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3... 2... 1... Let's jam! - "Cowboy Bebop" Kritik

Bristleback

Von Bristleback in "Cowboy Bebop" - Serie - Kritik

3... 2... 1... Let's jam! - "Cowboy Bebop" Kritik Bildnachweis: © Anime Ltd

Es ist alles und gleichzeitig nichts. Eine Serie, die den unterschiedlichsten Ecken der Popkultur Tribut zollt, parodiert und endlose Stile, Figuren, Looks, Vibes und Geschichten in sich vereint und dennoch unterschiedlicher und einzigartiger nicht sein könnte. Die Serie, die ein neues Genre für sich erfand und bis heute der einzige Vertreter dessen ist. Heute in der Kritik: Cowboy Bebop.

Erst etwas Backstory: 1998 fand diese Animationsserie ihren Weg ins japanische Fernsehen, der zu Beginn kein Erfolg zuteil werden sollte. Da sie um 18 Uhr abends ausgestrahlt wurde, fielen ganze Episoden wegen dem Gewaltgrad der Schere zum Opfer und erst im Jahr 2001 startete der Siegeszug von Cowboy Bebop. Als der amerikanische Sender “Cartoon Network” sein erwachsenes Abendprogramm “Adult Swim” vorstellte, war Cowboy Bebop der erste Anime, der in das Programm aufgenommmen wurde und stieß sofort auf großes Interesse. Heute gilt die Einführung von Cowboy Bebop ins amerikanische Fernsehen als Meilenstein der Image titleEtablierung japanischer Animes im Westen. Zwar existierte bereits in den frühen 70ern eine kleine Anime-Kultur in den USA—v.a. Animes wie Ghost in the Shell, Akira, Robotech, Bubblegum Crisis, Street Fighter, Ninja Scroll erfreuten sich als (oftmals gebootleggte) VHS-Kassetten bei Enthusiasten großer Beliebtheit und auch im Fernsehen waren Animes mit “Sailor Moon, Fist of the North Star und natürlich Dragon Ball vertreten—doch stellt die Ausstrahlung von Cowboy Bebop im Jahr 2001 eine Zäsur in der amerikanischen Zeitlinie des Anime dar, indem es fast schon eigenhändig eine ganze Generation von Kindern und Jugendlichen auf das japanische Animationsmedium aufmerksam machte und Animes auch außerhalb Japans endlich explodierten. Die Zeitlinie des Anime in Deutschland verläuft etwas anders, wobei Cowboy Bebop hierzulande im Jahr 2003 auf MTV und später auf Vox ausgestrahlt wurde, aber nie eine ähnlich große Rolle spielen konnte,  wie in den USA (wofür auch die verspätete BluRay-Veröffentlichung spricht). Heute gilt Cowboy Bebop gemeinhin als einer der besten Anime-Serien aller Zeiten, zählt Filmemacher wie Rian Johnson, Quentin Tarantino und Robin Williams (RIP) zu seinen größten Fans, wobei man selbst heute—fast 20 Jahre nach der Veröffentlichung—fast keinen besseren “Gateway-Anime” finden kann, der Neulinge besser und stilvoller in die kranke, abgefahrene und wundervoll-verrückte Welt der Animes einführen kann. Heute werfen wir anhand der deutschen BluRay-Veröffentlichung und der neulich angekündigten Realfilm-Serien-Adaption einen näheren Blick auf den besten Anime aller Zeiten (imo) und auf eine der am besten (mMn die beste) geschriebenen Serie aller Zeiten. 

3... 2... 1... Let's jam!


