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Dogtooth [2009] - Dominics Meinung

Souli

Von Souli in Bilder des Zerfalls: Im Klammergriff der Kontroverse - Teil 23

Dogtooth [2009] - Dominics Meinung

Normalität. Obwohl dieser Begriff in unserem alltäglichen Sprachgebrauch immer wieder zum Einsatz kommt, bleibt er doch reichlich abstrakt. Was ist denn normal und wer definiert diese Norm? Ist sie ein naturgegebener Status quo, der uns seit jeher in die Wiege gelegt wird und das Schicksal der Menschheit gelenkt hat? Oder ist sie die Summe unserer Erziehung, ein gesellschaftliches Konstrukt, welches zwar in sich stimmig ist, aber dennoch keinen schlüssigen Regeln folgt? Yorgos Lanthimos hat darauf seine ganz eigene Antwort und obwohl Dogtooth nie mit den größten Skandalen in Verbindung gebracht wurde, so hat er doch so viel Unverständnis und Abneigung wie kaum ein anderes Werk der letzten Jahre generiert. Reaktionen, welche der Film ganz bewusst provoziert und die angesichts seines Inhalts wohl nur natürlich sind.

Die porträtierte Thematik ist zunächst alles andere als alltäglich, geht es doch um eine Familie, die ihre drei Kinder (zwei Töchter und ein Sohn) völlig frei von der Außenwelt großziehen und ihnen dabei ein verqueres Weltbild beibringen. Das beginnt harmlos, fast schon amüsant, wenn sie die falsche Bedeutung von Wörter lernen und zu einem Salzstreuer fortan Telefon sagen oder unter dem Begriff Meer einen großen Sessel verstehen. Schnell offenbaren sich jedoch die grausamen und immer grotesker werdenden Aspekte dieser Erziehung. Zum Zeitvertreib werden sadistische Spielchen gespielt, während die Hierarchie untereinander durch ein simples Leistungs- respektive Belohnungssystem geregelt wird. Frei von gesellschaftlichen Konventionen wird klar, dass die Kinder Sex in keinerlei Weiße mit Gefühlen oder Erotik verbinden und auch Gewalt ohne Kontext in einem luftleeren Raum zu schweben scheint. 

Diese Provokation ist natürlich ein Mittel, welches Lanthimos ganz kalkuliert einsetzt um seinem Film den nötigen Nachhall zu verleihen. Dogtooth will seine Zuschauer vor den Kopf stoßen, provozieren, ekeln, verwirren und ordentlich in die Magengrube treten. Auch darin liegt ein Wert und das blanke Unverständnis vieler Betrachter sagt wohl mehr über das Publikum als über den Film und seinen Macher aus. Schon allein deshalb handelt es sich bei Dogtooth um einen höchst anspruchsvollen Film, weil er es bis zu einem gewissen Grad ein geschultes Gespür dafür voraussetzt, den porträtierten Irrsinn zu kategorisieren, interpretieren und abstrahieren. Natürlich lässt er sich auch als reine Seherfahrung konsumieren, als groteskes Feel-Bad-Movie, doch wird man seiner komplexen Tragweite damit leider kaum gerecht. 

Vorbildlich ist auch Lanthimos´ Perspektive als Regisseur, denn der nimmt eine fast schon unmögliche Distanz und Neutralität ein, sodass seine Bildsprache zu keiner Zeit wertend ist. Seht einfach zu, denkt nach und bildet euch dann euer eigenes Urteil, scheint er zu sagen – und tatsächlich ist das die beste Taktik, denn Dogtooth hat einem aufgeschlossenen Zuschauer eine Menge zu erzählen. Doch welche Tiefen schlummern unter der oberflächlichen Provokation? Natürlich lässt sich der Film einerseits als gelungene Politparabel lesen, als Allegorie eines totalitären Systems, welches augenscheinlich nur seinen eigenen Regeln unterliegt. Zentraler ist jedoch jener Aspekt des Films, der als wirkungsvolle Dekonstruktion unserer Wirklichkeit fungiert. Nach und nach bröckelt die Fassade, doch was dahinter zum Vorschein kommt, will man vielleicht gar nicht sehen. Wie brüchig unser Verständnis der Welt wirklich ist, macht Lanthimos eindringlich deutlich, denn letztlich ist auch die Welt nur ein Käfig.

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