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Alec Guinness Collection: Britisches Vergnügen der Extraklasse

von Pascal Reis

Seinen hundertsten Geburtstag hätte er in diesem Jahr feiern dürfen, am 5. August des Jahres 2000 aber verabschiedete sich Sir Alec Guinnessvon der Bühne des Lebens, und mit ihm verließ ebenso einer der wahrhaft ehrfurchterregenden Titanen des Weltkinos die Bildfläche. Alec Guinness gehörte zu den Künstlern, deren schiere auratische Ausstrahlung sie auf direktem Wege zu Autoritätspersonen erklärt haben, obwohl sie nie den pedantischen Anspruch darauf erhoben, gefälligst als solche akzeptiert zu werden. Für aufstrebende Nachwuchsdarsteller ist seine chamäleonhafte Vielseitigkeit (von Prinz Faisalüber Adolf Hitler bis hin zuObi Wan Kenobi) vorbildlich, für seine Kollegen war es immer ein Privileg, mit ihm zusammen vor der Kamera zu stehen und für den Zuschauer vor der Leinwand schlichtweg faszinierend, Guinness bei der Arbeit zusehen zu dürfen: Ein Klassenprimus, ohne jede streberhafte Attitüde.

Anlässlich dieses 100-jährigen Jubiläums schafft es im Dezember dieses Jahres eine schicke Alec-Guinness-Collection in den Handel, die mit „Adel verpflichtet“, „Einmal Millionär sein“, „Der Mann im weißen Anzug“ und „Ladykillers“ vier der kultigsten Produktionen der Ealing Studios abdeckt und jedem anglophilen Anhänger gediegener Comedy-Kunst nur wärmstens ans Herz gelegt werden kann.

PS: Eignet sich natürlich auch hervorragend als weihnachtlicher Geschenk-Tipp, auch wenn das Bonusmaterial leider kaum die Rede wert ist.


Adel verpflichtet(1949)

Manche würden ihn fälschlicherweise als 'angestaubt' beschreiben, in Wahrheit ist „Adel verpflichtet“ einfach ungemein stilvolles Kino. Der Charme der Filmes zehrt zum Glück von einer Halbwertzeit ohne jedes erkennbare Ultimatum: Mit Sicherheit habenRobert Hamerund John Dighton hiermit fraglos einen zeitlosen Klassiker auf die Beine gestellt. Interessant ist es auch heutiger Sicht zu beobachten, wie „Adel verpflichtet“ niemals zynische Regionen auszutesten versucht, sondern einem ungemein ironischen Tonus die Treue schwört. Unter diesem Aspekt wird auch deutlich, auf welch ausgefeilter Drehbucharbeit „Adel verpflichtet“ doch basiert. Dass es sich nicht allein um einen würdevollen Spaß mit schwarzhumoriger Prägung handelt, sondern „Adel verpflichtet“ auch als herrliche Reflexion der zugeknöpften Befindlichkeit des Adels im viktorianischen Zeitalters funktioniert, wird in der hervorragend vorbereiteten Schlusspointe sichtbar, mit der nicht nur die Erwartungshaltung des Zuschauers torpediert wird, auch der seine Morde mit unerhörter Selbstverständlichkeit kommentierende Dennis Price muss mit verdatterter Miene feststellen, dass sein Triumph wohl doch nicht ganz so schillernd ausgefallen ist, wie er es noch wenige Sekunden vorher glauben wollte. 

Bewertung: 7 von 10 Punkten

Einmal Millionär sein(1951)

