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Das Live-Justiz-Spektakel: Kritik zur Miniserie "Johnny Depp gegen Amber Heard"

memorylab

Von memorylab in Das Live-Justiz-Spektakel: Kritik zur Miniserie „Johnny Depp gegen Amber Heard“

Das Live-Justiz-Spektakel: Kritik zur Miniserie "Johnny Depp gegen Amber Heard" Bildnachweis: © Netflix

Inhalt

Mithilfe von gesammelten Archivmaterial arbeitet die Filmemacherin Emma Cooper den spektakulären Gerichtsfall zwischen Johnny Depp und Amber Heard in drei Episoden auf und beleuchtet dabei die Beziehung zwischen den beiden Protagonist:innen sowie die Rolle der Nachrichtensender und sozialen Medien.


Kritik

14 Monate nach dem Urteil kann konstatiert werden, dass die Gerichtsverhandlung von Johnny Depp gegen Amber Heard im Frühling 2022 eine Niederlage für alle Seiten ist: die Protagonist:innen, die Zuschauenden, die sozialen Medien und das US-Rechtssystem. Letzteres ermöglichte dies wiederum dank der verheerenden Ausstrahlung des Prozesses über das Internet. Depp versucht derweil nach seinem Ausschluss vom „Fluch der Karibik“-Franchise mit „Jeanne du Barry“ im Filmgeschäft wieder Fuß zu fassen, während bei Heard das baldige Ende auf der großen Kinoleinwand mit „Aquaman: Lost Kingdom“ gemutmaßt werden kann. Man stelle sich vor, deren Fall vor Gericht würde in einem abgelegenen Haus auf einem kleinen Hügel im Zentrum eines bewaldeten Tals stattfinden, doch aus unerklärlichen Gründen ermöglichen es Wärter, dass miefendes Wasser in beträchtlicher Menge die Talsperre hinunterfließt, ebenjenes Haus erreicht und die Anwesenden umschließt. Geschworene sollen sich nun ein Bild frei von externen Einflüssen machen und gemeinsam entscheiden, was aber unmöglich erscheint angesichts des abstoßenden, benebelnden Gestanks.

Leser:innen können jetzt meinen, dass mit dieser Analogie die Seite von Amber Heard eingenommen wird und dies kann zu einem Grad nicht verneint werden, denn der Umstand, dass dieser Fall von Toxizität umgeben werden durfte und bis heute noch ist, sollte oberste Priorität haben. Statt von einem entfernten Aussichtspunkt dieses Szenario im filmischen Sinne zu dokumentieren, begibt sich Regisseurin Emma Cooper mit ihrer dreiteiligen Miniserie auf einen Rafting-Trip im giftigen Gewässer. Auf Einordnungen von außen verzichtet sie und füttert ihre Dokumentation dafür mit banalen Glitch-Effekten, überflüssigem Stock-Material, Nachrichten-Berichterstattung, Zwischentiteln und Social-Media-Footage. Doch sollte eine Dokumentation es nicht nötig haben das hierzu grauenhafte Gedöns auf YouTube und vor allem TikTok mit zu inkludieren.

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Cooper schafft es vollkommene Abstoßung gegenüber den teilweise pseudonymen Profiteur:innen im Web – die man danach nie wieder hören und sehen möchte –  zu erzeugen mit dem Zeigen des peinlichen Anhimmelns einiger von Depp und der Diskriminierung vieler gegenüber Heard. Der unreflektierte Input der zu sehenden Online-Anwälte ist natürlich beschämend. Beides gesehen zu bekommen ist aber wiederum keine beachtenswerte Leistung in der heutigen Zeit. Viel mehr ist dieser Doku deutlich anzumerken, wie sich die Regisseurin in einem fatalen Flow zunehmend wiederfindet, denn die Aussagen der Protagonist:innen unter Eid (!) werden permanent mit emotionserfassender Musik unterfüttert. Wenn zum Schluss dieser Miniserie gefragt wird, wo die Wahrheit in diesem Gerichtsfall zu finden sei, dann sollte es ein Mindestmaß an Anstand sein, dass alles, was sich zuvor in diesem Gerichtsaal abgespielt hat, von den Zuschauer:innen ohne akustische Hilfe beurteilt werden kann – besonders dann, wenn häusliche Gewalt auf beiden Seiten im Spiel ist! Dass hier überhaupt Meme-Techno und Reaction-Sounds zu hören sind, ist einer journalistischen Aufarbeitung unwürdig. Fast kommt es einem so vor, als könnten Nachmittags-Gerichtsshows eine bessere Sicht auf diese Dinge anbieten.

Ein Lösungsansatz für diese Doku wäre gewesen, die Pervertierung des US-Rechtssystems durch das „Showbiz“ deutlicher hervorzuheben und wie Medien mit ihrer bloßen Berichterstattung dazu beitragen, dass solche Fälle zu Aufmerksamkeits-Magneten mutieren. Wieso ist zu dem Zeitpunkt der Verhandlung eine Livestream-Kachel von Law & Crime Network auf der Startseite von YouTube zu sehen? Warum werden keine Interviews mit Fachleuten und Verantwortlichen der sozialen Netzwerke geführt oder erfahrene Gerichtsreporter:innen befragt? Zudem sollte es keine Plattform für Streamer und TikToker in solchen Angelegenheiten geben. Die insgesamt 140 Minuten verkommen damit zur Unterhaltung mit minimaler Tiefe und sind gesät mit unzähligen Albernheiten in einer ernsten Angelegenheit, die uns Zuschauende nichts angehen sollte.


Fazit

Emma Cooper schafft es Bots und Mobmentalität als virtuelle Brandbeschleuniger eines Scheiterhaufens durch ihre Collage darzustellen, vergisst aber dabei das Zustandekommen dieser Situation zu ergründen. Schlimmer noch: der Eindruck einer Begeisterung Coopers gegenüber der kreativen Destruktivität von den sozialen Medien verfestigt sich durch das ungehemmte Abspielen der vielen Clips. „Johnny Depp gegen Amber Heard“ möchte ein US-amerikanisches Gladbeck im Social-Media-Gefilde sein, aber über diesen Gerichtsfall ist noch kaum Gras gewachsen und es fehlen in der Miniserie drei elementare Faktoren: Distanz, Gründlichkeit und Taktgefühl!

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