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Best of Volker Schlöndorff - Kritik
Von OnealRedux in Best of Volker Schlöndorff - Kritik
am Freitag, 22 März 2019, 22:44 Uhr
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Volker Schlöndorff zählt wohl ohne Zweifel zu den bekanntesten Vertretern des deutschen Films. Besonders bekannt ist der Regisseur für seine zahlreichen Literaturverfilmungen, immer wieder nahm er sich Werke der Weltliteratur an, die bis dato als unverfilmbar galten. Dabei ist es ihm auch stets ein Anliegen, die von ihm geschätzten Werke einer breiteren Öffentlichkeit zugänglich zu machen. Für seine vielfachen ausgezeichneten Filme versammelt der Regisseur oftmals eine bekannte Riege an Darstellern. Die literarische Vorlage nutze er zumeist als dramaturgisches Gerüst um darin seine eigenen Ansätze und Visionen zu verarbeiten. Nachdem sich STUDIOCANAL bereits zuvor technisch gut mit den Werken des deutschen Regisseurs auseinandergesetzt hatte, folgt nun passend zum 80. Geburtstag die aus sechs seiner größten Meisterwerke sowie umfangreichem Bonusmaterial bestehende Best of Volker Schlöndorff Box. Hierfür wurde gar Die verlorene Ehre der Katharina Blum (1975) in 4K restauriert. Zudem liegen die Filme Der junge Törless (1966), Baal (1970), Die Blechtrommel (1979), Tod eines Handlungsreisenden (1985) sowie Homo Faber (1991) bei.
Die verlorene Ehre der Katharina Blum (1975)
Story: Eine junge Frau wird wegen einer Liebes-Affäre mit einem angeblichen RAF-Mitglied in eine menschenverachtende Pressekampagne verwickelt. Volker Schlöndorffs preisgekrönte Verfilmung des Heinrich-Böll-Romans. Böll verarbeitete darin seine Erfahrungen mit der Boulevard-Presse ("Die Bölls sind gefährlicher als Baader-Meinhof"). "Der beste deutsche Film seit Fritz Langs 'M'" (Billy Wilder). Köln, Februar 1975. Auf einer Party lernt die junge Katharina Blum (Angela Winkler) den attraktiven Ludwig Götten (Jürgen Prochnow) kennen und verliebt sich. Sie ahnt nicht, dass Ludwig als Terrorist gesucht wird. Die Nacht, die sie mit ihm verbringt, verändert ihr Leben für immer: Ihre Wohnung wird durchsucht, sie wird verhaftet, verhört und erniedrigt. Die Boulevardpresse startet eine gnadenlose Hetzkampagne gegen Katharina ("Anarchisten-Liebchen"), veröffentlicht Details aus ihrem Privatleben und stilisiert sie zur Verbrecherin. Katharina will sich gegen den zudringlichen Reporter Werner Tötges wehren - und greift zur Waffe.
Die Entstehung von Die verlorene Ehre der Katharina Blum fällt in politisch turbulente Zeiten für die junge Demokratie. Doch ohne den Kontext der allseits gegenwärtigen RAF kann man sich den Film kaum vorstellen. Als Zufallsbekanntschaft eines gesuchten Top-Terroristen wird die einfache, aber beliebte Angestellte Katharina Blum (Angela Winkler) zur Zielscheibe der Boulevard-Presse. Dabei mischt der ermittelnde Kommissar Beizmenne (Mario Adorf) aus selbstdarstellerischen Motiven in der Hetzkampagne mit, was letztendlich ein Leben auslöschen wird. Messerscharf in seiner Aussage über die Verfilzung von Polizei und Presse, öffentlichem Interesse und Schutz des Einzelnen. Heinrich Böll, Autor der literarischen Vorlagen, wirkte am Drehbuch des Films mit.
Der junge Törless (1966)
Story: Törless ist ein intelligenter und wohlerzogener Schüler eines von der Welt abgeschiedenen Internats. Doch dann wird er Zeuge, wie die Anführer seiner Klasse, Beineberg und Reiting, einen Mitschüler, der Geld gestohlen hat, mit ihrem Wissen über die Tat erpressen und sich blinden Gehorsam schwören lassen. Die Jungen kosten ihre Macht grausam aus, während Törless die physischen Quälereien beobachtet. Als Törless die Situation schließlich nicht mehr aushält, flieht er aus dem Internat. Der junge Törless, entstand nach dem Roman Die Verwirrungen des Zöglings Törless von Robert Musil, wurde 1966 in Cannes uraufgeführt. Volker Schlöndorffs Verfilmung, in der psychologische Beobachtungen geschickt mit zeitkritischen Reflexionen vereint werden, zählt zu den wichtigsten Filmen der 60er Jahre.