In einer Retrospektive über Cowboy Bebop auf der Webseite “The Atlantic” wird die Serie wie folgt bezeichnet: “Eine Geschichte, die von John Wayne, Elmore Leonard und Philip K. Dick in einer nächtlichen Whiskey-Sauftour geschrieben worden ist. Es ist Sergio Leone in einem Raumanzug. Butch Cassidy and the Sundance Kid mit automatischen Waffen.” Was cool und abgefahren klingt, ist tatsächlich auch sehr passend. Beim Gucken von “Cowboy Bebop beschleicht den Zuschauer das Gefühl, dass jeder “coole” Film, Song und sonstiges Stück der Popkultur in der einen oder anderen Form in diesem Anime vertreten ist. Ob französischer Film Noir (allen voran Jacques Tourneurs Goldenes Gift und Jean-Pierre Melvilles Le SamouraïDer eiskalte Engel zu deutsch), Ridley Scotts Alien, Hong-Kong-John-Woo-Action (Hard Boiled), Bruce Lee (Protagonist Spike isImage titlet Meister des Jeet Kune Do; die von Bruce Lee entwickelte Kampfkunst), Star Wars, The Rolling Stones, 90s Gangsta-Rap (v.a. The Notorious B.I.G.), Robert Rodriguez El Mariachi und DesperadoKubricks 2001, Shaft, jeder Western, der je gemacht wurde, Taxi Driver, Flash Gordon .... die Liste ist endlos. Das Wort "Cool" ist ein sehr allgemeiner Begriff, der so universal ist und sich faszinierenderweise jeglicher Definition entzieht, doch ist es das einzige Wort, das einem einfällt, wenn man Cowboy Bebop guckt und Protagonist Spike vor die Augen bekommt. Er ist gelassen, schwarzhumorig, lustig, ruhig, ein Meister des Jeet Kune Do, Raucher, ein Ass mit der Pistole und seinem "Swordfish"-Flieger. Ein Mix aus Clint Eastwood, Han Solo und Sean Connery. Einfach nur ... cool.

Cowboy Bebop ist und war schon immer bekannt dafür ein Dasein im Kreuzfeuer verschiedensteImage titler Genres zu fristen. In erster Linie Science-Fiction und Film Noir, scheint Cowboy Bebop in fast jeder  Episode sich in eine neue Schale zu schmeißen und dadurch zur Definition des “Genre Roulette” zu werden. Von Survival-Horror, Kifferkomödie, Cyberpunk, Western, Familiendrama, Crime Thriller und mehr sind hier in der Handlung und der Inszenierung vertreten. Dabei stellt sich die Musik von Komponistin Yoko Kanno als genauso vielseitig dar; ob 40er-Bebop-Jazz (Miles Davis Style), Hip-Hop, Harmonic Blues, 70s Rock, Funk, Bossa Nova, Country, Samba, 80s Pop … man könnte endlos weitermachen. Dass Cowboy Bebop ohne seine einzigartig-geniale Musik nicht halb so gut wäre, habe ich bereits an anderer Stelle ausgeführt (*bang*). 

Bevor die Serie 1998 im TV ausgestrahlt wurde, wurde sie mit dem Subtitel “The show, which becomes a new genre itself” beworben. Und obwohl Serienschöpfer Shinichiro Watanabe (Animatrix, Samurai Champloo) diesen Werbeslogan heute für zu hoch gegriffen hält, trifft diese Aussage dennoch irgendwie zu. Während in der Geschichte des Animemediums viele Titel so wichtig und einflussreich waren, dass sie unzählige Nachahmer nach sich zogen (Mobile Suit Gundam, Neon Genesis Evangelion, Dragon Ball, Pokemon, Astro Boy) sticht Cowboy Bebop seltsamerweise hier heraus. Bis auf Samurai Champloo, das oft als Schwesterserie angesehen wird und vom selben Regisseur stammt, wird man nicht so schnell fündig, wenn man Animes sucht, die in die Fußstapfen von Cowboy Bebop getreten sind. Mit Serien, wie Trigun, Black Lagoon und Outlaw Star (oder auch Joss Whedons Firefly) kommt man Cowboy Bebop definitiv näher, aber irgendwie auch nicht nah genug. Was Regisseur Shinichiro Watanabe, Drehbuchautorin Keiko Nobumoto mit dem Animationsstudio Sunrise hier geschaffen haben, ist—unabhängig von der Qualität der Serie—wahrlich einzigartig und sucht selbst heute noch wortwörtlich seinesgleichen.

