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Daredevil - Staffel 2 - Kritik

Souli

Von Souli in Daredevil - Staffel 2 - Kritik

Daredevil - Staffel 2 - Kritik Bildnachweis: © Netflix

Inhalt

Nachdem Wilson Fisk (Vincent D'Onofrio) hinter Gitter gebracht wurde, scheint sich eine frische Gewaltwelle über Hell's Kitchen zu ergießen: Gleich drei Verbrecherorganisationen sind auf äußerst brutale Art und Weise mit einer neuen Bedrohung in martialischen Kontakt geraten: Dem Veteran Frank Castle (Jon Bernthal). Als „Punisher“ begibt er sich Tag für Tag, Nacht für Nacht, auf einen persönlichen Feldzug durch die Straßen von Hell's Kitchen und trifft dort auch auf den roten Teufel (Charlie Cox), der in Castle nicht das blutrünstige Monster erkennt, sondern den verletzten Menschen, den es aus nachvollziehbaren Motiven heraus nach inbrünstiger Rache giert. Zusammen mit seinem Kollegen und besten Freund Foggy (Elden Henson), erklärt sich deren gemeinsame Kanzlei Nelson & Murdock bereit, eine anstehende Verteidigung von Castle zu übernehmen, während mit Elektra (Elodie Yung) eine alte Flamme Matts Leben gehörig durcheinanderbringt – ganz zum Leidwesen seiner zarten Romanze mit Karen (Deborah Ann Woll)...

Kritik

„Sometimes I think you really just might be the devil.“

Sehenswert war sie durchaus, die erste Staffel von Marvel's Daredevil, allerdings hat man dem hochkarätig produzierten und auf einer Idee von Drew Goddard basierenden Format deutlich angemerkt, dass sie doch zum Opfer ihrer Origin-Zwänge wurde, was den Narrativmotor auf lange Sicht zeitweise doch reichlich ins Stottern brachte. Es kann daher nur logisch sein, wenn man in Bezug auf die zweite Season leichte Bedenken besitzt, vor allem dahingehend, dass sich die Serie auch im nächsten Kapitel zu sehr in einen Stützaspekt festbeißt, ohne zu bemerken, dass ihre wahren Stärken schon immer abseits der Exposition lagen. Doug Petrie und Marc Ramirez, die Steven S. DeKnight nun auf dem Showrunner-Posten abgelöst haben, dürfen allerdings noch Jahre später stolz auf diese zweite Staffel zurückblicken, denn hier beweist Marvel's Daredevil vollends, welch ungemeine Qualitäten in ihr veranlagt sind – man muss sie nur akkurat fördern.

Angelpunkt der zweiten Staffel ist nicht mehr die ewige Gut-und-Böse-Dialektik, wie sie die erste Staffel noch etwas zu krampfhaft forcierte, sondern die tiefgehende Reflexion über das Wesen der Rache. Mag Wilson Fisk auch hinter schwedischen Gardinen sitzen, die Ausmaße seiner Korruption hängen noch in jeder Gasse von Hell's Kitchen, was so manches Unkraut anstiftet, aus den Fugen der Pflastersteine zu sprießen und sich von den Überbleibseln der düsteren Machenschaften infizieren zu lassen. Die Bewohner des New Yorker Stadtteils lassen sich nicht mehr nach dem obligatorischen Charakterbezugssystem auflösen, so wie es das Superhelden-Sujet überwiegend aufbereitet (sprich: die Kategorisierungen sind allzu klar), stattdessen zeigt Marvel's Daredevil nunmehr Teufel und Teufelsanbeter und offeriert die Frage, worin der Unterschied zwischen diesen beiden Parteien besteht: Ob ich selber Vigilant bin, oder ob ich dem Vigilantismus stehende Ovationen spendiere. Gibt es in dieser Gegenüberstellung wirklich Differenzen?

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Marvel's Daredevil ist der Überzeugung, dass Rache nicht die Generallösung sein kann, um eine Gesellschaft von ihren amoklaufenden Krebsgeschwüren zu befreien. Man versucht sich hier vielmehr darin, die Motivationen und psychologischen Beweggründe der Rache zu erforschen und nutzt Daredevil sowieden Punisher als vorerst kontrahierende Veranschauungsexemplare. Daredevil, der sich als Schutzpatron von Hell's Kitchen glaubt, hat klare Moralvorstellungen, um die Unterwelt zu bekämpfen: Es darf keine Toten geben, niemand steht über dem Gesetz und erst recht nicht über Gott. Daredevil hält fest an einem sauberen Gerichtsprozess. Der Punisher ist durch den Verlust seiner Familie der Meinung, dass Unrecht nur mit dem Tod bezahlt werden kann – weil dieser endgültig ist. Und dieses Prinzip verfolgt er so rigoros, dass zeitweise die Vermutung in Hell's Kitchen herumgeht, ein paramilitärischer Trupp wäre Schuld an dieser sagenhaften Schneise der Zerstörung, die der Punisher nach sich zieht.