Passenderweise findet sein Regiedebut Der junge Törless einen Platz in der Box. Mit der in schwarz/weiß gehaltenen Adaption des Romans Die Verwirrungne des Zöglings Törleß (1906) von Robert Muslin gelang ihm ein dichtes und authentisches Bild einer fehlgeleiteten Jugend. Der privilegierte Törless (Mathieu Carrière) sieht sich auf einem Jungeninternat für ihn völlig fremden, sadistischen Praktiken gegenüber. Gleichsam verstört wie fasziniert, versinkt Törless immer tiefer in einem moralischen Dilemma, welches zu einem emotionalen Ausbruch führt. Unter anderem mit dem Kritikerpreis der FIPRESCI-Jury 1966 in Cannes ausgezeichnet.
Baal (1970)
Story: Baal ist ein junger und talentierter Dichter. Obgleich er von der großbürgerlichen Gesellschaft gefeiert und hofiert wird, verachtet er sie. Er schläft mit der Frau seines Gönners Mech und schwängert Sophie, die ihm aber schnell zur Last wird. Menschen, denen Baal begegnet, nutzt er schamlos aus - selbst seinen Freund Eckart, mit dem er mehrere Jahre durchs Land zieht und den er offen ...
Als Theaterverfilmung von Bertolt Brechts gleichnamigen Stückes funktioniert der Film mit Rainer Werner Fassbinder und Margarethe von Trotta hervorragend. Sein eigenwilliger Stil ist heute immer noch modern und absolut zeitlos, während die Geschichte aufgrund ihrer morbiden Art unnachahmlich ist. Grell und Anti-Moralisierend, findet sich auch heute noch vieles unserer Gesellschaft in dem Film wieder. Ein Meisterstück früher deutscher Nachkriegs-Kino-Geschichte, die nachwirkt. Der Film selbst darf indes erst seit 2011 wieder aufgeführt und verkauft werden, nachdem Helene Weigel, die Frau des 1956 gestorbenen Bertolt Brecht, jede weitere Vorführung oder Ausstrahlung der Verfilmung verbot.
Die Blechtrommel (1979)
Story: Danzig 1927. Der frühreife Oskar Matzerath ist zwar erst drei Jahre alt, aber dennoch ist ihm folgendes klar Das kleinbürgerliche Leben, das die Erwachsenen führen, kann und will er nicht akzeptieren. Somit hört Oskar einfach auf zu wachsen. Leidenschaftlich protestiert der anarchische Zwerg auf seiner Blechtrommel gegen fanatische Nazis und deren feige Mitläufer. Immer wieder erhebt er seine Stimme gegen die muffigen Spießer der Weimarer Republik und deren derbe Erotik. Seine Stimme ist so laut und so schrill, dass alles Glas in seiner näheren Umgebung zerspringt. Erst als nach dem Krieg eine menschlichere Zeit beginnt, beschließt Oskar wieder am Leben teilzunehmen und und beginnt weiterzuwachsen.
Mit Die Blechtrommel liegt Schlöndorffs wohl bekanntester und erfolgreichster Film bei. Neben zahlreichen Preisen gewann er 1979 die Goldene Palme in Cannes (geteilt mit Francis Ford Coppolas Apocalypse Now) und 1980 den Oscar für den besten fremdsprachigen Film. Anhand des kleinen Oscars und seiner Blechtrommel wirft der Film einen bizarren Blick auf die Nazi-Zeit und verarbeitet diese auf völlig eigensinnige Art. Zwar fehlt es der Adaption etwas an der Radikalität der Vorlage, nichtsdestotrotz hat der deutsche Regisseur ein gleichermaßen mitreißendes wie wichtiges Werk geschaffen, welches seinen Status in der Filmgeschichte völlig zurecht bekleidet.
