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Der letzte Tango in Paris [1972] - Pascals Meinung

Souli

Von Souli in Bilder des Zerfalls: Im Klammergriff der Kontroverse – Teil 3

Der letzte Tango in Paris [1972] - Pascals Meinung

Es scheint, als habe sich der gesamte Weltschmerz in seinen Gesichtszügen eingenistet: Paul (Marlon Brando, „Die Faust im Nacken“) ist am Ende, doch „Der letzte Tango in Paris“ hat gerade erst begonnen. Wie resigniert streift er durch Paris, windet sich um die Stahlträger der berühmten Bir Hakeim Bridge, zu schwach um wirklich neue Kraft zu schöpfen, aber letztlich auch noch etwas zu renitent, um vollständig aufzugeben. Dass Pauls Ehefrau gerade erst Selbstmord begangen hat, erfahren wir es später, dass er ihr nur mit Verachtung begegnen konnte, negiert der Film schließlich auch in einer der intensivsten Szenen. Nun hat „Der letzte Tango in Paris“ seinen heutigen Ruf – und Bernardo Bertoluccis sechster Spielfilm ist unlängst zum Klassiker avanciert, also cineastisches Grundwissen, sozusagen – durch einen äußerst delikaten Einfall, in dem Paul der 20-jährigen Jeanne (Maria Schneider, „Beruf: Reporter“) den Hintern mit Butter einschmiert, um sie auf den Boden der Wohnung im Herzen der Hauptstadt anal zu penetrieren. Verständlich irgendwo, das sich die Sittenwächter in jeden Tagen über die „inakzeptablen Sexualpraktiken“ räsonierten.

Die Beziehung von Paul und Jeanne steht dann auch im Mittelpunkt von „Der letzte Tango in Paris“. In einem alten Hotel laufen sich der lebensmüde Amerikaner und die unbefangene Französin zufällig in die Arme – Und es kommt nach einem kurzen Schwatz zum leidenschaftlichen Geschlechtsakt. Dieses Treffen wird sodann zum Ritual erklärt, immer wieder treffen sie sich, doch Paul möchte nichts von Jeannes Personalien wissen, ihm geht es rein um das anonymisierte Konspirieren. „Der letzte Tango in Paris“ porträtiert mit Paul einen Charakter, der, man merkt es Marlon Brandos pointierter Performance zu jeder Sekunde an, immer kurz davor ist, sich gänzlich aufzulösen, aber auf den letzten Metern seiner Existenz nicht im Klammergriff der Gesellschaft verenden möchte, sondern sich dem konventionalisierten System entziehen, um in der Wohnung ein gesetzloses Niemandsland zu errichten. Während sich Paul also gegen jede Form von Privatinformationen wehrt, führt Jeanne noch eine Partnerschaft mit Tom (Jean-Pierre Léaud, „Sie küssten und sie schlugen ihn“), der für das Fernsehen eine Art Cinéma-vérité-Film dreht und seine Freundin dafür nach Strich und Faden ausschlachtet.

Dass diese Spiegelung nun etwas erzwungen wirken mag, lässt sich nicht widerlegen, Léauds Figur ist offenkundig funktional, aber damit nicht weniger unbedeutender für die Wirkung von „Der letzte Tango in Paris“. Jeanne steht zwischen diesen Männern und nimmt sich – ähnlich dem Synkretismus – was ihr gerade passt, was die andere Person vermissen lässt. Paul erzwingt indes die Sexualität als neues Kommunikationsmittel, hat er doch eine Welt erlebt, in dem das gesprochene Wort nur den Zwängen und Anforderungen einer auf Leistung gedrillten Gesellschaft zur Verfügung steht. Doch genau dieses Verhalten, dieses Abschirmen von all dem, was „Draußen“ in Erwartung gestellt wird, zerstört das Miteinander im animalischen Refugium von Paul und Jeanne zunehmend: Die Flucht wird zur (Selbst-)Geißelung, die Ablehnung jeder sozialen Spezifizierung lässt das Paar erst recht mit der Realität in Berührung geraten. „Der letzte Tango in Paris“ berichtet somit auch von Abhängigkeit, vom aphrodisierenden Reiz des gesellschaftlich Ausbruchs, aber ebenso davon, wie man genau diesem Ausbruch zum Opfer fallen kann. Der Spielplatz zweier Menschen wird zum verlorenen Paradies und Projektionsfläche eines bedrückenden Seelenstriptease.

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