Das Fehlen der Zugehörigkeit, das sich bereits in der Inszenierung bemerkbar macht, ist keineswegs nur ein Stilmittel, sondern wird auch von der Handlung unterstützt, die von fünf Kopfgeldjägern handelt. Der Kopfgeldjäger ist ein Charakterarchetyp, derImage title oft in Geschichten als Protagonist eingesetzt wird, da er—wie auch Cowboy Bebop selbst—ein Dasein zwischen den Fronten fristet und daher ein hohes Konfliktpotential besitzt; in diesem Fall zwischen dem Gesetz und der Gesetzlosigkeit. Nachdem Protagonist Spike sein Leben als Auftragskiller und Mitglied der Mafia hinter sich ließ, indem er seinen Tod vortäuschte, wird gezeigt, dass er es nicht schafft sein Leben weiterzuleben, da er etwas zurücklassen musste und somit damit nicht richtig abschließen konnte. Oft wird die Metapher des “Traums” benutzt; die Idee dahinter ist, dass Spike seit seinem Ausstieg in einem Traum lebt und es nicht schafft aufzuwachen, da er aktiv vor seiner Vergangenheit davonläuft (man beachte, wie er seine sonst lässige und gelassene Art sofort fallen lässt, sobald jemand aus seiner Vergangenheit ins Rampenlicht tritt). Spike hängt in seinem persönlichen Limbus fest und wird immer radikaler in seinen Versuchen aus diesem “Traum” herauszubrechen. Bei Jet und Faye ist dies ebenso der Fall: Sie alle laufen vor ungeklärten Problemen in ihrer Vergangenheit davon, wobei nie sicher ist, ob sie es schaffen diese Probleme ein für alle mal zu lösen, wenn sie in der Handlung wieder aufkommen. Ganz im Gegenteil macht Cowboy Bebop schon am Anfang eindeutig klar, dass diese Geschichte kein gutes Ende haben kann. Aber alles der Reihe nach:

In Cowboy Bebop geht es um fünf Kopfgeldjäger, die auf ihrem Raumschiff—der “Bebop”—durch das von Verbrechen Image titletriefende Sonnensystem reisen und versuchen sich mit dem Fangen kleiner Fische über Wasser zu halten und endlich mal etwas Fleisch in den Paprikagulasch zu bekommen. Oft scheitern sie und wenn sie es nicht tun, geht die winzige Belohnung für Reparaturen oder Sprit drauf—und wenn es heißt, es gibt Paprikagulasch zum Abendessen, bekommt man wieder nur angebratene Paprika serviert. Die Erde ist nach einem gigantischen Unfall, bei dem große Teile des Mondes auf die Erde stürzten, nahezu unbewohnbar geworden. Die Menschheit kolonisierte den Mars, die Venus und diverse Monde des Jupiter und Saturn. Das Sonnensystem ist ein gesetzloses Niemandsland, wodurch ein zweites, goldenes Zeitalter des Verbrechens eingeläutet wurde. Die offiziellen Behörden können kaum noch mithalten, weshalb Kopfgeldjäger (sogenannte “Cowboys”) angeheuert werden, wo unsere Charaktere ins Spiel kommen: Spike Spiegel ist ein ehemaliger Auftragskiller, der versucht sein altes Leben als Mitglied eines brutalen Verbrechenssyndikats hinter sich zu lassen. Jet Black ist ein Ex-Cop der Intersolaren Polizei, der die institutionalisierte Korruption nicht länger aushielt und der Polizei den Rücken kehrte. Faye Valentine ist eine Con Artist, die sich auf der Bebop einnistet und mehr als nur einmal mit dem Geld der Crew abhaut um es beim Pferderennen oder im Casino zu verzocken. Edward Wong Hau Pepelu Tivrusky IV (kurz: Ed) ist eine junge Hackerin und Megagenie, die für die nötige Dosis Chaos auf der Bebop sorgt. Mitglied #5 heißt Ein: ein hyperintelligenter Corgi.

