um Spannung geht und versäumt es wieder einmal uns den „wahren“ Wolverine zu präsentieren, indem der Film wieder in ein PG-13-Rating gequetscht wird.
Was ist nur los mit DC und Warner? „The Dark Knight Rises“ war die größte Enttäuschung des letzten Jahres und jetzt auch noch „Man of Steel“. Und das trotz Zack Snyder, der mit „Dawn of the Dead“ einen guten Zombie-Film, mit „300“ ein fantastisches Pathos-Gewichse und mit „Watchmen“ ein absolutes Meisterwerk abgeliefert hat (vergessen wir „Sucker Punch“). Ich schätze, der wundervolle, Gänsehaut-erregende Trailer hat meine Erwartungshaltung etwas zu hoch in den Himmel geschossen. Letztendlich triefte „Man of Steel“ von einem eher schwachen Antagonisten, von zu viel Action und Logiklöchern.
Ein Film, in dem Jodie Foster furchtbar ist. Nicht weil sie eine schlechte Schauspielerin wäre, wir wissen alle, dass dies nicht der Fall ist. Aber Neill Blomkamp spendiert ihr einen so unfassbar eindimensionalen, stereotypischen Charakter, dass einem glatt die Augen ausfallen und sie es einfach nicht schafft, etwas Interessantes aus der Figur zu schöpfen. An "Elysium" störte mich nicht die Shaky Cam, auch nicht das Szenario-Plagiat aus dem wunderbaren „District 9“, auch nicht die Slow-Motion-Actionszenen. Wenn ich etwas absolut hasse und verachte, ist das undifferenzierte Schwarz-Weiß-Malerei. Und genau das wird hier betrieben, indem Blomkamp alle Charaktere in ein gutes und ein böses Lager steckt. Dass die Story so sehr von Logiklöchern durchsiebt ist, würde mich nicht stören. Ich kann Plotholes gut ignorieren (siehe „Pacific Rim“), aber wenn sie mir geradezu ins Gesicht gerieben werden, habe ich auch Schwierigkeiten damit. Und dazu auch noch diese stereotypische Handlung vom weißen Messias, der aus den Mengen der braunen Latinos emporsteigt und alle errettet. Nicht mit mir.
Meine Geheimtipps:
3. Hansel & Gretel: Witch Hunters
Wie war das nochmal mit Logiklöchern?! Auch diese Verzombiefikation des Grimmschen Märchens „Hansel & Gretel“ tritt in ein Fettnäpfchen nach dem anderen, nimmt sich in seinem Gore, seinem Horror und seinem Humor aber so locker, dass die Plotholes glatt an Wert verlieren. Die tolle Inszenierung, in Kombination mit der wundervollen Ästhetik eines Märchenlandes und der starken Chemie zwischen Jeremy Renner und Gemma Arterton ergeben letzten Endes einen spaßigen B-Movie mit hohem Produktionswert. Manchmal braucht man einfach exakt so etwas.
2. The Conjuring
Heiliger Bumerang, was für ein Film. Ich bin nicht der größte Horror-Fan. Wahrscheinlich war meine dünne Haut gegenüber diese Art von Film der Grund, warum „The Conjuring“ bei mir so effektiv war. Da ich nie Horror-Filme konsumiere, habe ich leider auch nicht wirklich Präferenzen, mit denen ich „The Conjuring“ gleichsetzen könnte. Naja … war halt echt gut.
1. The Hunt
Mads Mikkelsen verwandelt momentan alles, was er anfasst, in absolutes Gold. So auch „Die Jagd“ von Regisseur Thomas Vinterberg. Während die Synopsis sich einfach nur langweilig anhört, entpuppte sich „The Hunt“ als ein fantastischer Thriller, der sich seine Zeit nimmt, seine Charaktere einzuführen, ohne mit Pathos um sich her zu schwenken oder die Moralkeule anzusetzen. Gnadenlos realistisch, wunderbar inszeniert und nervenzerreißend spannend.
Meine Erwartungen für 2014:
Das große Kinojahr kommt zwar erst 2015, aber auch das Jahr davor hat eine Menge zu bieten. Zwar besteht der Großteil erneut aus Reboots und/oder Sequels, aber damit haben wir uns alle schon abgefunden und auch miterlebt, dass ein Reboot/Sequel das Beste für ein Franchise sein kann, wie „Planet der Affen: Prevolution“ und „Dredd 3D“ bewiesen. Mit „Robocop“, „Godzilla“ und „Teenage Mutant Ninja Turtles“ stehen erneut einige Neustarts beliebter Marken an. „Dumb and Dumber To“ und „Sin City: A Dame To Kill For“ markieren dabei die Sequels, die bei ihrer Ankündigung niemand auf dem Schirm hatte, auf die sich aber mittlerweile jeder freut. Disney hat zwar mit „Maleficent“, „Muppets Most Wanted“ und „How To Train Your Dragon 2“ schon genug Holz für den Geld-Ofen, hinzu kommen allerdings auch noch alle Marvel-Filme, die wieder einmal Disney sehr glücklich machen werden. „Captain America: The Winter Soldier“ und das sehnlichst erwartete „Guardians of the Galaxy“ kommen in die Kinos, ebenso „Big Hero 6“. Eine Superheldengruppe aus dem Marvel-Universum, produziert wird der Film aber nicht von Marvel. „Big Hero 6“ ist der nächste Animationsfilm von Walt Disney Animation, die neulich mit „Frozen“ die Kassen und die Herzen der Zuschauer haben klingeln lassen. Noch mehr Superhelden gibt es mit „The Amazing Spider-Man 2“ und „X-Men: Days of Future Past“, ehe Superman im Jahr 2015 auf Batman trifft und das Universum explodiert. Animationsfreunde können sich zudem gefasst machen auf Studio Ghiblis nächstes Werk „The Wind Rises“ und „LEGO The Movie“, das laut den Trailern die gesamte Popkultur auf den Arm nimmt. Sylvester Stallone schart wieder die Testosteron-Riege Hollywoods in „The Expendables 3“ um sich, Dwayne The Rock Johnson versprüht sein Testosteron hingegen in einem von zwei Hercules-Verfilmungen. Viel Testosteron gibt es ebenfalls im „300“-Sequel „300: Rise of An Empire“. Interessant werden dürfte „Need for Speed“, den alle schon schief angucken und nur auf den kleinsten Patzer warten, um es mit ihren kritischen Texten zerfleischen zu können. Ebenfalls erscheinen mit „Mockingjay“, „The Hobbit: There And Back Again“, „Interstellar“ und Ridley Scotts „Exodus“ mächtige Blockbuster, über die allerdings so gut wie nichts bekannt ist. Ein aufregendes Jahr dürfte es wieder werden, in dem uns viele Filme enttäuschen und andere überraschen werden.