In „Adel verpflichtet“ war er noch in acht verschiedenen (Neben-)Rollen zu sehen, in „Einmal Millionär sein“ darf sich Alec Guinness ganz dem peniblen Kleinbürger Henry Holland hingeben. Guinness schlüpft hier in die Figur eines Jedermanns, der wie alle anderen Namenlosen dem gleichen Traum verfallen ist: Einmal Millionär sein. Zusammen mit Pendlebury (Stanley Holloway) möchte er diesen Traum endlich in die Tat umsetzen und aus seinem in der Bedeutungslosigkeit festgefahrenen Dasein entfliehen. Zusammen schmieden sie einen idiotensicheren Plan: Goldbarren im Wert einer von Millionen sollen der Bank von England entwendet werden und in der Gießerei von Pendlebury zu Modelleifeltürmen eingeschmolzen werden, die dann auf dem direkten Wege nach Frankreich gelangen und dort sich in sicherer Hand wiederfinden. Klingt simpel, ist allerdings wirklich brillant aufgezogen. Wie es das Schicksal aber so will, geht die Sache nicht ganz so reibungslos ab und Charles Crichton, dem wir auch „Ein Fisch namens Wanda“ zu verdanken haben, stilisiert „Einmal Millionär sein“ glatt zur spritzigen Parodie auf den klassischen Heist-Movie. Guinness und Holloway harmonieren blenden und dürfen sich den Sympathien des Zuschauers sichern sein, während wilde Verfolungsjagden über Stock und Stein das narrative Tempo wiederholt anziehen.

Bewertung: 6,5 von 10 Punkten

Der Mann im weißen Anzug (1951)

Erst bewegt sich Sidney (Alec Guinness) nur als grauer Niemand silhouettenhaft im Schatten, später erstrahlt er im weißen Anzug, doch die Welt ist noch nicht bereit für diese Veränderung. Idealistisch wie er ist, hat er eine Kunstfaser im stillen Kämmerlei entwickelt, die schmutzabweisend und unzerreißbar ist, ihre Oberfläche mit statischer Elektrizität geladen, praktisch unzerstörbar, außer man trennt die Moleküle. England zeigt sich jedoch wenig begeistert, dieser revolutionäre Erfindung, die die gesamte Textilkonjunktur überarbeiten und auf ein neues Level hieven würde, Auftrieb zu verleihen. Stattdessen grölt die Arbeiterklasse und das Mutterland der Industrialisierung muss sich eingestehen, dass es, trotz Interesse am zukünftigen Wandel, der Vergangenheit immer noch zu hörig ist. Die auf soziologischem Fundament errichtete Wirtschaftskritik von „Der Mann im weißen Anzug“ meint es gut in seiner Aussage, verkommt in seiner tonalen Unentschlossenheit aber zur naiv-volatilen Angelegenheit. Wohin das Ganze steuern soll, wird nie ersichtlich, was sich auch am Spiel von Alec Guinness abzeichnet, der leider zwischen den Stühlen sitzt und nie genau weiß, in welche Richtung er sich denn nun eigentlich bewegen soll. Akzeptabel, wenn auch unrund.

Bewertung: 5 von 10 Punkten

Ladykillers (1955)

Mit „Ladykillers“ bekommen wir dann auch das schillernde Prunkstück der Ealing-Studios zu Gesicht. Man muss sich nur einmal vor Augen führen, wie böse dieser Film auch heutzutage noch daherkommt und wie mutig gewesen ist – gerade in Anbetracht des zeitlichen Kontext -, diese Geschichte derart niederträchtig aufzuziehen und dementsprechend gemein enden zu lassen. Alec Guinness zeigt wiederholt, dass er nicht nur ein Meister der Verwandlung war, sondern auch, dass er, trotz all der äußerlichen Überzeichnung, der verkniffene Blick, das sich aus dem Mund schälende Gebiss, die buckelige Physiognomie, nie Gefahr laufen würde, zur infantilen Lachnummer zu verkommen. Seine Performance ist ungeheuer pointiert, jede Geste trifft ins Schwarze, jedes Wort erhält erst durch ihn den vollkommenen Feinschliff. Auch „Ladykillers“ darf sich glücklicherweise als 'zeitlos' titulieren lassen, das Timing ist blendend, das Ensemble (darunter nochPeter Sellers, Cecil Parker, Herbert Lom, Danny Green und die rüstige Katie Johnson) spielfreudig und wunderbar zusammengetragen, während das Drehbuch des temporeichen Lustspiels kontinuierlich an Biss gewinnt und den Konflikt zwischen Betulichkeit und Delinquenz abermals potenziert wie (nicht zuletzt durch Tristram Carys orchestrales Arrangement) ironisiert.

Bewertung: 7,5 von 10 Punkten

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