Ein weiterer Aspekt, von dem Cowboy Bebop enorm profitiert ist die Welt, die hier präsentiert wird. Dargestellt wird eine Form der Retrozukunft, sprich die Technologie ist klobig, schwerfällig und sehr analog. Statt Laserwaffen, Riesenrobotern, Zeitreisen und Aliens gibt es Radios, Sony Walkmans, klotzige 4:3-Fernseher und VHImage titleS-Kassetten. Obwohl schwebende Autos existieren, wird die am Boden liegende Wirtschaft mit einem Stadtbild bekräftigt, das dem New York City der 80er gleicht. Die Schere zwischen arm und reich könnte größer nicht sein; runtergekommene Ghettos grenzen an die Hochhäuser des Finanzviertels. Graffitis und Kebabshops, Gangs, Shoppingmeilen, Kindergartenkinder, Bauernmärkte und Obdachlose zieren das Weltbild von Cowboy Bebop. In der Darstellung seiner Technologien und Gesellschaft war Cowboy Bebop Jahre seiner Zeit voraus, indem es Homo- und Transsexualität 1998 thematisierte, ohne weder eine ganze Episode darauf aufzubauen, noch es zu verurteilen. Was auch auffällt, ist das Fehlen jeglicher politischer Institutionen; nie wird erwähnt wer wo das sagen hat. Jeder Planet oder Mond, der besucht wird, wirkt wie ein Culture Clash auf Drogen, womit Cowboy Bebop nur seine inszenatorische und stilistische Genreunzugehörigkeit unterstreicht und aus dieser Identitätslosigkeit seine eigene, wahrlich einzigartige Identität extrahiert.

Die Storystruktur von Cowboy Bebop ist zum Großteil typisch “Monster of the Week”, wobei jede vierte oder fünfte Episode sich auf die im Hintergrund ablaufende Hauptgeschichte fokussiert, sprich: Spikes Vergangenheit in der Mafia und sein ehemaliger bester Freund, Partner und aktueller Erzfeind Vicious; Jets Vergangenheit in der Polizeieinheit und seine Ex-Frau und Fayes amnesiebedingte, nicht-existente Vergangenheit. Ist Cowboy Bebop über weite Strecken lustig und heiter, ist diese “Hauptstory” charakteristisch für ihre ansonsten untypische Ernsthaftigkeit, in die die Serie plötzlich getränkt wird. In diesen Episoden um die jeweiligen Vergangenheiten der Bebop-Crew offenbart Cowboy Bebop sein wahres Ich und besticht mit einer zynischen Melancholie, die diesen Anime in neue Höhen erhebt.

Die Themen, die Cowboy Bebop behandelt können durchaus auf einige Schlüsselwörter runtergebrochen werden (Ennui, Existentialismus, Vergangenheitsbewältigung und Einsamkeit), doch kommt man nicht sehr weit, Image titlewenn man nach solchen hochgestochenen Begriffen greift, die für sich stehend kaum aussagekräftig sind. In meiner “Top 10 der besten Animationsserien für Erwachsene” traf ich die Aussage, dass Cowboy Bebop ein außergewöhnlich ehrliches Verständnis dafür hat, was es heißt zu “leben”. So kitschig und prätentiös das auch klingen mag, ist dies die profundeste Feststellung, die Cowboy Bebop dem Zuschauer bietet. Viele Tiefen dieser Serie wird man nicht verstehen können, wenn man noch nie einem Freund sagen musste, dass man ihn nie wieder sehen möchte oder einem noch nie das Herz gebrochen wurde und man diesen Schmerz unverarbeitet Jahre lang mit sich getragen hat. Cowboy Bebop ist eine extrem persönliche Geschichte, die mit seiner ehrlichen Emotionalität zwischen all der Action, den obercoolen Dialogen, Jeet-Kune-Do-Einlagen, Popkulturreferenzen und Schießereien es nicht nur schafft mit den üblichen Konventionen des Storytellinghandwerks zu brechen, sondern diese gezielt für sich arbeiten zu lassen.