Interessant wird der Themenkomplex, wenn man sich verdeutlicht, dass Leute wie der Punisher nur gedeihen konnten, weil es Daredevil gibt. Er ist die unvermeidbare Konsequenz eines selbsternannten Rächers, dessen Selbstjustiz vielleicht nicht so radikal sein mag, wie die des Punishers, aber von der Gesellschaft legitimiert und glorifiziert wird – ja, letztlich auch als moderates Mittel akzeptiert. Das allseits verschrieene Heldendasein von Daredevil befindet sich auf dem Prüfstein. Ist er wirklich der Inbegriff eines ritterlichen Ideals? Oder wird man wirklich zum Helden, in dem man die Vorbildfunktion verweigert und in der Masse untergeht? Da wird es dann auch augenscheinlich eng im Lügengebäude, in dem sich Matt Murdock durch sein strapaziöses Doppelleben ein brisantes Lager aufgeschlagen hat. Marvel's Daredevil hinterfragt an dieser Stelle nicht nur individuelle Auffassungen der Wiederherstellung von Gerechtigkeit, sondern auch das Rückgrat des Rechtssystem, welches sich niemals über eine groteske Perversion des Waffengesetzes definieren lassen respektive von diesem in die Knie gezwungen werden darf.

Highlight der zweiten Staffel ist der nuancierte Umgang mit den Charakteren und das Einlassen auf ihre Psychologie. Während Charlie Cox endgültig in der Rolle des Teufelskerls angekommen ist, darf Jon Bernthal als Frank Castle/ Punisher schauspielerisch so richtig brillieren. Seine Performance überrascht umso mehr, weil man Bernthal zwar als ordentlichen Darsteller aus der zweiten Riege wahrgenommen hat, das subtile Spiel, mit dem er Frank Castle zwischen unkontrollierter Killermaschine und zerbrochener Persönlichkeit anlegt, war in dieser affektiven Präzision jedoch nicht zu erwarten. Durch ihn gewinnt Marvel's Daredevil ganz entscheidend an Emotionalität und Ambivalenz, was die Serie grundlegend vitalisiert und über 13 Episoden so ungemein mitreißend gestaltet. Dass es zudem die wohl besten Kampfsequenzen seit The Raid 2 (keine Übertreibung) zu bestaunen gibt, ist das Sahnehäubchen auf einer mehr als nur gelungenen Staffel. Da verzeiht man auch gerne, dass die Erzählung zum Ende hin gelegentlich etwas zu konstruiert erscheint.

Technischer Part

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Der enormen Qualität der Serie entsprechend liefert Walt Disney Studios Home Entertainment mit der Veröffentlichung der zweiten Staffel (erhältlich ab dem 18. Mai) eine qualitativ hochwertige Auflage ab. Die Bildauflösung ist gestochen scharf und entfaltet sich vor allem in den kontrastreichen Tiefen ihre volle Kraft. Das Sounddesign wummert tieffrequent aus den Boxen und weiß das Wohnzimmer bis in den letzten Winkel auszukleiden. Dass die Publikation allerdings über keinerlei Bonusmaterial verfügt, ist äußerst unbefriedigend. Hier wäre zweifelsohne deutlich mehr drin gewesen.

Fazit

Ein qualitativer Quantensprung. Sicherlich war auch die erste Staffel Marvel's Dardevil überzeugend, doch was hier mit der zweiten Season abgeliefert wird, ist bisweilen schlichtweg atemberaubend. Der Fokus auf die Figuren und ihre Innenleben fördert einen einnehmenden Diskurs über das Wesen der Rache und die Existenzberechtigung eines jedweden Helden an die Oberfläche, während Jon Bernthal als Punisher Serien-Geschichte schreibt und schauspielerisch überraschend präzise dem Mann hinter dem großkalibrigen Geschütz ein ambivalentes Antlitz verleiht. Außerdem gibt es dazu noch ungemein beeindruckende Kampfsequenzen zu bestaunen (das hat The Raid-Niveau), ein herrliches Noir-Ambiente und einen Cast, der merklich in seinen Figuren angekommen ist. Toll.

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