Der Tod eines Handlungsreisenden (1985)
Story: TV-Verfilmung des gleichnamigen Arthur Miller-Stückes von Volker Schlöndorff. Der Handlungstreisende Willy Loman war nie sehr erfolgreich, obwohl er sich dafür immer hielt. Ständig streitet er sich mit seinem Sohn Biff und kommuniziert in Tagträumen mit seinem Bruder Ben. Das Drama erhielt zahlreiche Preise, u.a. einen Golden Globe für Dustin Hoffman.
Bei der Adaption des bekannten Theaterstücks musste Schlöndorff in große Fußstapfen treten. So wurde es am Broadway von Elia Kazan uraufgeführt und später von zahlreichen Regisseuren erneut verfilmt, darunter Laszlo Benedek, dessen Version für 5 Oscars nominiert wurde. Doch auch Schlöndorffs Fassung ist gelungen und lebt nicht zuletzt von der grandiosen Leistung von Dustin Hoffman. Der Film wirft einen melancholischen Blick auf den alternden Handlungsreisenden Willy und der angespannten Beziehung zu seinem Sohn Biff. Während Willy sich immer mehr in Halluzinationen verliert und seine Erfolgslosigkeit nicht wahrhaben will, verhärtet sich die schwierige Beziehung zu seiner Familie zusehends.
Homo Faber (1991)
Story: Walter Faber ist ein 50jähriger UNESCO-Ingenieur, der in den 30er Jahren in Zürich studierte und sich dort von seiner großen Liebe Hannah trennte. Nach einem Flugzeugabsturz entdeckt er den Bruder seines Studienfreundes Joachim Henke unter den Passagieren. Er erfährt, daß Joachim Hannah geheiratet hat, sie aber verlassen mußte, weil sie Jüdin war. Ein Besuch bei Henke endet tragisch. Joachim hat sich aufgehängt. Faber kehrt nach New York zurück, flüchtet aber aus der Stadt und lernt auf dem Schiff nach Europa eine faszinierende junge Frau kennen. Er begleitet Sabeth durch Frankreich und Italien nach Athen, um dort zu entdecken, daß die Geliebte seine und Hannahs Tochter ist. Sabeth kommt durch einen Unfall ums Leben, Walter Fabers Leben zerbricht.
In der Adaption von Max Frisch stilprägendem Roman geht es um den Ingenieur Walter Faber, einem rationalen und kühlen Charakter, der von seiner eigenen Vergangenheit eingeholt wird. Leider gelingt es Schlöndorff erst gegen Ende in die Welt der Vorlage einzutauchen und so verläuft der Film über weite Strecken etwas orientierungslos. Wenn er jedoch final die ödipalen Konflikte seines Protagonisten austrägt, verhilft das dem Werk letztlich doch noch zu mitreißenden Momenten.
Blu-Ray
Für Fans von Volker Schlöndorff ist die neue Blu-Ray Box - seit dem 28.03.2019 im Handel - nun die absolute Referenz: Neben der gelungenen 4K Adaption von Die verlorene Ehre der Katharina Blum liegen der Box auch zwei Blu-Ray Premieren vor und zwar Der junge Törless sowie T od eines Handlungsreisenden. Und auch hier wurde bei der Aufarbeitung des alten Videomaterials volle Arbeit geleistet. Scharf, kontrastreich und mit eindringlichen Bildern, gibt es hier absoluten Sehgenuss. Doch auch der Ton der jeweiligen Filme ist gelungen. Die Extras sind zudem ein absoluter Kaufgrund: So gibt es unter anderem Interviews mit Volker Schlöndorff; die Filmmusik mit Einleitung von Volker Schlöndorff; Filmhistorische Dokumente; Volker Schlöndorff über den Director’s Cut von „Die Blechtrommel“; die Pressehefte sowie natürlich Originaltrailer. Eine absolute Empfehlung.
Fazit
Für Filmfreunde, Cineasten und jene, die es gerne werden wollen, ist das Best of Volker Schlöndorff Box ein guter Einstieg, um sich mit dem Schaffen von Volker Schlöndorff, einem der wichtigsten Nachkriegsregisseure unseres Landes, vertraut zu machen. Bleibt aber zu hoffen, dass irgendwann auch die Spätwerke in einer tollen Neuaufarbeitung erscheinen. So oder so, ist hier aber ein Kauf Plicht.
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