Die “Eine Gruppe verlorene Seelen reist umher auf der Suche nach sich selbst”-Prämisse, die auch Cowboy Bebop als Grundlage nutzt ist wahrlich nicht originell. Spike ist der typische “Gunslinger + Tragische Vergangenheit”, den mImage titlean aus unzähligen Western und Kurosawa-Filmen (hier oft als Samurai) kennt, Faye ist die kompetente und sexy Femme Fatale, der man nie so richtig trauen kann, Jet ist der stolze, dickköpfige, breitgebaute Ex-Cop, samt harter Schale und weichem Kern. All diese Aspekte wirken etabliert, klischeehaft und unoriginell und genau deshalb ist es auch hier, beim Ende des unoriginellen Teils, wo die Geschichte von Cowboy Bebop erst beginnt. Die Handlung von Cowboy Bebop wirkt wie ein Epilog zu der eigentlichen Geschichte, die wir (bis auf ein paar dialoglose Erinnerungsfetzen) nie zu sehen bekommen, sondern in der Serie mit dem aussichtslosen Versuch unserer Charaktere diese Vergangenheit hinter sich zu lassen, erzählt wird. Diese Art des Storytellings widerspricht radikal der Drei-Akt-Struktur, die sich in Hollywood etabliert hat (was eine enorme Hürde für die angekündigte Live-Action-Serie darstellen sollte) und wirkt deshalb selbst heute noch originell, neu und durch und durch genial. 15 der 26 Episoden stehen in keinerlei Relation zu den tragischen Backstories unserer Protagonisten, sondern handeln von normalen Leuten, deren Leben aus dem Ruder läuft und unsere Hauptcharaktere zufällig in ihre Geschichten stolpern. Manchmal schaffen sie es diesen Leuten zu helfen, viel öfter schaffen sie es nicht. Die Konstante, die sich aber immer durch diese episoden-langen Kurzgeschichten zieht, ist der Beginn und das Ende jeder Episode: Spike schläft oder beschwert sich über das Essen, Faye guckt Fernsehen, lackiert sich ihre Nägel oder zählt ihr Geld, Jet stutzt seine geschätzten Bonsai-Bäumchen und Ed rennt unbeschwert mit Ein durch das Schiff, ganz egal, wie tragisch das Leben dieser Menschen ist, die sie kennenlernten.

In der Retrospektive zieht Cowboy Bebop hiermit eine sehr traurige Parallele zu unserer aktuellen Realität, wo wir mit einer furchterregenden Nachrichtenzeile nach der anderen konfrontiert werden und wir letztendlich so abgestumpft sind, dass ein noch so schrecklicher Akt des Terrorismus bei uns kaum noch Reaktionen hervorrufen kann; schließlich haben wir alle unsere eigenen Probleme, die für uns viel greifbarer und dringlicher sind, als eine Totenstatistik aus Zentralafrika und es schwer ist, beim 100. Terrorakt die gleiche Betroffenheit zu empfinden, wie beim ersten. So ist auch die Realität der Bebop-Crew und ihre chronische Geldknappheit ein viel näheres und existentielleres Problem, als der Teenager, den sie erst vorgestern kennenlernten, dessen Mutter erschossen wurde und den sie wahrscheinlich nie wieder sehen werden. Als Kopfgeldjäger auf der Reise, laufen sie aufgrund ihres Berufs gutmütigen Menschen, denen das Schicksal in die Eier tritt, immer wieder über den Weg und sie können es sich einfach nicht leisten dieses Unglück fremder Leute zu nah an sich heranzulassen ohne Gefahr zu laufen an der tragischen Realität des Lebens innerlich zu zerbrechen. Auf diese Weise wird ein unglaublich hohes Level an Reife erreicht und der mitfühlende Zuschauer wird geradezu in eine Trance der Empathie gezwungen, wie es nur wenige Serien oder Filme schaffen. Cowboy Bebop versteht, dass Tragödien in den Leben aller Menschen existieren; ein trauriger Fakt, der nur mit dem Alter immer stärker unterstrichen und akzentuiert wird und dass Erwachsene Methoden finden oder erfinden müssen um mit der furchtbaren Last des Traumas klarzukommen, wenn sie nicht davon zerstört werden wollen. In Cowboy Bebop geht es nicht darum tragische Geschichten zu erzählen, sondern darum Charaktere explizit zu erforschen, die solche Traumata bereits durch- und überlebt haben, bzw. es immer noch versuchen.

Da ist es nur passend, dass die Erwachsenen der Crew ein extrem trockenes Weltbild besitzen (Spike ist der Nihilist, Jet der Realist und Faye die Zynikerin). Es fällt auf, dass die Bebop-Crew immer ihr eigenes Ding dreht, wenn sie auf dem Schiff sind. Solange es nicht im Zusammenhang mit Geld steht, sind Spike, Jet und Faye nie dabei zu beobachten, wie sie Zeit miteImage titleinander verbringen. Sie sind allesamt emotional abgestumpft, die sich kaum noch auf menschliche Beziehungen einlassen. Das “Wieso” dieser Tatsache sorgt für einige der emotionalsten und mitreißendsten Szenen der Serie. Und dennoch kommt ein Gefühl der Freundschaft, des Respekts und gegen Ende (auch wenn alles schon zu spät ist) sogar ein Familiengefühl auf, denn so desinteressiert Spike, Jet und Faye auch erscheinen und versuchen mit ihrer gleichgültigen Einstellungen sich vor unnötigem Schmerz zu schützen, sind sie letzten Endes immer noch Menschen, die sich nach zwischenmenschnlicher Wärme und Nähe sehnen, so sehr sie dies auch bestreiten würden. Und als sie im letzten Drittel der Serie nicht mehr in der Lage sind diese Tatsache abzustreiten, es aber schon zu spät ist, versuchen sie sich wieder in ihre Gleichgültigkeit zu hüllen ... und es funktioniert natürlich nicht mehr. Denn so sehr sie sich dagegen gewehrt haben, haben sie sich gegenseitig ins Herz geschlossen, auch wenn sie es nie gesagt oder gezeigt haben. Die Crew der Bebop findet Trost ineinander und in ihrer gegenseitigen, seelischen Gebrochenheit. Die Evolution dieser Charaktere und ihrer Beziehungen untereinander ist mit einem brutal ehrlichen Realismus geschrieben, dass Cowboy Bebop einerseits extrem profund und ergreifend wirkt, andererseits man diese Beziehungen besser versteht, je älter man selbst ist und je mehr Erfahrungen man damit, was es heißt Mensch zu sein und "zu leben".

Die “Monster of the Week”-Storystruktur hat unausweichlich zur Folge, dass die eine oder andere Episode etwas unterdurchschnittlich im Vergleich zum Rest der Serie ist (v.a. die zweite und 21. Episode sind relativ ernüchternd), doch ist jede Episode essentiell zur übergreifenden Hauptgeschichte, so unwichtig sie auch erscheinen mag. Dabei spielt v.a. das Finale (Episoden #24, #25, #26) eine enorm wichtige Rolle, da das Ende die gesamte Serie rückblickend in ein komplett neues Licht rückt und eine Wiederholung fast schon fordert. Empfohlen wird hier auf alle Fälle die hervorragende englische Synchronisation, die ein genauso großer Teil des Kults um diese Serie ist, wie der Soundtrack oder die Serie selbst. Die deutsche Synchronisation ist ebenfalls kompetent, fällt die Übersetzung des Dialogbuches allerdings oftmals unglücklich aus, v.a. dann, wenn die Serie mal etwas philosophischer wird.

Fazit:

Ob Anime-Fan oder nicht. Cowboy Bebop ist und bleibt die eine Serie im ganzen Anime-Universum, die einfach angesehen, analysiert und verstanden gehört; eine Serie, die in Menschen das Feuer entfachen kann, selbst Geschichten zu schreiben oder Filme zu drehen. Mit einem tiefgreifend-multikulturellen Zukunfts-, Gesellschafts- und Weltbild, das Jahre seiner Zeit voraus war, einem Soundtrack, dem seit der Veröffentlichung vor fast 20 Jahren immer noch nachgeeifert wird und einem Stil, der aus seinem identitätslosen Genre Roulette seine eigene einzigartige Identität extrahiert, ist Cowboy Bebop keinem Genre so richtig zuteilbar, fristet ein Dasein zwischen den Genrefronten und spiegelt somit auch das ziellose Treiben unserer chronisch-deprimierten Kopfgeldjäger durchs All wider, um in einem der perfektesten Serienenden der TV-Geschichte zu münden. Cowboy Bebop ist die ehrlichste und erwachsenste Studie über die Natur der menschlichen Beziehung, die ich in einer Geschichte (ob Film, TV oder Literatur) je gesehen habe und ist dadurch mit einer Universalität ausgestattet, die jeden Zuschauer erreichen kann; solange man gewillt und fähig ist den heiteren Action- und Comedy-Teppich anzuheben um zu sehen, was darunter liegt. Was zu finden ist, ist nicht einfach zu verstehen, v.a. weil das Verstehen einen gewissen Grad an seelischer Reife vom Zuschauer erfordert. Wenn ihr Cowboy Bebop also mal in eurer Jugend gesehen habt, steckt für euch ein enormer Mehrwert in einem Rewatch. Ist es jedoch ein Mal verstanden, wird es auch euch nie wieder loslassen. “You’re Gonna Carry That Weight”.


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